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Fünf Jahre Protestpartei
Podemos zerbricht im Richtungsstreit

Vor fünf Jahren sorgte die Gründung der Linkspartei Podemos in Spanien für Aufsehen. Unter dem Motto "Si, se puede!" ("Ja, es geht!") vereinte Frontmann Pablo Iglesias viele Spanier hinter sich, die von den etablierten Parteien genug hatten – und die eine linke Alternative suchten. In den Umfragen ging es zuletzt abwärts, die Partei hat mit Führungsstreitigkeiten und Absetzungsbewegungen zu kämpfen.

Von Hans-Günter Kellner | 04.02.2019
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    Frontmann in Bedrängnis: Podemos-Generalsekretär Pablo Iglesias (dpa/Emilio Naranjo)
    "Liebes Mitglied,"
    mit diesen düsteren Worten begann Pablo Iglesias seine Sprachnachricht, die er vor zweieinhalb Wochen an die Mitglieder von Podemos versandte. Niemals habe er sich vorstellen können, seinen Vaterschaftsurlaub aus einem so traurigen Grund unterbrechen zu müssen, sagt darin der erschütterte Generalsekretär und Mitbegründer ausgerechnet zum fünften Geburtstag der linken Protestpartei:
    "Heute Morgen hat mich Iñigo Errejón angerufen, um mir mitzuteilen, dass er ein neues persönliches politisches Projekt in Angriff nimmt an der Seite von Madrids Bürgermeisterin Manuela Carmena mit einer neuen Formation. Wenige Minuten später war ein gemeinsamer Brief von Iñigo y Manuela in allen Zeitungen. In der Politik sollte man solche Dinge gewöhnt sein, auch wenn sie von Parteifreunden kommen. Aber ich gebe zu, dieser Fall macht mich besonders traurig."
    Spitzenleute gehen auf Distanz
    Was war geschehen? Vor vier Jahren gewann Podemos im Bündnis mit anderen linken Gruppierungen in Madrid die Kommunalwahl. Vor allem dank der damaligen Spitzenkandidatin Manuela Carmena. Die damals 70-Jährige gehörte keiner Partei an, war als Richterin im Ruhestand auch für Leute wählbar, denen Podemos zu radikal schien. Sie erhöhte als Bürgermeisterin die Sozialausgaben, halbierte dennoch die unter den Konservativen explodierten Schulden auf unter drei Milliarden Euro. Heute ist sie die beliebteste Kommunalpolitikerin in der Hauptstadt. Nach ihrem Vorbild ist jetzt auch der Spitzenkandidat von Podemos, Iñigo Errejón, auf Distanz zur eigenen Partei gegangen. In einem TV-Interview erklärte er:
    "Es lief schlecht für uns. Alle Umfragen sagten das. Wären wir im eigenen Schützengraben geblieben, wo wir sowieso alle einer Meinung sind, hätten wir verloren. Wir mussten etwas unternehmen. Ginge es nur um die Partei, wäre das kein Problem. Aber es lief schlecht für die Pflegebedürftigen, für die Pendler, die einen besseren Nahverkehr benötigen, für die Eltern auf der Suche nach Kindergartenplätzen, für die Wohnungssuchenden. Wir mussten uns etwas trauen. Es heißt immer, ein solcher Streit kostet Wählerstimmen. Aber die Hoffnungslosigkeit, die Frustration kostet auch Wählerstimmen."
    Verschleiß durch den politischen Alltag
    Iñigo Errejón, neben Pablo Iglesias ebenfalls Mitbegründer von Podemos, will also bei der Regionalwahl Ende Mai nicht als Spitzenkandidat von Podemos antreten, sondern eine Wählerinitiative anführen und so die seit 1991 konservativ regierte Region Madrid für die Linke zurückgewinnen. "Mehr Madrid", so der Name des neuen Bündnisses. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass Podemos dabei doch noch mitmacht. Doch die Parteiführung fühlt sich verraten. Iñigo Errejón musste seinen Sitz im spanischen Parlament inzwischen niederlegen. Die Nervosität bei Podemos ist nicht unberechtigt, findet der spanische Parteienforscher Pablo Simón:
    "Wenn dieses Projekt erfolgreich ist, ist es gut möglich, dass ähnliches in anderen spanischen Regionen passiert. Das könnte dazu führen, dass so eine Plattform am Ende auch bei Parlamentswahlen in Spanien antritt. Wir hätten dann nicht nur drei Parteien bei den Rechten: die Volkspartei, Ciudadanos und Vox, sondern auch bei den Linken: die Sozialisten, eine neue moderne linke Strömung ähnlich wie die deutschen Grünen, und Podemos bliebe dann nur die Rolle einer traditionellen postkommunistischen Linken."
    Vielleicht war die Entwicklung zwangsläufig, sagt Iñigo Errejón nachdenklich. Podemos war eine Partei von Freunden. Inzwischen ist von den Gründern nur noch Pablo Iglesias im Vorstand. Auf die Frage, ob er und Pablo Iglesias denn noch Freunde seien, antwortet Iñigo Errejón:
    "Der politische Alltag verlschleißt einen sehr, auch die persönlichen Beziehungen. Aber es ist gut, dass man seinen politischen Überzeugungen treu ist und am Ende auch versucht, die persönlichen Beziehungen zu pflegen."