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Für null, aber nicht umsonst

In Indien ist die Internet-Enzyklopädie Wikipedia kostenfrei auf Mobiltelefonen abrufbar - auch ohne Internettarif. Das Projekt "Wikipedia Zero" läuft in Zusammenarbeit mit Mobilfunkanbietern bereits erfolgreich in Afrika, Asien und Südamerika.

Von Maximilian Schönherr | 21.09.2013
    Im letzten Jahr startete die Stiftung hinter der Wikipedia, die Wikimedia, eine Kampagne, die das freie Wissen in die Hände der Bürger kleiner afrikanischer Staaten legen sollte. Der Grundgedanke war, dass dort Mobiltelefone weiter verbreitet sind als PCs, aber Wikipedia-Seiten wegen ihres Textumfangs und der vielen Bilder gemieden wurden oder gar nicht bekannt waren.

    Ein kleines internationales Team von Wikimedianern trat an einzelne Mobilfunkanbieter in Ländern wie Botswana und Kenia heran und schloss mit ihnen Verträge ab, die den Bürgern kostenlosen Zugang zur Wikipedia vermitteln. Selbst auf Telefonen ohne Internettarif wurden damit Wikipedia-Seiten sichtbar. Kostenlos, deswegen der Name Wikipedia Zero - null Kosten. Die Stiftung schließt Verträge nicht mit Regierungen, sondern mit einzelnen Mobilfunkbetreibern ab; die werben ihrerseits mit dem Logo und Prestige der Wikipedia.

    Was in Afrika begann, breitete sich inzwischen nach Südamerika, Russland und Asien aus. Im August wurde nun der Milliardenstaat Indien Partner von Wikipedia Zero - genau genommen der siebtgrößte Mobilfunkanbieter des Landes, mit nicht weniger als 60 Millionen Kunden. Wikimedia-Mitglied Amit Kapoor, der das Projekt mit aufgebaut hat, sagt, in Indien sind Partnerschaften ähnlicher Art ganz üblich: Mancher Provider wirbt mit freiem Zugang zu Google, ein anderer zu Facebook und Twitter.

    "Unser Ansatz ist aber ein ganz anderer. Wir müssen sehr dagegen ankämpfen, nicht mit den kommerziellen Internetanbietern in einen Topf geworfen zu werden. Wir tun es ja für einen guten Zweck, weil wir meinen, jeder Mensch auf der Welt soll den Zugang zu freiem Wissen, erzeugt von Freiwilligen, bekommen. Der darf nichts kosten und auch nicht besteuert werden."

    Zur Umsetzung mussten die Programmierer der Wikimedia-Stiftung eine schlanke mobile Version entwickeln und für jedes Land mit den Telefongesellschaften entscheiden, welche Wikipedien - also welche Sprachen - sie zur Verfügung stellen würden. In Einzelfällen, etwa Thailand, wollte der Mobilfunkanbieter nur die Textversionen von Artikeln kostenlos zum Kunden bringen. Auch hier mussten die Programmierer der Wikimedia arbeiten, Filter anbieten, wo dann anstelle der Fotos, Sounds und Filme in den Artikeln nur Links zum Datenpool der Wikipedia, den Wiki Commons, angeboten werden. In diesen Fällen musste auch der Wikipedia-Raum von international auf typischerweise fünf für das Land wichtigste Wikipedien beschränkt werden. Die größte Wikipedia, die englische, ist dabei immer vertreten. Die Lokale, im Fall Thailands th.wikipedia.org, sowieso.

    Es gibt eine Unzahl von Open Source-Werkzeugen, die die Wikipedia-Aktivitäten und auch Zugriffe von außen analysieren. Amit Kapoor konnte darüber ermitteln, wie sich die Akzeptanz von Wikipedia Zero entwickelt.

    "Wir sahen uns dazu die Zugriffe auf Wikipedia-Seiten durch die Netzwerke unserer Vertragspartner an und verglichen sie mit denen der anderen Mobilfunkanbieter in den einzelnen Ländern. Bei unseren Partnern haben sich diese Zugriffe verdoppelt, während sie bei den anderen in etwa konstant blieben."

    Das heißt, immer mehr Menschen nutzen den kostenlosen Zugriff auf das freie Wissen der Enzyklopädie. Wikipedia Zero ist bereits ein Jahr nach seinem Start ein Erfolg.

    Bisher gingen die Wikimedia-Mitarbeiter auf die Mobilfunkprovider zu. Jetzt bekam Kapoor aber schon Anfragen aus Jordanien, Marokko, Ost-Timor und anderen Ländern. Zu Problemzonen wie Syrien, Iran und China hatte das Wikipedia Zero-Team noch keinen Kontakt.