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Frühjahrsgutachten der sechs führenden deutschen Wirtschafts-Forschungsinstitute

Simon: Am Telefon bin ich nun mit Rolf Peffekoven verbunden, dem Direktor des Instituts für Finanzwissenschaften in Mainz und ehemaligen Mitglied im Sachverständigenrat. Guten Morgen!

    Peffekoven: Guten Morgen Frau Simon.

    Simon: Herr Peffekoven, 0,5 Prozent in diesem Jahr, 1,8 Prozent Wirtschaftswachstum vielleicht im kommenden Jahr, was heißt das für die deutsche Wirtschaft, für Deutschland?

    Peffekoven: Eine Wachstumsrate von 0,5 oder ob sie nun 0,3 oder 0,6 ist - das liegt im Rahmen der Ungenauigkeit solcher Prognosen - ist in jedem Fall viel zu wenig, um auch nur eines der Probleme in unserer Volkswirtschaft zu lösen. Die drängenden Probleme sind ja einmal die außerordentlich hohe Arbeitslosigkeit, zum zweiten die desolaten Staatsfinanzen und die Finanzierungsschwierigkeiten in den Systemen der Sozialversicherung. Wenn man hier wirklich Erfolg haben wollte, dann braucht man Wachstumsraten, die etwa bei 2,5 oder 3 Prozent liegen, und davon sind wir in diesem und werden wir auch im nächsten Jahr weit entfernt sein.

    Simon: Das heißt also auch die 1,8 Prozent vom nächsten Jahr sind überhaupt kein Lichtblick?

    Peffekoven: Prognosen sind immer Voraussagen unter bestimmten Bedingungen und die Prognostiker müssen jetzt Bedingungen über die weitere Entwicklung machen. Das ist ja auch das Problem, warum wir innerhalb eines halben Jahres doch substanzielle Unterschiede in den Prognosen haben. Im Herbst hat man noch 1,4 Prozent prognostiziert. Die gleichen Institute werden heute, nach allem was man hört, 0,5 prognostizieren. Dazwischen liegt nur ein halbes Jahr, aber eben in diesem halben Jahr haben sich die Bedingungen geändert und es ist keineswegs sicher, dass wir im nächsten Jahr eine bessere Entwicklung haben.

    Simon: Die Aussichten sind also schlecht. Was müsste jetzt Ihrer Meinung nach passieren? Was bedeutet in diesem Zusammenhang zum Beispiel der Steuerkompromiss der letzten Woche?

    Peffekoven: Wir brauchen in dieser Situation vor allen Dingen Erfolg bei der Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit, denn wenn man das erzielen würde, dann löst sich ja auch ein Großteil der Budgetprobleme eigentlich von selbst. Es gibt Faustregeln die sagen: 100000 Arbeitslose weniger, was angesichts von 4,8 Millionen gar nicht so viel wäre, bringen schon zwei Milliarden. Wenn man mal davon ausgehen würde, dass gelingen könnte, eine halbe Million Arbeitslose weniger zu haben, dann hat man eben schon zehn Milliarden und könnte damit die aktuellen Probleme, die wir mit der Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts haben, der Defizitgrenze von drei Prozent, schon lösen. Wir brauchen also Erfolg auf dem Arbeitsmarkt. Den werden wir aber nur bekommen, wenn neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Eine der wichtigsten Voraussetzungen sind meines Erachtens Steuersenkungen und Senkung der hohen Lohnnebenkosten. Nur die Regierung marschiert im Augenblick ja in die andere Richtung und auch der Kompromiss der letzten Woche, den Sie angesprochen haben, hat ja im Ergebnis zwar eine erneute zusätzliche Entlastung der Haushalte gebracht, aber die ursprünglich geplante war ja deutlich höher.

    Simon: Das hieße, verstehe ich Sie richtig, eher eine höhere Neuverschuldung?

    Peffekoven: Wir werden uns keine höhere Neuverschuldung leisten können, allein schon deshalb nicht, weil wir in Anbetracht dieser geringen Wachstumsrate damit rechnen müssen, dass wir erneut die Defizitgrenze und dann schon im zweiten Jahr überschreiten. Dann drohen sogar Sanktionen aus Brüssel und Sanktionen heißt ja, dass dies weitere Budgetbelastungen bedeuten würde, denn die Sanktionen werden dann zwischen vier Milliarden und höchstens allerdings zehn Milliarden liegen. Von der Höchstgrenze sind wir wohl noch weit entfernt; gehen wir also mal von vier Milliarden aus. Das würde also die Situation nur noch schwieriger machen. Wir müssen den Haushalt konsolidieren. Zum Konsolidieren gibt es aber eben nur zwei Wege: das eine ist Ausgabenkürzung und das andere Steuererhöhung. Steuererhöhungen sind in der derzeitigen Situation nun das völlig falsche.

    Simon: Sie sagen damit: auch eine Mehrwertsteuererhöhung, die immer kommt, ist absolut außerhalb jeder Diskussion?

    Peffekoven: Das sehe ich schon so. Man muss dabei wissen: die Mehrwertsteuer kommt ja deshalb immer wieder in die Diskussion, weil erstens das die Steuer ist, mit der man etwa mit der Anhebung um einen Punkt schon sieben bis acht Milliarden mehr erzielen kann. In der Diskussion sind sogar zwei Punkte. Dann wären das eben schon 17, 18 Milliarden. Die zweite Attraktion liegt darin, dass am Aufkommen der Mehrwertsteuer Bund, Länder und Gemeinden beteiligt sind und alle drei Ebenen haben ja enorme Haushaltsschwierigkeiten. Ich halte dennoch die Erhöhung für falsch: Erstens sind im Augenblick jede Art von Steuererhöhungen falsch. Wir brauchen genau das Gegenteil: Steuersenkungen. Zum zweiten haben wir hier natürlich eine Steuer, die insbesondere den Konsum betrifft und deshalb in die konjunkturelle Situation überhaupt nicht passt, denn eines der Probleme ist ja der schwache Konsum. Es gibt auch erhebliche verteilungspolitische Bedenken, denn erhöhte Mehrwertsteuer trifft vor allen Dingen Bezieher niedriger Einkommen, weil sie die höhere Konsumquote haben. Schließlich würden wir mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer sicher auch einen weiteren Impuls für die ohnehin so stark wachsende Schwarzarbeit geben.

    Simon: Herr Peffekoven, Sie haben gesagt, Ausgabenkürzungen müssten in diesem Fall her. Wie beurteilen Sie denn realistisch die Chancen, so etwas durchzusetzen in einem Klima, wo die Reformpläne der Regierung zu allergrößtem Widerstand in der Regierungspartei schon geführt haben?

    Peffekoven: Ich teile Ihren Pessimismus, denn wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass immer dann, wenn zusätzliche Anforderungen auf den Haushalt kamen, ob das nun Sicherheitsprogramme infolge der Terroranschläge in New York waren oder ob das die Fluthilfe war, zur Folge hatten: es ist immer sofort in die Steuererhöhung ausgewichen worden. Die Politiker sind offenbar nicht bereit, vielleicht auch nicht imstande, Ausgabenkürzungen durchzunehmen. Nur es gibt keine Alternative dazu und man kann auch jetzt nicht postulieren, irgendwelche Ausgaben müssten gekürzt werden, sondern man muss sich schon auf die Suche nach solchen Ausgaben machen, die ihrerseits, wenn sie gekürzt werden, nun die Konjunktur nicht belasten. Ich meine nur, wir haben hier in Hülle und Fülle Ausgabenposten. Sie hatten schon zurecht die Subventionen genannt. Das gilt auch für viele Unterstützungszahlungen an Haushalte, wo wir heute zum Teil nur noch Mitnahmeeffekte haben. Das heißt das Geld wird gerne in Anspruch genommen, aber das Verhalten der Bürger und Unternehmen ändert sich nicht dadurch. Wir haben natürlich auch ein enormes Einsparvolumen, meine ich, im Bereich der Ausbildung und Weiterbildung. Da werden zweistellige Milliardenbeträge ausgegeben und Fachleute sind schon der Meinung, dass das weitgehend ineffizient ist.

    Simon: In den letzten Jahren hat sich zum Stichwort Ausgabekürzungen und Sparen ja gezeigt, dass der Verbraucher scheu wie ein Reh reagiert, wenn er auch nur das Wort Sparen hört, dann sein Portemonnaie wegschließt. Ist nicht die Gefahr groß, dass wenn man das jetzt massiv weiterfordert dann gar kein Konsum mehr stattfindet, gar nichts mehr läuft?

    Peffekoven: Ich denke man kann mit einem überzeugenden Programm von Ausgabenkürzungen, das dann kombiniert wäre mit Reformschritten etwa in der Krankenversicherung, in der Rentenversicherung, schon das Vertrauen der Bürger eher wiedergewinnen, als das mit einer ständigen Diskussion, die wir im Augenblick führen, um Steuererhöhungen oder auch um Erhöhung der Verschuldung geschieht. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ein solches Programm ausgewogen, so dass alle Bürger, alle Unternehmen davon betroffen wären, eine Akzeptanz in der Bevölkerung finden würde. Der jetzige Weg über dauernde Steuererhöhungen wirkt erst recht verunsichernd.

    Simon: Das heißt Sie sehen das Problem in der Politik. Man muss hier sagen, es ist nicht nur die SPD; auch in der Union haben ja viele die Reformpläne der Regierung als unsozial bezeichnet.

    Peffekoven: Das beste Beispiel ist ja die Eigenheimzulage, von der ich nach wie vor der Meinung bin, das hätte ein Einstieg in solche Kürzungen bei Ausgaben sein können. Zumindest hätte man die Eigenheimzulage beschränken sollen auf Familien mit sehr niedrigem Einkommen und Kindern. Aber Sie sehen: auch die Opposition hat diese Eigenheimzulage nicht gekürzt, sondern in diesem Punkt war sie ja sogar gegen die Kürzung, die die Regierung ursprünglich geplant hat. Das wird bei anderen Maßnahmen genauso sein. Ich bin auch gespannt, was aus dem Kompromiss wird, der in dem Papier Koch/Steinbrück in der letzten Woche drin stand, dass man innerhalb kürzester Zeit eine lineare Kürzung der Subventionen durchführen wird.

    Simon: Etwas skeptisch. - Das war Rolf Peffekoven, der Direktor des Instituts für Finanzwissenschaften in Mainz. Herzlichen Dank für das Gespräch!

    Link: Interview als RealAudio