Samstag, 27. April 2024

Archiv


Für alle Zeiten gut geschützt?

Gegen die typischen Gefahren wie Feuer, Wasser und Luftfeuchtigkeit sind die Archive in Deutschland größtenteils gerüstet. Stattdessen gibt es ein anderes Hindernis: die Grenzen der Bundesländer beim Erfahrungs- und Informationsaustausch. Das föderale Gefüge der Bundesrepublik fordert beim Dokumentenschutz seinen Preis.

Von Kersten Knipp | 22.03.2009
    Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs war ein kaum vorhersehbares Unglück. Zumindest zählt die vermutliche Ursache, die noch im Bau befindliche U-Bahn-Trasse in unmittelbarer Nähe des Gebäudes, nicht zu den klassischen Gefahrenquellen, auf die sich Archivare einstellen.

    Sie rüsten ihre Gebäude gegen die typischen Gefahren: Feuer, Wasser, Luftfeuchtigkeit. Dass kein Flugzeug auf die Bauten stürzt, können sie nur hoffen - gegen höhere Gewalt sind sie machtlos. Alles in allem, meint Robert Kretzschmar, Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg und Vorsitzender des Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare, sind kommunale Archive aber sicher.

    "Wir haben hervorragend ausgestattete Stadtarchive, es gibt ja auch eine ganze Reihe von Neubauplanungen zurzeit. Ich sehe eigentlich in dem Sinn keine Schwachstellen. Ich glaube, es kommt darauf an, dass überall – und das muss jeder für sich selbst überprüfen – die im Grunde bestehenden Richtlinien und Normen beachtet werden.

    Und ich glaube, dass Kommunen, aber auch andere Archivträger, sich jetzt mit Blick auf die Kölner Ereignisse fragen sollten, ob sie diese Anforderungen erfüllen, und in diesem Sinne Bilanz ziehen sollten."

    Aber Richtlinien können auch enge Grenzen setzen – wie etwa jene, die Landes- oder kommunale Haushalte vorgeben, wenn es um Personalplanung geht. Angesichts der ständig wachsenden Aufgaben, berichtet Wilfried Reininghaus, Präsident des Landesarchivs Nordrhein Westfalen, kommen seine Kollegen mit der Arbeit nur mit Mühe nach.

    "Wir haben im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen 167 Mitarbeiter. Wir müssen dabei ungefähr 2000 Behörden betreuen. Das ist eine Relation, die vergleichsweise ungünstig ist, wenn Sie sich vorstellen, wieviel diese Behörden insgesamt an Informationen analog und digital produzieren.

    Wir liegen damit in Nordrhein-Westfalen an einem unteren Ende der Bundesskala. Und wir haben natürlich Schwierigkeiten, unseren Personalbedarf – gerade auch zur Bewältigung der digitalen Unterlagen – zu bewältigen. Und das ist also ein ständiges Ankämpfen gegen politische Sparzwänge."

    Diesen Sparzwängen arbeiten die Archivare – und mit ihnen die Bibliothekare – nach Kräften entgegen. Das Schriftgut, warnen sie, ist auf doppelte Weise bedroht: zunächst durch äußere Gefahren, vor allem Feuer und Wasser. Gegen das Wasser sind manche Archive, wie etwa das Bundesarchiv in Koblenz, bereits durch ihre Lage geschützt. Sie wurden bewusst auf eine Anhöhe, weit oberhalb großer Flüsse und Gewässer, gebaut.

    Das feit die Dokumente aber nicht gegen eine andere Gefahr – eine Gefahr, die von ihnen selbst ausgeht: die endogene Papierzerstörung. Die in den Papieren enthaltene Säure lässt diese auf Dauer zerfallen. Dagegen kämpfen die Archive mit Hilfe chemischer Verfahren an. Eine komplexe Technik. Aber die erwerben sich die Archive und Bibliotheken auf reichlich mühsame Weise, berichtet Michael Knoche, Direktor der im September 2004 in Flammen aufgegangenen Anna-Amalia-Bibliothek.

    "Dafür braucht es Know-how, und dieses Know-how beschafft sich in Deutschland jede einzelne Bibliothek, jedes einzelne Archiv selber. Es gibt keine nationalen Strukturen, die diesen Know-how-Transfer unterstützen.

    Und meine Forderung geht seit langem dahin, dass der Bund diese Leerstelle besetzt - die dadurch entstanden ist, dass die Länder immer nur für ihre eigenen Kulturinstitutionen zuständig sind, und kleine Länder schon gar nicht sehr viel unternehmen können, und außerdem natürlich noch die Koordination der Länder untereinander ein sehr großer Schwachpunkte ist."

    So kommt es, dass die Archive öfters aus Schaden klug werden mussten, bis sich gewisse Schutztechniken herumsprachen und durchsetzten. Dazu gehören auch ausgesprochen simple Erkenntnisse wie die, dass Dokumente, die in Plastikfolien gelagert werden, ein Unglück wie das in Köln besser überstehen.

    Trotzdem sind die Bundesländer aus Schaden klug geworden. So betreibt Baden-Württemberg seit 1986 ein Landesrestaurierungsprogramm. Daran sind die staatlichen Archive, die staatliche Archivverwaltung und die wissenschaftlichen Bibliotheken beteiligt. Auch die Universitätsarchive haben sich angeschlossen. Der Verbund, meint Robert Kretzschmar, der Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg, geht gegen Katastrophen und den natürlichen Dokumentenzerfall gleichermaßen an.

    "Da wird gemeinsam dafür Sorge getragen, dass die Dinge erhalten bleiben. Restaurierungsmaßnahmen werden finanziert. Und in diesem Rahmen wird auch über Notfallvorsorge gesprochen. Es sind auch gerade vom Institut für Bestandserhaltung in Ludwigsburg Notfallpläne erarbeitet worden. Es ist der Inhalt einer Notfallbox festgelegt worden: Was soll da drin sein? Und es finden auch regelmäßig Notfallübungen in einzelnen Häusern regelmäßig."

    Trotzdem lässt sich ein Restrisiko nicht vermeiden. Kulturlandschaften leben, sie befinden sich in ständiger Veränderung. Altes wird abgerissen, Neues aufgebaut. Welche Folgen diese Arbeiten für die Archive haben, wo neue Gefährdungen entstehen, wo wie darauf reagiert werden muss – das zu erkunden, ist ein niemals vollendeter Prozess. Wilfried Reininghaus.

    "Wir wollen eigentlich auch Material liefern, um jeden einzelnen Standort zu prüfen, denn das stellt sich ja je nach Standortlage – denken Sie an Bergbauschäden im Ruhrgebiet – sicherlich sehr unterschiedlich dar. Und man wird dann auch Veränderungen gegenüber einer Ursprungsbebauung, also wie in Köln, hier mit in Rechnung stellen müssen. Und das bedarf in jedem Fall einer individuellen Planung. Wir selbst sind dabei, aufgrund der Kölner Ereignisse unseren geplanten Neubau in Duisburg zu überdenken."

    Regionale Initiativen stoßen noch auf ein weiteres Hindernis: die Grenzen der Bundesländer. Gerade der so wichtige Erfahrungs- und Informationsaustausch findet zwischen den Ländern nicht statt. Im schlimmsten Fall führt das dazu, dass diese Informationen 16-mal, in jedem einzelnen Bundesland, neu beschafft werden müssen.

    Das föderale Gefüge der Bundesrepublik fordert also auch beim Dokumentenschutz seinen Preis. Für umso nötiger hält es Michael Knoche, die Kosten durch Zusammenarbeit auf nationaler Ebene zu dämpfen.

    "Ich bin ein großer Anhänger des Föderalismus. Aber es gibt nationale Aufgaben - Aufgaben, die so groß sind von der Dimension her, weil sonst eine wahnsinnige Geldverschwendung in den einzelnen Ländern stattfinden würde, wenn man die Arbeiten nicht koordiniert - es gibt wirklich manche Länderaufgaben, die noch mal vom Bund koordiniert werden müssen. Und dazu gehört meines Erachtens die Erhaltung der Originale in den Bibliotheken und Archiven.

    Da hinkt Deutschland kilometerweit hinter anderen Ländern hinterher. Frankreich, Großbritannien, die USA, Skandinavien – alle Länder sind weiter als Deutschland, weil in Deutschland es der Initiative der einzelnen Institutionen, manchmal auch einiger starker Länder, überlassen bleibt, wie viel sie sich hier engagieren."

    So bleiben die Hüter der Dokumente auf sich selbst angewiesen. Dabei besteht Handlungsdruck.

    "Und deshalb meine ich, wir könnten viel mehr aus unseren Bibliotheks- und Archivwesen machen, wenn wir diese zentrale Koordinierung hinbekämen. Die Bibliotheken und Archive haben jetzt zur Selbsthilfe gegriffen, sie haben eine Allianz zur Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes gegründet.

    Da haben sich 14 große Bibliotheken und Archive zuammengeschlossen, um diese Aufgabe abgestimmt untereinander zu verteilen und zugleich den Bund dazu zu bringen, diese Koordinierungsfunktion zu übernehmen - und aber auch Geld, mehr Geld, in diesen Bereich zu geben.

    Denn mit zehn Millionen Euro bundesweit für Bestandserhaltung können Bibliotheken und Archive nicht ins nächste Jahrhundert kommen. Hier muss also massiv aufgestockt werden, und da muss sich auch der Bund engagieren."

    Erste Schritte in Richtung nationaler Zusammenarbeit sind aber bereits getan. Der entscheidende Anstoß kam im Jahr 2002, als die Fluten der Elbe nicht nur weite Teile Sachsens unter Wasser setzten, sondern auch in die Räume der Semperoper und der staatlichen Kunstsammlungen in Dresden strömten und dort Schäden in Millionenhöhe verursachten. Auf diese Katastrophe haben die Archivare im Zusammenspiel mit der Politik reagiert. Hartmut Weber, der Direktor des Bundesarchivs in Koblenz.

    "Wir haben Archivverbünde. Also das Bundesarchiv hat für das deutsche Archivwesen insgesamt im Jahr 2005 eine internetbasierte Anwendung eingerichtet, einen Notfallregister für Archive, kurz: NORA. Hier können sich alle Archive mit ihren Daten eintragen, mit ihren Besonderheiten der Bestände, mit ihren Möglichkeiten auch, wie sie im Notfall helfen können, welche Ausrüstung sie haben.

    Das Bundesarchiv gibt die Daten regelmäßig an das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenvorsorge in Bonn weiter. Und diese Daten werden dann über die Datenbank, DENIS 2 heißt die, den Katastrophenschutzkräften, den Katastrophenbewältigungskräften wie Feuerwehr, Polizei, technischem Hilfswerk und so weiter zur Verfügung gestellt."

    160 Archive haben sich dieser Initiative bereits angeschlossen, die meisten von ihnen finden sich in gefährdeten Lagen. Auf Grundlage der bei NORA zusammenlaufenden Daten lässt sich im Fall des Falles dann sehr effektiv handeln.

    "Der Gedanke ist der, dass man weiß: Wenn die Oder jetzt noch zwei Zentimeter steigt, ist dieses oder jenes Archiv dann auch betroffen - sodass die Katastrophenschutzkräfte sich rechtzeitig darauf einstellen können und hier Vorsorge treffen können vor Ort. "

    Auf der Erdoberfläche ereignen sich viele Katastrophen. Deswegen bietet es sich an, Dokumente unter die Erde zu bringen. Genau dies geschieht im sogenannten Barbarastollen, dem ehemaligen Schauinsland-Bergwerk im Schwarzwald. Dort lagert die Bundesrepublik seit 1975 Mikrofilmkopien von historisch bedeutsamen Dokumenten. Über die Jahre wurde dort ein gewaltiges Archiv zusammengetragen. In rund 1400 Edelstahlbehältern lagert dort Filmmaterial, insgesamt über 27 Millionen Meter.

    "Der Mikrofilm ist hier ein ganz hervorragender Träger, um eine Ersatzüberlieferung aufzubauen. Diese Überlieferung kann zwar die Ideale nicht ersetzen, aber sie kann Bilder von den Originalen, Bilder von den Dokumenten, dann eben in die Zukunft bringen - und dafür sorgen, dass, wenn Originale untergegangen sind, sich dann die Forschung wenigstens mit Bildern beschäftigen kann und mit dieser Ersatzüberlieferung dann auch die Forschung weiter betreiben kann."

    Diese Polyesterfilme, die der Bund bereits seit 1961 produziert, haben eine Haltbarkeitserwartung von mehreren Jahrhunderten. Das Material bietet aber noch einen weiteren Vorteil: Es ist nicht nur einfach zu kopieren, sondern auch einfach zu lesen. Hollywood-Untergangs-Fantasien à la "The day after" haben offenbar auch die Bundes-Archivare beeindruckt.

    Gesetzt den Fall, eine wie immer geartete Katastrophe ließe die moderne Technik auf einen rudimentären Stand zurückfallen, wären diese Filme trotzdem weiterhin lesbar. Denn auf Strom und komplizierte Maschinen, wie die Digitalisierung sie voraussetzt, wäre man nicht angewiesen. Es bräuchte nicht viel mehr als etwas Sonne und eine Lupe.

    Trotzdem hat auch die Arbeit im Barbarastollen einen Nachteil: Nach Ansicht mancher Dokumentenschützer schreitet sie viel zu langsam voran. Zwar lagern dort seit sechs Jahren auch Kopien aus Bibliotheksbeständen. Aber das, meint der Direktor der Anna-Amalia-Bibliothek, Michael Knoche, ist ein allzu bescheidener Anfang.

    "Das liegt daran, dass das Förderprogramm, das durch das Bundesamt für Bevölkerungshilfe und Katastrophenschutz aufgestellt wird, bislang nur die Archive berücksichtigt hat. Und erst seit dem Brand der Anna-Amalia-Bibliothek ist die erste Bibliothek in die Reihe der Institutionen aufgerückt, die auch Sicherheitskopien machen können, die letztlich dann im Oberrieder Stollen eingelagert werden.

    Dieses Programm gehört meines Erachtens massiv ausgeweitet, sonst sind wir in 200 Jahren noch nicht durch mit den wichtigsten Verfilmungen."

    Aber wo anfangen? Diese Frage stellt sich derzeit dringender denn je. Der Grund ist einfach: Die meisten Verwaltungen arbeiten zwar schon auf digitaler Grundlage. Aber das Zeitalter des Papiers ist noch nicht vorüber. Nach wie vor fallen viele Dokumente an, die ganz traditionell in Akten abgelegt werden. Für die Archive, die sich um diese Daten kümmern müssen, bedeutet das einen erheblichen Mehraufwand.

    Sie müssen sich durch beide Medien arbeiten, sie sichten, erschließen, bewerten und das Wertvolle dann sichern. Jedes Dokument wird einzeln bearbeitet. Und die anschließende Digitalisierung kostet Geld – und zwar viel mehr als die Überwindung des inneren Papierzerfalls.

    Dennoch ist im Bundesarchiv in Koblenz eine doppelte Sicherung längst Standard, berichtet dessen Präsident Hartmut Weber:

    "Die Digitalisierungskonzeption des Bundesarchivs beispielsweise sieht grundsätzlich vor, dass man beides macht. Also, wir verfilmen konsequent. Wenn wir etwas digitalisieren wollen, wird es verfilmt und wird dann von diesem Film digitalisiert, sodass wir beides haben: nämlich einen haltbaren Informationsträger für alle Zukunft, und dann eine Form, die digitale Form, die sich eben sehr leicht und sehr billig übers Internet verbreiten lässt."

    Natürlich ist die Kopie kein Ersatz für das Original. Dessen Aura wird es niemals erreichen. Eben darum kommt es darauf an, neben der Digitalisierung auch die Bemühungen um den Erhalt der Originale voranzutreiben. Geld ist zwar vorhanden – aber es könnte ruhig mehr sein, meint Robert Kreztschmer, Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg.

    "Es ist ja evident, dass die Finanzierung erhöht werden muss – bundesweit, dass denke ich schon. Und ich denke, das ist auch ins öffentliche Bewusstsein gekommen. Das baden-württembergische Landesrestaurierungsprogramm umfasst eben alles. Es sind einmal die personellen Leistungen, die im Institut für Bestandserhaltung in Ludwigsburg geleistet werden. Es ist dann ein jährlicher Etat von derzeit rund 500.000 Euro, der für Erhaltungsmaßnahmen, speziell für Erhaltungsmaßnahmen, zur Verfügung steht. Und damit kann man schon eine ganze Menge machen."

    Für eine Katastrophe wie die in Köln werden solche Mittel aber nicht reichen. Hier muss man in ganz anderen Maßstäben denken, ökonomisch ebenso wie im Hinblick auf den zeitlichen Aufwand. Was es bedeutet, die aus den Trümmern des Stadtarchivs geretteten Dokumente zu restaurieren - davon hat Wilfried Reininghaus, der Direktor des nordrhein-westfälischen Landesarchivs, schon jetzt eine ungefähre Vorstellung.

    "Nordrhein-Westfalen hat eine ganz konkrete Erfahrung, wie lange Restaurierungsprozesse dauern können. Ein Binnenschifffahrtskahn mit 50 Metern Archivgut sank im Zweiten Weltkrieg, wurde von einer Bombe getroffen. Und diesen Bestand aus dem 16. Jahrhundert zu rekonstruieren erfordert 400 Personenjahre. Diese Dimension zeigt, mit welchen Größenordnungen wir rechnen müssen, wenn man sich die 28 Kilometer von Köln vor Augen hält."

    28 größtenteils verlorene Kilometer. Dieser Verlust hat auch den Politikern neu zu denken gegeben. Erste, allererste Schritte sind bereits getan.

    "Das Kabinett von Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, zunächst einmal unmittelbar Köln zu helfen. Es hat Mittel bereitgestellt, um die ersten Schritte zur Bergung auch begleiten zu können. Das sind ja jetzt viele am Werk.

    Und, zweiter Schritt: Man will über die Konsequenzen der Kölner Katastrophe nachdenken, um Archive in der Gesamtheit sicherer zu machen, um Checklisten für Archivträger zu liefern, damit man also überprüfen kann, ob Sicherungskriterien eingehalten sind."

    Der argentinische Autor Jorge Luis Borges hat in seiner Erzählung "Die unendliche Bibliothek" ein ideales Archiv beschrieben: Alles ist mit allem vernetzt, jedes Buch verweist auf zahllose andere, mit denen es in Beziehungen steht. Und das Schönste ist: Sämtliche Bücher sind auch einsehbar.

    So weit wird es in der Realität nicht kommen. Denn die Menschen produzieren ausgesprochen viele Texte, privat ebenso wie öffentlich. Längst nicht alle wird man erhalten können.

    Natürlich sind auch längst nicht alle der Erhaltung wert. Aber auch bei den schützenswerten Dokumenten muss man Prioritäten setzen. Wie in jedem Politikbereich, weiß Michael Knoche, muss man auch beim Dokumentenschutz Entscheidungen treffen, kommt man um die brutale Logik des Nullsummenspiels nicht herum.

    "Nicht jedes Original kann erhalten werden in jedem Archiv, jeder Bibliothek. Das ist vollkommen klar. Aber es muss eine klare Aufgabenverteilung geben. Es muss klar sein, welche Bibliothek sich zum Beispiel ganz besonders um die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts kümmert – ein riesiges Literaturreservoir, das jetzt auch durch den Säurefraß in den Papieren stark geschädigt ist.

    Da kann nicht jede Bibliothek restaurieren und in großem Umfang geradezu Mengen-, Massenrestaurierungen machen. Aber es muss dann klare Verantwortlichkeit geben."

    Viel bleibt noch zu tun in Sachen Archivsicherung. Und sie wird den Steuerzahler weiterhin einiges kosten. Die Bewahrung des kulturellen Erbes ist eben nicht zu günstigen Tarifen zu haben. Sie hat ihren Preis.

    Aber auch, wenn sich plötzlich ungeahnte Finanzquellen auftun würden, das Geld für die Archive wie Manna vom Himmel regnete – auch dann, warnt Reininghaus, befänden sich die Dokumente nur in relativer Sicherheit.

    "Wie hoch bleibt das Restrisiko? Diese Frage wird offen bleiben. Nehmen Sie auch den Standort hier in Köln: Er ist mitten in der Stadt gelegen, damit leicht erreichbar für die Besucher, nicht auf der grünen Wiese, wo man sicherlich bessere Baubedingungen hätte. Und diese Entscheidung, Standorte auszuwählen, die sicher sind und die auch den Benutzern entgegenkommen, die wird jede Kommune und jeder Träger für sich entscheiden müssen."

    Fazit: Mit den Dokumenten verhält es sich wie mit allem Anderen auch: Absolute Sicherheit gibt es nicht, technische Sicherungssysteme sind wie die sozialen immer ein wenig durchlässig. Das heißt nicht, dass nicht mehr getan werden könnte.

    Wenn aus dem Kölner Abgrund ein gesteigertes Bewusstsein für den Wert historischer Dokumente erwachsen würde - dann hätte dieses Unglück zumindest ein Gutes gehabt.