Gerwald Herter: Der 11. November ist bei unseren französischen Nachbarn ein großer Feiertag: Armistice. Das Ende des Ersten Weltkrieges spielt dort immer noch eine große Rolle, völlig zurecht. Verdun, Gaskrieg, Stellungskrieg, Millionen starben in den Schützengräben. Es ist deshalb ohne Zweifel eine besondere Ehre, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel heute in Paris zu Gast sein kann. Kein deutscher Kanzler hatte dort aus diesem Anlass vor ihr gesprochen. Wir bleiben beim Thema der deutsch-französischen Freundschaft. Mit seinen Ideen hat er die deutsche Außenpolitik geprägt. Karl Lamers war jahrelang der außenpolitische Kopf der Union. Er war Co-Autor des berühmten Papiers über das Europa der zwei Geschwindigkeiten und er hat sich natürlich immer wieder für die deutsch-französische Aussöhnung und die Freundschaft eingesetzt, die heute – das haben wir gerade gehört – eine Sternstunde erlebt. Herr Lamers, guten Tag!
Karl Lamers: Guten Tag, Herr Herter.
Herter: Anfang der Woche war der französische Präsident Sarkozy in Berlin zu Gast, aus Anlass der Feiern zum Mauerfall. Heute ist Bundeskanzlerin Merkel in Paris zu Gast, um dem Ende des Ersten Weltkriegs zu gedenken. Ist das deutsch-französische Verhältnis, Herr Lamers, derzeit so eng wie niemals zuvor?
Lamers: Das glaube ich nicht. Das Verhältnis war schon sehr, sehr eng unter Helmut Kohl und Francois Mitterrand. Aber es ist ganz offenkundig, dass die Franzosen es jedenfalls noch enger gestalten wollen, und ich teile ihre Auffassung, dass das ohne jeden Zweifel notwendig ist im Interesse beider Länder, aber auch ebenso im Interesse ganz Europas.
Herter: Herr Lamers, Symbolik ist im deutsch-französischen Verhältnis sicher wichtig. Viele Franzosen denken sehr institutionell. Aber ist Symbolik wichtiger als alles andere?
Lamers: Nein, das ist sie natürlich nicht. Symbolik spielt eine große Rolle in Frankreich, eine größere als bei uns, wo sie oft unterbewertet wird, aber das Symbol, das Zeichen muss für etwas Reales stehen. Es muss dahinter eine wirkliche konkrete Funktion stehen, eine Aufgabe, ein Projekt oder was auch immer. Eine Realität muss hinter dem Symbol stehen.
Herter: Und fehlt Ihnen da noch was, Inhalte?
Lamers: Ja, da fehlt mir noch was, noch einiges sogar. Wir haben das Symbol des Élysée-Vertrages auch mit den beiden Generalsekretären für die deutsch-französischen Beziehungen, die aber offensichtlich überhaupt keine Rolle spielen, und wir haben schon seit einiger Zeit das Drängen Frankreichs in verschiedenen Bereichen, die Politik noch enger aufeinander abzustimmen: einmal in der Wirtschaftspolitik unter Einschluss der Sozialpolitik und in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Bislang gibt es darauf nur deutsches Zögern. Das muss sich ändern, denn wenn wir jetzt den Lissabonvertrag haben, Herr Herter, dann haben wir sicherlich bessere Voraussetzungen institutioneller Art, in der gesamten Europäischen Union zu Entscheidungen zu kommen – ja, das ist richtig, Gott lob -, aber es hat sich immer wieder erwiesen - das wird in Zukunft nicht anders sein -, es muss auch eine gewisse Führung geben - Führung, nicht Hegemonie -, und die kann von dem dann ausgehen, wenn nicht von Frankreich und Deutschland.
Herter: Von wem denn in Deutschland?
Lamers: Die Herausforderungen, vor denen ganz Europa steht, sind ja wirklich gewaltig, Stichwort Globalisierung, Wirtschaftskrise, Finanzordnung, internationaler Terrorismus, die fundamentale Machtverschiebung in der einen Welt, das Außenverhältnis Europas zu der übrigen Welt, und da müssen Frankreich und Deutschland zusammen eine Führungsrolle spielen. Mit wem soll es sonst geschehen? Es gibt ja keine Alternative dafür.
Herter: Ist es ein Problem, dass es eine gewisse Konkurrenz in Berlin gibt zwischen dem Außenminister und der Kanzlerin, die diese Angelegenheiten zur Chefsache macht?
Lamers: Ich glaube nicht, dass das der tiefere Grund ist. Es ist immer die Befürchtung der Deutschen – das können Sie bei der deutschen Reaktion auf das Stichwort "Wirtschaftsregierung" aus Frankreich hören -, man könnte etwas an Souveränität verlieren, an Unabhängigkeit verlieren. Aber wie weit ist es erstens mit dieser Unabhängigkeit wirklich bestellt? Sie ist ja doch vielfach nur auf dem Papier gegeben. Wir müssen uns nach den anderen richten und wir sind alleine nicht stark genug, die anderen zu einer bestimmten Richtung zu bewegen. Wir gewinnen zweitens ja damit auch Einfluss auf die französische Politik. Das ist ja dann ausgewogen. Man darf eines nicht vergessen, Herr Herter: Deutschland ist heute das größte Land in Europa, aber es ist nicht größer als alle anderen und ist auch nicht stärker als alle anderen. Wenn wir allein sind, wenn wir isoliert sind, dann sind wir ganz schnell ganz arm dran, um es mal ein bisschen salopp zu sagen. Das können wir nur verhindern, wenn wir einen Partner immer, was auch geschehen mag, an unserer Seite haben. Das kann nach Lage der Dinge eben nur Frankreich sein.
Herter: Der CDU-Politiker Karl Lamers über das deutsch-französische Verhältnis im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Vielen Dank, Herr Lamers.
Lamers: Gerne.
Karl Lamers: Guten Tag, Herr Herter.
Herter: Anfang der Woche war der französische Präsident Sarkozy in Berlin zu Gast, aus Anlass der Feiern zum Mauerfall. Heute ist Bundeskanzlerin Merkel in Paris zu Gast, um dem Ende des Ersten Weltkriegs zu gedenken. Ist das deutsch-französische Verhältnis, Herr Lamers, derzeit so eng wie niemals zuvor?
Lamers: Das glaube ich nicht. Das Verhältnis war schon sehr, sehr eng unter Helmut Kohl und Francois Mitterrand. Aber es ist ganz offenkundig, dass die Franzosen es jedenfalls noch enger gestalten wollen, und ich teile ihre Auffassung, dass das ohne jeden Zweifel notwendig ist im Interesse beider Länder, aber auch ebenso im Interesse ganz Europas.
Herter: Herr Lamers, Symbolik ist im deutsch-französischen Verhältnis sicher wichtig. Viele Franzosen denken sehr institutionell. Aber ist Symbolik wichtiger als alles andere?
Lamers: Nein, das ist sie natürlich nicht. Symbolik spielt eine große Rolle in Frankreich, eine größere als bei uns, wo sie oft unterbewertet wird, aber das Symbol, das Zeichen muss für etwas Reales stehen. Es muss dahinter eine wirkliche konkrete Funktion stehen, eine Aufgabe, ein Projekt oder was auch immer. Eine Realität muss hinter dem Symbol stehen.
Herter: Und fehlt Ihnen da noch was, Inhalte?
Lamers: Ja, da fehlt mir noch was, noch einiges sogar. Wir haben das Symbol des Élysée-Vertrages auch mit den beiden Generalsekretären für die deutsch-französischen Beziehungen, die aber offensichtlich überhaupt keine Rolle spielen, und wir haben schon seit einiger Zeit das Drängen Frankreichs in verschiedenen Bereichen, die Politik noch enger aufeinander abzustimmen: einmal in der Wirtschaftspolitik unter Einschluss der Sozialpolitik und in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Bislang gibt es darauf nur deutsches Zögern. Das muss sich ändern, denn wenn wir jetzt den Lissabonvertrag haben, Herr Herter, dann haben wir sicherlich bessere Voraussetzungen institutioneller Art, in der gesamten Europäischen Union zu Entscheidungen zu kommen – ja, das ist richtig, Gott lob -, aber es hat sich immer wieder erwiesen - das wird in Zukunft nicht anders sein -, es muss auch eine gewisse Führung geben - Führung, nicht Hegemonie -, und die kann von dem dann ausgehen, wenn nicht von Frankreich und Deutschland.
Herter: Von wem denn in Deutschland?
Lamers: Die Herausforderungen, vor denen ganz Europa steht, sind ja wirklich gewaltig, Stichwort Globalisierung, Wirtschaftskrise, Finanzordnung, internationaler Terrorismus, die fundamentale Machtverschiebung in der einen Welt, das Außenverhältnis Europas zu der übrigen Welt, und da müssen Frankreich und Deutschland zusammen eine Führungsrolle spielen. Mit wem soll es sonst geschehen? Es gibt ja keine Alternative dafür.
Herter: Ist es ein Problem, dass es eine gewisse Konkurrenz in Berlin gibt zwischen dem Außenminister und der Kanzlerin, die diese Angelegenheiten zur Chefsache macht?
Lamers: Ich glaube nicht, dass das der tiefere Grund ist. Es ist immer die Befürchtung der Deutschen – das können Sie bei der deutschen Reaktion auf das Stichwort "Wirtschaftsregierung" aus Frankreich hören -, man könnte etwas an Souveränität verlieren, an Unabhängigkeit verlieren. Aber wie weit ist es erstens mit dieser Unabhängigkeit wirklich bestellt? Sie ist ja doch vielfach nur auf dem Papier gegeben. Wir müssen uns nach den anderen richten und wir sind alleine nicht stark genug, die anderen zu einer bestimmten Richtung zu bewegen. Wir gewinnen zweitens ja damit auch Einfluss auf die französische Politik. Das ist ja dann ausgewogen. Man darf eines nicht vergessen, Herr Herter: Deutschland ist heute das größte Land in Europa, aber es ist nicht größer als alle anderen und ist auch nicht stärker als alle anderen. Wenn wir allein sind, wenn wir isoliert sind, dann sind wir ganz schnell ganz arm dran, um es mal ein bisschen salopp zu sagen. Das können wir nur verhindern, wenn wir einen Partner immer, was auch geschehen mag, an unserer Seite haben. Das kann nach Lage der Dinge eben nur Frankreich sein.
Herter: Der CDU-Politiker Karl Lamers über das deutsch-französische Verhältnis im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Vielen Dank, Herr Lamers.
Lamers: Gerne.