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"Für die Bauern höchst angenehm"

Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, verteidigt die gestiegenen Lebensmittelpreise. "Nach Jahren skandalöser Tiefpreise" würden die Bauern endlich wieder Einkommen erwirtschaften. "Diejenigen, die noch hinterherhinken, das sind die Schweinebauern in Deutschland", sagte der Grünen-Politiker vor Eröffnung der "Grünen Woche" in Berlin.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: In Berlin öffnet morgen die "Grüne Woche" ihre Pforten. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer wird heute Abend schon die Messe mit einer Rede einleiten. Während in anderen Jahren schon mal die Bauern auf die Barrikaden gingen, sieht es dieses Jahr offenbar ganz anders aus. Die Lebensmittelpreise sind gestiegen. Darüber freuen sich die Bauern, die Verbraucher allerdings weniger. Milch und Geflügel sind beispielsweise um über zehn Prozent teurer geworden. Und dass die Inflation in Deutschland so hoch wie seit langen Jahren nicht mehr ist, liegt zwar vor allem am teueren Öl und an der Mehrwertsteuer, aber auch an den Lebensmittelpreisen.

    Am Telefon begrüße ich Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, den stellvertretenden Vorsitzenden des EU-Agrarausschusses, von Bündnis 90/Die Grünen. Guten Morgen, Graefe zu Baringdorf!

    Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf: Guten Morgen, Herr Meurer!

    Meurer: Freuen Sie sich auch als Biolandwirt, der Sie sind, über die höheren Lebensmittelpreise?

    Baringdorf: Ja. Es ist endlich mal ein Markt, der Einkommen auf die Betriebe bringt, nach Jahren skandalöser Tiefpreise. Auch der Biomarkt war unter Druck. Jetzt ist ein insgesamt fester Markt zu verzeichnen, und das ist für die Bauern höchst angenehm.

    Meurer: Wer profitiert denn genau im Augenblick von den gestiegenen Preisen?

    Baringdorf: Na ja, wir haben vor allen Dingen ein spannendes Jahr hinter uns. Sie haben gesagt, sonst gingen die Bauern auf die Barrikaden. Das haben sie im letzten Jahr gemacht. Dem Deutschen Bauernverband ist ein starker Konkurrent erwachsen. Mit dem Bund der Deutschen Milchviehhalter in Verbindung mit der AbL - Sie wissen: ich bin Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - ist die Milch organisiert worden, die Milchbauern und Milchbäuerinnen. 50 Prozent der Milch war organisiert, und es ist gesagt worden, wenn der Preis nicht, 40 Cent, im Herbst 2007 ausgezahlt wird an die Bauern, dann werden die Molkereien bestreikt. Das hat so viel Wirkung gezeigt, dass nun der Milchpreis bei 40 Cent liegt, und auch der Bauernverband, der sich zunächst dagegen gewehrt hatte, musste folgen.

    Meurer: Also es war sozusagen eine Solidarität der Bauern untereinander, die den Preis gehoben haben?

    Baringdorf: Das war eine Solidarität der Bauern untereinander. Richtig ist aber auch, Herr Meurer: Die Marktsituation war günstig. Insgesamt im internationalen Markt sind die Läger geräumt und es ist der Nahrungsmittelerzeugung über die Energieerzeugung durch nachwachsende Rohstoffe ein Preisregulativ im positiven Sinne entstanden. Die Nahrungsmittelpreise sind dadurch schon etwas auch an den Ölpreis gebunden.

    Meurer: Die Zeit der Milchseen ist vorbei. Die Milch ist eher knapp. Das war günstig für die Bauern. Wird diese Entwicklung so weitergehen? Werden die Preise weiter anziehen?

    Baringdorf: Nein. Die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Dieses ist für die Milchbauern eine gute Situation. Es werden sich ähnlich wie in anderen Bereichen auch im Milchbereich in Zukunft Schwankungen ergeben, aber insgesamt wird es eine feste Tendenz geben auch im Bereich Getreide. Diejenigen, die noch hinterherhinken, das sind die Schweinebauern in Deutschland. Die hatten ein schlechtes Jahr. Aber auch da wird sich langfristig der Preis vom Fleisch am Getreidepreis orientieren.

    Meurer: Also nach oben gehen?

    Baringdorf: Ja, es wird nach oben gehen, ganz sicherlich. Es ist aber im Moment auch skandalös tief.

    Meurer: Beim Getreide sind das so etwa fünf Prozent, glaube ich, oder zwischen vier und fünf Prozent. Das prognostizieren Sie also auch fürs Fleisch?

    Baringdorf: Ja, es wird kommen, weil sich das zwar phasenverschiebt. Wir haben im Moment eine Überproduktion. Es wird hier eingeschränkt, und dann orientiert sich das am Getreidepreis. Bislang verlieren die Schweinebauern noch Geld.

    Meurer: Sind es eigentlich nur die Bauern, die von der Entwicklung profitieren, oder streichen auch die Einzelhandelsketten ihren Teil davon ein?

    Baringdorf: Na ja, auch die müssen verdienen. Das ist ein hartes Geschäft, eine harte Konkurrenz untereinander. Aber die großen Handelsketten haben auf den Druck, der von den Bauern ausging, reagiert und haben eben im Herbst die Preise für Milchprodukte nach oben gesetzt. Dadurch ist der höhere Milchpreis überhaupt erst möglich geworden. Das Interessante ist, Herr Meurer, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher nun nicht in den Käuferstreik gegangen sind, sondern sie haben gesagt, wenn dieses Geld bei den Bauern auch ankommt, dann finden wir es richtig, dass die Bauern für ihre Arbeit auch gut bezahlt werden. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben auch einen Vorteil, weil dieses dazu führt, dass das Qualitätsangebot, die Diversifizierung in dem, was den Verbrauchern geboten wird, steigt.

    Meurer: Da haben die Verbraucher aber den Eindruck, es ist nur teurer geworden, besser nicht unbedingt.

    Baringdorf: Ja. Sie müssen sehen, dass über die Bioerzeugung, über die Ausweitung am Markt über Qualitätserzeugnisse - zum Beispiel Neulandfleisch - ein größeres Angebot gekommen ist, und die Verbraucher profitieren an den Niedrigpreisen nicht, weil: Niedrigpreise erzwingen immer eine gefährliche Produktion.

    Meurer: Da hat ja Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer gerade erst Verkäufe unter Einstandspreis verboten. Also die Politik hilft bei den Preisen auch noch nach. Auf Kosten der Verbraucher?

    Baringdorf: Das ist aber ähnlich wie beim Mindestpreis. Bis dieser Preis dann wirksam wird, das ist ein langer Weg. Diese Preiserhöhung, die wir jetzt zu verzeichnen haben, hatte damit zu tun, dass die Bauern sich organisiert haben. Aber der Hinweis von Seehofer auf diesen Mindesteinstandspreis, aus dem katastrophalen Preistief hatte sich das ergeben.

    Meurer: Ich gehe einmal davon aus, Graefe zu Baringdorf, Sie würden es befürworten, wenn es mehr Biolandwirtschaftsbetriebe gäbe. Wenn aber die Preise für konventionelle Landwirtschaft so ansteigen, führt das dazu, dass weniger umsteigen werden auf Biolandwirtschaft?

    Baringdorf: Nein, es ist genau das Gegenteil der Fall. Die Preisdifferenz zwischen konventionellem Angebot und Bioangebot darf nicht zu groß sein. Das hat Grenzen. Sonst greifen die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zur Bioware. Wenn auch der konventionelle Bereich im Preis fest ist, hat das eher zur Folge, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher nach der Bioqualität greifen.

    Meurer: Woran hängt es denn, dass doch relativ wenige auf Bioproduktion umsteigen und viele Biolebensmittel aus dem Ausland importiert werden müssen?

    Baringdorf: Das hat damit zu tun, dass wir auch im Biobereich eine schlechte Preissituation in den vergangenen Jahren hatten. Viele haben das Wagnis der Umstellung nicht gemacht. Sie haben keine Umstellung auf Bio vollzogen. Von daher ist jetzt ein hoher Nachfrage-Boom, und der kann durch die heimische Erzeugung - ob in Deutschland oder Europa - nicht befriedigt werden. Von daher wird jetzt sehr stark im Ausland eingekauft. Die Europäische Union , wir haben schon darauf reagiert. Wir haben ein Gesetz auf den Weg gebracht, dass sicherstellt, dass die Qualität aus dem Ausland unserer Qualität im Biobereich hier in der Europäischen Union entspricht.

    Meurer: Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf im Deutschlandfunk. Er ist der stellvertretende Vorsitzende des EU-Agrarausschusses von Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Danke und auf Wiederhören!

    Baringdorf: Ich danke auch!