Christoph Heinemann: Ein Tisch, zwei Gipfel. Am Vormittag beschäftigen sich die Staats- und Regierungschefs mit Libyen, nachmittags steht einmal mehr der Euro auf der Tagesordnung. Bis zum 25. März wollen sich Angela Merkel und ihre Kollegen auf einen Fahrplan für die Stabilisierung der Gemeinschaftswährung einigen. Dass dies keine intellektuelle Trockenübung ist, belegt die Meldung dieser Woche. Nach Griechenland wurde nun auch die Kreditwürdigkeit Spaniens herabgestuft.
Am Telefon ist Michael Fuchs (CDU), der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!
Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Heinemann!
Heinemann: Herr Fuchs, sind solche gemeinsam finanzierten Rückkaufaktionen, wie sie Volker Finthammer gerade beschrieben hat, garantiert ausgeschlossen?
Fuchs: Wir haben im Deutschen Bundestag beschlossen, beziehungsweise wir werden das in der nächsten Sitzungswoche beschließen, dass es keine gemeinsamen Rückkaufaktionen geben soll. Wir wollen das nicht, weil wir der Meinung sind, dass jedes Land die Probleme erst einmal für sich selbst lösen muss. Und zweitens wollen wir unbedingt haben, dass auch alle, die Gläubiger sind gegenüber einem Land, daran beteiligt werden.
Heinemann: Beschließen können Sie viel, aber was geschieht, wenn die Kanzlerin heute zurückkommt und eben solche Rückkäufe doch ermöglicht würden?
Fuchs: Ich denke, dass die Kanzlerin sehr genau weiß, was der Deutsche Bundestag will, und dass sie sich nicht im Wesentlichen von den Beschlüssen des Deutschen Bundestages entfernen wird. Ich weiß, dass das eine schwierige Verhandlungsposition für die Bundeskanzlerin ist, aber ich vertraue darauf, dass sie mit ihrem Verhandlungsgeschick die Wünsche des Deutschen Bundestages durchsetzen wird.
Heinemann: Aber sicher sind Sie da nicht?
Fuchs: Es gibt immer Spielräume bei Verhandlungen, das muss ich einsehen und weiß ich auch, aber ich gehe davon aus, dass sie das genauso wie wir sieht. Wir wollen keine gemeinsame Schuldenrücknahme haben, weil das dazu führt, dass Länder, die zu stark verschuldet sind, keinen Druck haben, ihre Schulden abzubauen. Das muss zuerst einmal da sein. Es muss ein europäischer Stabilitätsmechanismus beschlossen werden. Dann kann man diesen Ländern helfen, aber nur unter diesen Bedingungen.
Heinemann: Und gilt das für beide Szenarien, das heißt A der Rettungsschirm kauft selbst, oder B der Rettungsschirm vergibt an angeschlagene Länder Kredite, mit denen sie den Rückkauf finanzieren?
Fuchs: Der Rettungsschirm kann nur dann Kredite vergeben, wenn die Länder ganz strikten Stabilitätskriterien genügen. Und dann müsste auch noch obendrein der Internationale Währungsfonds mitbeteiligt werden. Nur unter diesen Bedingungen, die wir sehr eng definieren, ist das möglich. Und wir wollen eines haben: Es muss Einigkeit herrschen, das heißt hundertprozentige Zustimmung zu einer Hilfsmaßnahme, zu einer Stabilisierungsmaßnahme. Das heißt auch, dass Deutschland – und zwar über den Deutschen Bundestag – jederzeit sagen kann, hier machen wir nicht mit.
Heinemann: Nun haben die Deutschen ja sich gegen diese Einstimmigkeit in anderen europäischen Fragen immer gewehrt und sich darüber geärgert. In dieser Frage ist Ihnen das nationale Hemd näher als die europäische Jacke?
Fuchs: Wir geben Geld des deutschen Steuerzahlers aus, dessen sind wir uns bewusst, und deswegen muss es auch so sein, dass wir als der größte Zahler zum Schluss auch zustimmen müssen. Wenn wir das nicht können, weil wir der Meinung sind, hier wird der deutsche Steuerzahler, der deutsche Staat überfordert, dann muss es auch die Möglichkeit, nein zu sagen, geben.
Heinemann: Herr Fuchs, die Kanzlerin ist sich selbst offenbar nicht so ganz sicher. Sie hat jetzt in der Bildzeitung heute gesagt, Deutschland kann also sein Veto einlegen, wenn die Voraussetzungen für Hilfen nicht gegeben sind, und davon werde ich dann auch Gebrauch machen. Wenn man das sozusagen vorher schon sagt, dann rechnet man wahrscheinlich mit einem Verhandlungsergebnis, das so toll nicht sein kann?
Fuchs: Das würde ich nicht so sehen. Ich glaube, dass das eben genau der Mechanismus ist, den ich beschreibe. Wenn nun auf einmal zu viele Länder eine Hilfsmaßnahme beschließen, die wir nicht tragen können, weil wir der Meinung sind, das funktioniert nicht, weil eben die Stabilitätskriterien des Landes nicht eingehalten werden, oder durch ein Land nicht eingehalten werden, dann kann es auch nicht sein, dass wir das mit finanziellen Mitteln aus dem Bundeshaushalt unterstützen. Da hat sie recht.
Heinemann: Nach Griechenland wurde nun auch Spanien herabgestuft. Portugal zahlt erneut Rekordzinsen für seine Schuldenpapiere. Wer ist der nächste Schirmkandidat?
Fuchs: Ich denke, dass wir erst mal momentan Irland unter dem Schirm haben, und der Schirm ist ja groß genug. Der Schirm hat 750 Milliarden Euro Volumen, 63 Milliarden haben die Iren aufgenommen, also noch nicht einmal zehn Prozent sind bis jetzt an Garantien gegeben worden. Es ist ja kein direkter Geldfluss da.
Ob ein weiteres Land in der nächsten Zeit darunter schlüpfen wird, das weiß ich nicht. Das hängt davon ab, welche Refinanzierungsmaßnahmen in den einzelnen Ländern anstehen. Sicher ist Portugal ein eventueller Kandidat, und deswegen muss es natürlich auch höhere Zinsen zahlen. Ich finde das nebenbei richtig, dass die Portugiesen höhere Zinsen zahlen müssen, denn das zwingt sie dazu, Haushaltsdisziplin zu leisten. Wenn sie das Geld billig auf dem Markt bekommen können, dann geschieht genau das, was wir in anderen Ländern erlebt haben, nämlich dass die Verschuldung zu schnell ansteigt, weil es ja so bequem ist. Das ist jetzt vorbei, und insofern ist dieser Zinsunterschied richtig und wichtig und muss auch erhalten bleiben.
Heinemann: Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück von der SPD sagt, Staaten wie Griechenland und Portugal würden um eine Umschuldung wohl nicht herumkommen. Selbst der zeitweise Ausstieg eines Landes aus der Europäischen Währungsunion sei nicht gänzlich auszuschließen, heute nachzulesen in der Süddeutschen Zeitung. Sehen Sie das auch so?
Fuchs: Die Gefahr ist gegeben, dass Griechenland aufgrund seiner sehr hohen Staatsverschuldung – Griechenland hat circa 340 Milliarden Euro Staatsschulden bei einem Bruttoinlandsprodukt, also bei einer Wirtschaftsleistung des gesamten Landes, von etwa 240 Milliarden. Dass sie das nicht stemmen können, die Gefahr ist sehr groß. Ich hoffe, dass es dennoch gelingt, in diesem europäischen Stabilisierungsmechanismus eine Lösung auch für Griechenland ohne eine deutliche Abwertung der Schulden zu finden. Die Griechen müssen sich ihrer Verantwortung stellen. Herr Papandreou hat allerdings auch mit erheblichen Maßnahmen, mit drastischen Maßnahmen begonnen. Das sieht man ja daran, wie sehr die Bevölkerung auf die Straße geht.
Heinemann: Sie hoffen!
Fuchs: Ja. Man weiß nie alles voraus. Wenn ich die Zukunft voraussagen könnte, dann wäre ich wahrscheinlich nicht Bundestagsabgeordneter.
Heinemann: Auf dem Tisch liegt ein Pakt für den Euro, der Elemente einer Wirtschaftsregierung enthält, wie Berlin und Paris sie fordern. Volker Finthammer hat das eben erklärt. Wieso sollte mit dem Euro-Pakt gelingen, was der Stabilitätspakt nicht hinbekommen hat?
Fuchs: Ich glaube, die Chance ist jetzt groß, weil einfach der Druck in den einzelnen Ländern sehr, sehr groß ist. Es kann nicht sein, dass in dem einen Land bis 67 Jahre gearbeitet werden muss, und man in dem anderen Land schon mit 57 Jahren in Pension geht, und das Land, wo so lange gearbeitet wird, dann die Pensionslasten mit schultern muss.
Heinemann: Aber genau darauf hat man sich ja eben nicht einigen können.
Fuchs: Es muss da eben über einen Zeitraum zu einer gewissen Gleichgewichtung kommen, weil nämlich ansonsten das Verständnis der einzelnen Länder füreinander leidet. Da arbeiten wir dran, da kämpft die Bundeskanzlerin für, aber auch der französische Staatspräsident.
Heinemann: Was ist denn dieser Pakt wert? Die Liste der Abstriche ist ja eindrucksvoll. Weder die Abschaffung der Lohnindexierung, das heißt der automatische Inflationsausgleich, das, was man in Italien früher Scala mobile nannte, ist enthalten, noch eben – und das meinte ich gerade – ein konkretes Renteneinstiegsalter, Schuldenbremse nach deutschem Vorbild ebenfalls nicht mehrheitsfähig. Was ist dieser Pakt wert?
Fuchs: Ich glaube, dass man erst mal abwarten muss, was am Ende des Tages an der Verhandlung oder in den gesamten Verhandlungen herauskommt. Natürlich ist das nicht einfach. Natürlich wehren sich die Länder. Jeder hat keine Lust, strengere Maßnahmen in seinem eigenen Land einzuführen. Aber es muss sein, und das haben die meisten auch kapiert, denn ansonsten ist eine Hilfe kaum noch möglich.
Heinemann: Herr Fuchs, es hat lange gedauert, bis sich SPD und Grüne dazu durchgerungen haben, die Lage in Afghanistan als Krieg zu bezeichnen. Wie viel Zeit wird vergehen bis Union und FDP die Entwicklung der EU zur Transferunion anerkennen werden?
Fuchs: Ich glaube, wir wollen das nicht, denn Transferunion halten wir für total falsch. Eine Transferunion sagt am Ende des Tages, dass wir allesamt mehr Probleme bekommen, denn keiner kann eine Transferunion dieser Größenordnung wie die EU schultern. Wir wollen das nicht, wir werden dafür kämpfen, dass das nicht der Fall ist, und ich bin ziemlich sicher, dass die Bundeskanzlerin das auch erreicht.
Heinemann: Michael Fuchs (CDU), der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, nachzuhören unter DRadio.de. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Fuchs: Danke Ihnen auch.
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Am Telefon ist Michael Fuchs (CDU), der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!
Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Heinemann!
Heinemann: Herr Fuchs, sind solche gemeinsam finanzierten Rückkaufaktionen, wie sie Volker Finthammer gerade beschrieben hat, garantiert ausgeschlossen?
Fuchs: Wir haben im Deutschen Bundestag beschlossen, beziehungsweise wir werden das in der nächsten Sitzungswoche beschließen, dass es keine gemeinsamen Rückkaufaktionen geben soll. Wir wollen das nicht, weil wir der Meinung sind, dass jedes Land die Probleme erst einmal für sich selbst lösen muss. Und zweitens wollen wir unbedingt haben, dass auch alle, die Gläubiger sind gegenüber einem Land, daran beteiligt werden.
Heinemann: Beschließen können Sie viel, aber was geschieht, wenn die Kanzlerin heute zurückkommt und eben solche Rückkäufe doch ermöglicht würden?
Fuchs: Ich denke, dass die Kanzlerin sehr genau weiß, was der Deutsche Bundestag will, und dass sie sich nicht im Wesentlichen von den Beschlüssen des Deutschen Bundestages entfernen wird. Ich weiß, dass das eine schwierige Verhandlungsposition für die Bundeskanzlerin ist, aber ich vertraue darauf, dass sie mit ihrem Verhandlungsgeschick die Wünsche des Deutschen Bundestages durchsetzen wird.
Heinemann: Aber sicher sind Sie da nicht?
Fuchs: Es gibt immer Spielräume bei Verhandlungen, das muss ich einsehen und weiß ich auch, aber ich gehe davon aus, dass sie das genauso wie wir sieht. Wir wollen keine gemeinsame Schuldenrücknahme haben, weil das dazu führt, dass Länder, die zu stark verschuldet sind, keinen Druck haben, ihre Schulden abzubauen. Das muss zuerst einmal da sein. Es muss ein europäischer Stabilitätsmechanismus beschlossen werden. Dann kann man diesen Ländern helfen, aber nur unter diesen Bedingungen.
Heinemann: Und gilt das für beide Szenarien, das heißt A der Rettungsschirm kauft selbst, oder B der Rettungsschirm vergibt an angeschlagene Länder Kredite, mit denen sie den Rückkauf finanzieren?
Fuchs: Der Rettungsschirm kann nur dann Kredite vergeben, wenn die Länder ganz strikten Stabilitätskriterien genügen. Und dann müsste auch noch obendrein der Internationale Währungsfonds mitbeteiligt werden. Nur unter diesen Bedingungen, die wir sehr eng definieren, ist das möglich. Und wir wollen eines haben: Es muss Einigkeit herrschen, das heißt hundertprozentige Zustimmung zu einer Hilfsmaßnahme, zu einer Stabilisierungsmaßnahme. Das heißt auch, dass Deutschland – und zwar über den Deutschen Bundestag – jederzeit sagen kann, hier machen wir nicht mit.
Heinemann: Nun haben die Deutschen ja sich gegen diese Einstimmigkeit in anderen europäischen Fragen immer gewehrt und sich darüber geärgert. In dieser Frage ist Ihnen das nationale Hemd näher als die europäische Jacke?
Fuchs: Wir geben Geld des deutschen Steuerzahlers aus, dessen sind wir uns bewusst, und deswegen muss es auch so sein, dass wir als der größte Zahler zum Schluss auch zustimmen müssen. Wenn wir das nicht können, weil wir der Meinung sind, hier wird der deutsche Steuerzahler, der deutsche Staat überfordert, dann muss es auch die Möglichkeit, nein zu sagen, geben.
Heinemann: Herr Fuchs, die Kanzlerin ist sich selbst offenbar nicht so ganz sicher. Sie hat jetzt in der Bildzeitung heute gesagt, Deutschland kann also sein Veto einlegen, wenn die Voraussetzungen für Hilfen nicht gegeben sind, und davon werde ich dann auch Gebrauch machen. Wenn man das sozusagen vorher schon sagt, dann rechnet man wahrscheinlich mit einem Verhandlungsergebnis, das so toll nicht sein kann?
Fuchs: Das würde ich nicht so sehen. Ich glaube, dass das eben genau der Mechanismus ist, den ich beschreibe. Wenn nun auf einmal zu viele Länder eine Hilfsmaßnahme beschließen, die wir nicht tragen können, weil wir der Meinung sind, das funktioniert nicht, weil eben die Stabilitätskriterien des Landes nicht eingehalten werden, oder durch ein Land nicht eingehalten werden, dann kann es auch nicht sein, dass wir das mit finanziellen Mitteln aus dem Bundeshaushalt unterstützen. Da hat sie recht.
Heinemann: Nach Griechenland wurde nun auch Spanien herabgestuft. Portugal zahlt erneut Rekordzinsen für seine Schuldenpapiere. Wer ist der nächste Schirmkandidat?
Fuchs: Ich denke, dass wir erst mal momentan Irland unter dem Schirm haben, und der Schirm ist ja groß genug. Der Schirm hat 750 Milliarden Euro Volumen, 63 Milliarden haben die Iren aufgenommen, also noch nicht einmal zehn Prozent sind bis jetzt an Garantien gegeben worden. Es ist ja kein direkter Geldfluss da.
Ob ein weiteres Land in der nächsten Zeit darunter schlüpfen wird, das weiß ich nicht. Das hängt davon ab, welche Refinanzierungsmaßnahmen in den einzelnen Ländern anstehen. Sicher ist Portugal ein eventueller Kandidat, und deswegen muss es natürlich auch höhere Zinsen zahlen. Ich finde das nebenbei richtig, dass die Portugiesen höhere Zinsen zahlen müssen, denn das zwingt sie dazu, Haushaltsdisziplin zu leisten. Wenn sie das Geld billig auf dem Markt bekommen können, dann geschieht genau das, was wir in anderen Ländern erlebt haben, nämlich dass die Verschuldung zu schnell ansteigt, weil es ja so bequem ist. Das ist jetzt vorbei, und insofern ist dieser Zinsunterschied richtig und wichtig und muss auch erhalten bleiben.
Heinemann: Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück von der SPD sagt, Staaten wie Griechenland und Portugal würden um eine Umschuldung wohl nicht herumkommen. Selbst der zeitweise Ausstieg eines Landes aus der Europäischen Währungsunion sei nicht gänzlich auszuschließen, heute nachzulesen in der Süddeutschen Zeitung. Sehen Sie das auch so?
Fuchs: Die Gefahr ist gegeben, dass Griechenland aufgrund seiner sehr hohen Staatsverschuldung – Griechenland hat circa 340 Milliarden Euro Staatsschulden bei einem Bruttoinlandsprodukt, also bei einer Wirtschaftsleistung des gesamten Landes, von etwa 240 Milliarden. Dass sie das nicht stemmen können, die Gefahr ist sehr groß. Ich hoffe, dass es dennoch gelingt, in diesem europäischen Stabilisierungsmechanismus eine Lösung auch für Griechenland ohne eine deutliche Abwertung der Schulden zu finden. Die Griechen müssen sich ihrer Verantwortung stellen. Herr Papandreou hat allerdings auch mit erheblichen Maßnahmen, mit drastischen Maßnahmen begonnen. Das sieht man ja daran, wie sehr die Bevölkerung auf die Straße geht.
Heinemann: Sie hoffen!
Fuchs: Ja. Man weiß nie alles voraus. Wenn ich die Zukunft voraussagen könnte, dann wäre ich wahrscheinlich nicht Bundestagsabgeordneter.
Heinemann: Auf dem Tisch liegt ein Pakt für den Euro, der Elemente einer Wirtschaftsregierung enthält, wie Berlin und Paris sie fordern. Volker Finthammer hat das eben erklärt. Wieso sollte mit dem Euro-Pakt gelingen, was der Stabilitätspakt nicht hinbekommen hat?
Fuchs: Ich glaube, die Chance ist jetzt groß, weil einfach der Druck in den einzelnen Ländern sehr, sehr groß ist. Es kann nicht sein, dass in dem einen Land bis 67 Jahre gearbeitet werden muss, und man in dem anderen Land schon mit 57 Jahren in Pension geht, und das Land, wo so lange gearbeitet wird, dann die Pensionslasten mit schultern muss.
Heinemann: Aber genau darauf hat man sich ja eben nicht einigen können.
Fuchs: Es muss da eben über einen Zeitraum zu einer gewissen Gleichgewichtung kommen, weil nämlich ansonsten das Verständnis der einzelnen Länder füreinander leidet. Da arbeiten wir dran, da kämpft die Bundeskanzlerin für, aber auch der französische Staatspräsident.
Heinemann: Was ist denn dieser Pakt wert? Die Liste der Abstriche ist ja eindrucksvoll. Weder die Abschaffung der Lohnindexierung, das heißt der automatische Inflationsausgleich, das, was man in Italien früher Scala mobile nannte, ist enthalten, noch eben – und das meinte ich gerade – ein konkretes Renteneinstiegsalter, Schuldenbremse nach deutschem Vorbild ebenfalls nicht mehrheitsfähig. Was ist dieser Pakt wert?
Fuchs: Ich glaube, dass man erst mal abwarten muss, was am Ende des Tages an der Verhandlung oder in den gesamten Verhandlungen herauskommt. Natürlich ist das nicht einfach. Natürlich wehren sich die Länder. Jeder hat keine Lust, strengere Maßnahmen in seinem eigenen Land einzuführen. Aber es muss sein, und das haben die meisten auch kapiert, denn ansonsten ist eine Hilfe kaum noch möglich.
Heinemann: Herr Fuchs, es hat lange gedauert, bis sich SPD und Grüne dazu durchgerungen haben, die Lage in Afghanistan als Krieg zu bezeichnen. Wie viel Zeit wird vergehen bis Union und FDP die Entwicklung der EU zur Transferunion anerkennen werden?
Fuchs: Ich glaube, wir wollen das nicht, denn Transferunion halten wir für total falsch. Eine Transferunion sagt am Ende des Tages, dass wir allesamt mehr Probleme bekommen, denn keiner kann eine Transferunion dieser Größenordnung wie die EU schultern. Wir wollen das nicht, wir werden dafür kämpfen, dass das nicht der Fall ist, und ich bin ziemlich sicher, dass die Bundeskanzlerin das auch erreicht.
Heinemann: Michael Fuchs (CDU), der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, nachzuhören unter DRadio.de. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Fuchs: Danke Ihnen auch.
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