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Front gegen BA/MA-Lehrer

Die Grundidee der Vergleichbarkeit aller Bachelor- und Masterabschlüsse klingt gut, ist aber für das Lehramtsstudium wegen der Länderhoheit nur schwer zu erreichen. In NRW beginnt man erst ab dem kommenden Wintersemester mit dem Lehramtsbachlor. Dagegen wehren sich nun die Studierenden.

Von Katrin Sanders | 20.06.2011
    Das Wintersemester steht vor der Tür. Kommt der Aufruf zum Moratorium gegen den Lehramtsbachelor nicht ein wenig zu spät? Diesen Vorwurf lässt Stefan Brackertz, aus dem Sprecherteam der GEW-Studis nicht gelten:

    "Wir hatten tatsächlich geglaubt, dass dieses Gesetz zur Umstellung, das von Schwarz-gelb gemacht wurde, von Rot-grün noch einmal nachgebessert würde und dass man dann zum nächsten Semester zu einer sinnvollen Reform kommen könnte. Hat sich dann aber rausgestellt, dass Rot-grün das nicht vorhat. Und da haben wir gesagt: Bevor jetzt eine ganze Generation ohne Not in ein Studium und ein Referendariat gedrängt wird, das ziemlich verkorkst ist und die gesamte Erfahrung der letzten Jahre, die man mit den Umstellungen schon gesammelt hat, nicht genutzt wird, müssen wir erst mal eine Verzögerung haben und dann muss man das in Ruhe nachbessern."

    Denn es gibt zwiespältige Erfahrungen, zum Beispiel in Sachsen. Wer die Mühen des Bachelorstudiums auf sich nimmt, will am liebsten am Gymnasium unterrichten, sagt man im Kultusministerium. In Grund- und Mittelschulen werde deshalb bald schon der Nachwuchs fehlen. Auch deshalb kommt 2012/13 in Sachsen das alte Staatsexamen - reformiert - zurück. Die Aufteilung des Lernstoffs in Module bleibt, ebenso wie die Credit Points. Gerade diese Neugestaltung der Inhalte will die Junge GEW für NRW verhindern. Stefan Brackertz befürchtet ein Studium, in dem wenig geforscht und viel abgehakt wird:

    "An einigen Hochschulen geht es soweit, dass im Vorlesungsverzeichnis gar nicht mehr drin steht, was Inhalt der Veranstaltung ist, sondern wie man da wie viele Points für Multiple-Choice-Klausuren oder für Hausarbeiten bekommt und das ist einer der Knackpunkte, dass man nur noch abarbeitet und was von manchen sehr vorangetrieben wird, ist: ein Lehrer, der Vermittlungstechnologe ist. Aber ich kann nicht Reformpädagogik mit Multiple-Choice-Klausuren lernen."
    Ein Studium, das zu wenig auf die Schule vorbereitet, ist für Bayern Grund genug, auf den Bachelor fürs Lehramt zu verzichten. Wer in Ulm oder München Lehrer werden will, muss wie gehabt das Staatsexamen ablegen. Dabei böte das neue System - auch für NRW - durchaus Chancen: Deutsch als Fremdsprache für alle verbindlich, ist eine davon. Die andere: Ein Teil des Referendariats soll künftig ins Studium zurückverlegt werden.

    Brackertz: "Was ja sinnvoll ist, um Theorie und Praxis besser zu verzahnen. Aber das wurde vor allem genutzt, um dann diesen Teil des Referendariats nicht mehr zu bezahlen. Und das ist halt eine Lohnkürzung auf dem Rücken künftiger Lehrerinnen und Lehrer und das ist schon mal überhaupt nicht hinnehmbar."

    In Hamburg sieht man all diese Probleme nicht. Es habe mehr als genug Masterstudienplätze gegeben, die in allen Ländern Voraussetzung für den Einstieg ins Lehramt sind. Die Erfahrungen mit dem ersten Bachelordurchlauf seien durchweg positiv, sagt Prof. Reiner Lehberger vom Landesinstitut für Lehrerbildung:

    "Wenn ein System umgestellt wird, hat man die Chance auch auf Inhalte zu gucken. Jetzt neigen vielleicht manche Universitäten zur Überreaktion in der Festlegung und da müsste man gegensteuern. Aber grundsätzlich: ein Kernkurrikulum aufzubauen, das verlässlich ist, dient der Übersichtlichkeit und auch der inhaltlichen Vertiefung."
    Genau das bezweifeln Kritiker des Bachelors of Education, zum Beispiel Dr. Matthias Burchardt vom Institut für Bildungsphilosophie in Köln. Künftige Lehrer brauchen neben Wissen vor allem auch Reflexion, sagt er:

    "Was man da vermittelt und für wen und welchen Sinn das hat - diese Frage wird aus dem Studium sukzessive getilgt. Und deshalb halte ich das für besonders gefährlich, denn die Absicht dahinter ist die den Lehrerberuf herunterzufahren auf einen Vermittlungsberuf und nicht mehr diesen Vollwert des Pädagogischen, den die deutschen Lehrerbildung ja mit recht immer hochgehalten hat, zu realisieren. Und deshalb plädiere ich absolut für das Moratorium."
    Das zuständige Ministerium in NRW hat Burchart und die GEW-Studis zu Gesprächen zum Lehramtsbachelor eingeladen. Die Frage steht im Raum, ob Nordrhein-Westfalen erst selbst durchmachen muss, was die anderen Länder schon erprobt und teils wieder aufgegeben haben.