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Früher Fischverzehr vorteilhaft

Gesundheit.- Immer mehr Kinder leiden unter Allergien. Jetzt haben Mediziner der Uni-Kinderklinik von Göteborg neue Daten vorgelegt, die darauf hinweisen, dass spätere Allergien durch den frühen Konsum von Fisch im ersten Lebensjahr reduziert werden.

Von Volker Mrasek | 27.07.2010
    Seit 2003 läuft die Studie der Göteborger Ärzte. Fast 4500 Familien aus West-Schweden machen mit, deren Kinder damals geboren wurden. Alle paar Jahre bekommen die Eltern einen Fragebogen von den Medizinern. Darin geben sie Auskunft darüber, ob und an welchen Allergien ihre Sprösslinge inzwischen erkrankt sind. Und wie sie in all der Zeit ernährt wurden.

    Jetzt liegen die Zwischenergebnisse für 2008 vor. Damals waren die Kinder im Schnitt viereinhalb Jahre alt; jedes 20. litt bereits an einer Allergie. Bemerkenswert ist, was die Mediziner über den Konsum von Fisch in frühen Lebensmonaten herausfanden. Die Göteborger Kinderärztin Emma Goksör:

    "Wenn man Kinder schon vor dem neunten Lebensmonat mit Fisch füttert, hat das eine schützende Wirkung. Bei dieser Gruppe war Heuschnupfen später im Alter von viereinhalb viel schwächer verbreitet. Die Zahl der Fälle lag nur halb so hoch wie bei den Kindern, die erst später Fisch bekamen."

    Manche Eltern servierten ihrem Nachwuchs bereits vor dem sechsten. Monat zubereiteten Fisch. Andere noch im Laufe des ersten Lebensjahres.

    "Wir haben auch danach gefragt, wie oft Fisch im Alter von einem Jahr auf dem Speiseplan der Kinder stand. Da sahen wir ebenfalls einen schützenden, allerdings nicht mehr so bedeutenden Effekt durch häufigeren Fischverzehr. Schließlich wollten wir auch noch wissen, was die Kinder bekamen: mageren Weißfisch oder eher fettreiche Sorten wie Lachs oder Hering? Aber wie sich herausstellte, spielte das keine Rolle für den Schutz vor Allergien."

    Bei einer früheren Auswertung ihrer Studie hatten die Göteborger Forscher bereits etwas Ähnliches festgestellt: Wenn Kleinkinder schon früh mit Fischhäppchen gefüttert werden, sinkt demnach auch das Risiko für Neurodermitis, eine andere allergische Erkrankung. Demnach könnte frühzeitiger Fischkonsum rundum positiv wirken, ganz gleich auf welche Art von Allergie.

    Eine andere Frage kann Emma Goksör nicht beantworten: Ob es vielleicht auch hilft, wenn Mütter in der Stillzeit Fisch essen:

    "Wir haben leider keine Daten erhoben über die Ernährung der Mütter. Was man aber – ganz unabhängig vom Fischverzehr – sagen kann, ist: Kinder, die nicht oder nur kurze Zeit gestillt wurden, haben ein erhöhtes Allergie-Risiko."

    Die Ergebnisse der schwedischen Studien rütteln an einem noch heute gültigen Leitsatz der Allergie-Prävention. Demnach sollen Eltern ihren Kindern Lebensmittel, die bekanntermaßen Allergene enthalten, lieber nicht zu früh geben - am besten erst ab dem sechs Lebensmonat oder noch später. Zu diesen Nahrungsmitteln zählen nicht nur Eier und Nüsse; dazu zählt auch Fisch! Er enthält ebenfalls Stoffe, die Allergien auslösen können.

    Offensichtlich sind die bisherigen Ernährungsempfehlungen aber falsch. Das meint jedenfalls Göran Wennergren, Professor für Kinderheilkunde an der Göteborger Universität:

    "Ich denke, es ist wahrscheinlich genau umgekehrt: Es schadet nicht, Kindern möglichst früh Lebensmittel zu geben, die Allergene enthalten, sondern im Gegenteil: Es ist vorteilhaft! Das Immunsystem lernt so, richtig auf diese Stoffe zu reagieren. Das geschieht auch durch den frühzeitigen Konsum von Fisch. Wir empfehlen deshalb, Kleinkindern schon im Alter zwischen vier und sechs Monaten Fisch in fester Form zu geben."

    Bestätigt sieht sich der Mediziner durch eine andere, kürzlich veröffentlichte Studie von Forschern in England und Israel:

    In den beiden Ländern werden Kleinkinder unterschiedlich früh mit den Allergenen von Erdnüssen konfrontiert. In Israel gibt es eine Sorte Gebäck, die Erdnussbutter enthält; Eltern geben sie ihren Kindern schon während des ersten Lebensjahres. In England dagegen versucht man, Allergien bei Kindern zu vermeiden, indem man ihnen Erdnussprodukte möglichst lange vorenthält. In der Studie zeigte sich aber: Die Kinder in Israel entwickeln viel seltener Allergien gegen Erdnüsse als die Kinder aus der jüdischen Gemeinde in England.

    Man darf nun gespannt sein, wie die Fachgesellschaften für Allergologie reagieren. Halten sie die vorliegenden Studienergebnisse für so überzeugend, dass sie ihre Ernährungsrichtlinien revidieren? Und nicht mehr den späten Kontakt mit Nahrungsmittel-Allergenen empfehlen, sondern den frühen wie die Schweden im Fall von Fisch? Bei der ständig zunehmenden Zahl von Allergien wäre es auf jeden Fall wünschenswert, sich mit diesen Fragen zügig auseinanderzusetzen.

    Anmerkung der Redaktion: Der aid Infodienst hat nach Ausstrahlung des Beitrags darauf aufmerksam gemacht, daß die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) in Deutschland bereits in ihre 2009 aktualisierten "Leitlinien für die Allergieprävention" Empfehlungen für einen frühzeitigen Verzehr von Fisch noch im 1. Lebensjahr aufgenommen habe. Ferner heiße es darin: Es gebe keine Belege dafür, dass die Meidung potenter Nahrungsmittelallergene im ersten Lebensjahr einen präventiven Effekt habe.