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"Für die Opfer unbefriedigend"

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hofft, dass das Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs noch in der aktuellen Legislaturperiode verkündet wird. Die Bundesjustizministerin drängt die Länder, ihren Anteil am geplanten Entschädigungsfonds zur Verfügung zu stellen.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 20.02.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Ich habe es gerade eben schon gesagt: Mitgehört hat Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP, Bundesjustizministerin. Schönen guten Morgen.

    Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Guten Morgen, Herr Heckmann.

    Heckmann: Frau Leutheusser-Schnarrenberger, Sie haben gerade eben die Kritik von Matthias Katsch gehört. Auch der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat vor einiger Zeit formuliert, die Politik habe in wesentlichen Bereichen keine Verbesserungen für die Betroffenen erreicht. Das ist ein verheerendes Zeugnis, was der Politik da ausgestellt wird, oder?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Also es ist einiges erreicht worden, aber wir sind eben noch nicht fertig mit dem, was erreicht werden sollte, denn es hat zum Beispiel, wenn ich denke, wie geht man mit Einschaltung der Staatsanwaltschaft um, in den Institutionen – das hat ja früher wirklich zum Vertuschen und Verschweigen geführt -, deutliche Verbesserungen gegeben, gerade auch mit den Leitlinien, die auch in den Institutionen anerkannt und umgesetzt werden. Und natürlich ist auch mit dem Kinderschutzgesetz Verbesserung erreicht. Aber eines ist objektiv richtig: Es hakt noch am StORMG, also dem Gesetz zur Stärkung der Rechte der Opfer, wo ich ja als Bundesjustizministerin 2011 in Umsetzung der Vorschläge des Runden Tisches den Gesetzentwurf im Kabinett vorgelegt habe. Wir haben dort im Kabinett beschlossen und jetzt ist die Beratung im Bundestag und da leider noch nicht abgeschlossen.

    Heckmann: Und da können Sie sich offenbar nicht durchsetzen, auch gegenüber der eigenen Fraktion nicht?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Nein! Es geht überhaupt nicht darum, ob ich mich nicht durchsetzen kann. Die Aufgabe der Bundesregierung ist, einen Gesetzentwurf in den Bundestag zu geben, und dort beraten dann die Abgeordneten und da entscheidet nicht die Justizministerin. Ich habe voll umfänglich eins zu eins die Vorschläge des Runden Tisches umgesetzt. Die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Ansprüche wird auf 30 Jahre verlängert und bei der Verjährung im strafrechtlichen Bereich soll nach Vorschlag des Runden Tisches die Verjährungsfrist erst ab dem 21. Lebensjahr des Opfers beginnen, und die kann dann ja über 20 Jahre lang laufen. Und jetzt gibt es eben darüber hinausgehende Forderungen im Kreis der Rechtspolitiker, die über meinen Vorschlag und den des Runden Tisches hinausgehen.

    Heckmann: Aber was sagen Sie denn jetzt dazu, dass dieses Gesetz seit fast 20 Monaten im Rechtsausschuss festliegt?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Ja ich finde das genauso bedauerlich wie alle die, die sagen, diese Verbesserung der Stellung der Opfer in Verfahren, auch gerade was Begutachtung von möglichen Tätern angeht, ist dringend geboten und notwendig. An mir liegt es nicht, ich bin da offen, ich denke, wir haben die Grundlage für die Beratungen als Bundesregierung eben gerade auch in das Parlament als den entscheidenden Teil dann des Gesetzgebers gegeben. Es hat eine Vielzahl von Gesprächen, von Anhörungen stattgegeben und ich glaube, wir sollten alles tun, jeder, der jetzt hier noch bei dem einen oder anderen Punkt Bedenken hat, einfach zu sagen, komm, wir beschließen das so schnell wie möglich. Ich hätte mir gewünscht, das wäre schon passiert.

    Heckmann: Das heißt, ich verstehe Sie richtig, dass Sie sagen, die Parlamentarier sollen da jetzt mal ein bisschen Dampf machen?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Ich habe die Parlamentarier nicht aufzufordern. Ich glaube, wir gemeinsam wissen, Parlamentarier und auch Bundesregierung, dass es wirklich gut wäre, wenn dieses Opferschutzgesetz wirklich jetzt verabschiedet würde. Wir haben die Zeit, dass es in dieser Legislaturperiode abschließend beraten und verkündet wird. Wir haben jetzt Februar, wir haben noch mehrere Sitzungswochen, und ich denke, die Zeit darf nicht nutzlos verstreichen in dem Punkt.

    Heckmann: Frau Leutheusser-Schnarrenberger, den anderen Punkt haben wir eben gerade auch schon angesprochen: den versprochenen Entschädigungsfonds in Höhe von 100 Millionen Euro. Der ist immer noch nicht aufgelegt – unter anderem wegen des Streits unter den Ländern. Jetzt hat Ihre Kabinettskollegin, Familienministerin Kristina Schröder, die Länder aufgefordert, ihren Anteil endlich einzuzahlen, und angekündigt, dass die Mittel des Bundes, diese 50 Millionen Euro, notfalls auch ohne die Länder bereitgestellt werden. Ist das gemeinsame Haltung der Bundesregierung?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Ja. Dieser Entschädigungsfonds ist ja ein Ergebnis des Runden Tisches und die Bundesregierung, Finanzminister Schäuble hat die 50 Millionen zur Verfügung gestellt. Wir haben leider jetzt vor wenigen Tagen von den Ländern ein Schreiben im Namen aller Regierungschefs dort bekommen, Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen, mit Ausnahme Bayerns, was ich ausdrücklich betonen wollte, die sind hier sehr, sehr konstruktiv, dass man sich nicht in der Lage sieht, jetzt diesen Fonds mit zu unterstützen, und immer verweist, erst müssten andere Dinge passieren. Aber es muss nichts anderes passieren. Also wir hoffen jetzt auch durch den Runden Tisch heute – da werden ja auch vielleicht einige Länderminister oder Ministerinnen dabei sein -, dass jetzt auch wirklich man sich hier zusammentut. Wir haben ein gutes föderales System, aber hin- und herschieben, der eine wartet auf den anderen, das macht es eben alles so schwierig und für die Opfer unbefriedigend.

    Heckmann: Aber wenn ich das richtig sehe, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, ist es so, dass die Länder kritisieren, es gebe kein Gesamtkonzept des Bundes. Auch sei völlig unklar, was genau finanziert werden soll.

    Leutheusser-Schnarrenberger: Das ist doch alles vorgeschobene Argumentation. Wir haben das Opferentschädigungsgesetz, da wird verhandelt, ob das ausgedehnt werden soll oder nicht. Aber wir haben dieses Opferentschädigungsgesetz. Da kennt jeder, weil die Länder für die Abwicklung zuständig sind, was dort zusteht. Und dass man nicht sagt, bevor da alles ganz klar ist, auch was die Kassen bezahlen, da gibt es auch Gespräche. Aber ich muss doch nicht warten, sondern ich kann das parallel machen. Ich kann parallel dazu diesen Fonds einrichten. Und wenn man kein Geld hat, dann braucht man sich auch nicht über Richtlinien zu entscheiden. Deshalb müssen die Länder hier auch sagen, wir machen das gemeinsam mit dem Bund. Für diese Dinge sind die Länder, und es geht immer um den Missbrauch im familiären Bereich. Für die anderen Dinge sind ja gerade auch die Institutionen gefordert. Wir sagen jetzt, wir schaffen die Grundlage dafür, und dann kann es vorangehen. Also ich hoffe, dass 2013 sich da noch was bewegt.

    Heckmann: Eine Frage noch ganz kurz, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, zum gestrigen Urteil des Verfassungsgerichts in Karlsruhe zum Adoptionsrecht homosexueller Paare. Da fordern Sie ja jetzt die endgültige Gleichstellung zur normalen Ehe, zur traditionellen Ehe. Aber da kommen Sie mit Ihrem Wunschpartner Union nicht weit. Norbert Geis hat gerade eben hier im Deutschlandfunk das noch mal bekräftigt. Sind Ihre Forderungen also dann reine Lippenbekenntnisse, die dann für den Wahlkampf ausschließlich taugen?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Also es ist ja bekannt, dass es bei dieser wichtigen gesellschaftlichen Frage in einzelnen Punkten unterschiedliche Auffassungen der CDU, der CSU und der FDP gibt. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt ja in dieser Entscheidung – und deshalb ist sie für mich historisch – klar gemacht, dass es hier um gleiche wertige Lebenssituationen geht, Ehe auf der einen Seite, eingetragene Partnerschaft auf der anderen Seite, und dass es dem Willkürverbot unterliegt, wenn nicht im Adoptionsrecht (hier ging es um den einen Aspekt sukzessive Adoption) man entsprechend auch eine Gleichstellung hat zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft. Und das zeigt ja, dass dieses Argument, Mutter, Vater ist nur in der Ehe da, einfach heute nicht mehr trägt, auch beim Bundesverfassungsgericht nicht. Es ist eine ganz klare nochmalige Bekräftigung und deutliche Fortführung dieser Rechtsprechung. Und deshalb, glaube ich, ist es wichtig, dass es einen Koalitionspartner gibt, der sagt, jetzt lasst uns diese Entscheidung nehmen und nicht die nächste abwarten, sondern dann auch sagen, jetzt regeln wir das Adoptionsrecht so, wie es auch dem Geist dieser Entscheidung entspricht. Aufs Adoptionsrecht bezieht sich diese Entscheidung. Dass daneben noch andere Fragen sind, ist klar, aber ich konzentriere mich jetzt aufs Adoptionsrecht und da wäre es gut, wenn wir agieren und nicht nur reagieren.

    Heckmann: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP, live hier im Deutschlandfunk. Danke Ihnen für Ihre Zeit, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, und Ihnen noch einen schönen Tag.

    Leutheusser-Schnarrenberger: Gerne! – Danke, gerne!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.