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"Für uns Deutsche kann es nicht mehr das Glück in der Nische geben"

Der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Eckart von Klaeden, hat eine deutsche Beteiligung an der Libanon-Mission als alternativlos bezeichnet. Zugleich forderte der CDU-Politiker eine intensive Debatte über die außenpolitischen Ziele der Bundesrepublik, um der Öffentlichkeit die Notwendigkeit eines solchen Einsatzes klarzumachen.

Moderation: Jürgen Liminski |
    Jürgen Liminski: Da hat der gallische Hahn etwas sehr laut gekräht. Nach den großen Versprechungen Frankreichs im Sicherheitsrat der UNO kommt das Expeditionskorps mit seinen 200 Mann doch recht bescheiden daher. Aber der Verlust der internationalen Glaubwürdigkeit dürfte den französischen Spitzenpolitikern durchaus bewusst gewesen sein, als sie verkünden ließen, es kämen nicht 3.000 oder gar 5.000, sondern nur 200 Mann in den Süden des Libanon. Wenn eine so eitle Dame wie die französische Diplomatie sich lieber dem Spott aussetzt, als das Wagnis eines respektablen Libanon-Einsatzes einzugehen, dann sollte das auch den anderen Europäern zu denken geben. Tut es das? Zum Beispiel den führenden Abgeordneten im Bundestag?

    Das fragen wir nun den außenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion Eckart von Klaeden. Zunächst einmal guten Morgen Herr von Klaeden!

    Von Klaeden: Guten Morgen Herr Liminski!

    Liminski: Herr von Klaeden, der Einsatz wird hier und da gern als alternativlos dargestellt. Ist er das wirklich? Müssen wir in den Libanon oder an die Küste des Libanon?

    Von Klaeden: Wenn wir dafür sorgen wollen, dass die Region sich stabilisiert - und es gibt keine Region außerhalb Europas, an deren Stabilisierung wir ein solches Interesse haben, wie der Nahe Osten -, dann meine ich müssten wir uns an dieser Truppe beteiligen. Man kann über alle möglichen Alternativen spekulieren, aber wenn man will, dass der derzeitig fragile Waffenstillstand, der die Folge der Feuerpause in der Auseinandersetzung zwischen Hisbollah und Israel ist, zu einem dauerhaften Waffenstillstand wird und dann auch der Grundstein wird für eine mögliche dauerhafte Friedenslösung in der Region, dann gibt es zu der derzeitigen UNO-Resolution 1701 keine Alternative.

    Liminski: Wenn das so wichtig ist und die Deutschen sich beteiligen sollen, warum dann nur mit Marine und nicht mit Bodentruppen?

    Von Klaeden: "Nur" will ich gar nicht sagen, denn das Angebot, die libanesische Seegrenze zu sichern, ist ein wichtiger Beitrag für die Umsetzung der UNIFIL-Resolution. Wir wissen ja, dass die Hisbollah - die Entwaffnung der Hisbollah ist ja nach wie vor das Kernproblem des Konflikts - auch von Seeseite mit Waffen versorgt worden ist und möglicherweise weiter versorgt wird. Das heißt das ist schon ein wesentlicher Beitrag zur Ausfüllung der UNIFIL-Resolution. Auch von israelischer Seite sind ja Bedenken gegen deutsche Bodentruppen geäußert worden, weil man die Situation vermeiden möchte, dass deutsche und israelische Soldaten einander gegenüberstehen und möglicherweise, wenn auch nur aus Versehen, aufeinander schießen. Deswegen ist es ein Übereinkommen oder findet Zustimmung sowohl in Deutschland wie in Israel, dass Deutschland einen veritablen Beitrag, einen begrenzten, begrenzbaren, aber wichtigen und erforderlichen Beitrag seeseitig leistet, aber auf Bodentruppen verzichtet.

    Liminski: Die Hisbollah sind hoch gerüstet, waren es jedenfalls, werden es vielleicht wieder sein. Ihre Raketen werden zum Teil elektronisch gesteuert, wie der Einschlag auf dem israelischen Kriegsschiff vor der Küste zeigte. Ist das nicht auch eine Lektion für die deutsche Marine? Es kann ja uns auch passieren?

    Von Klaeden: Das kann uns auch passieren, aber wir haben unter anderem Fregatten, die auf solche Angriffe vorbereitet sind und die über die nötigen Mittel verfügen, solche Angriffe auch abzuwehren.

    Liminski: Und diese Fregatte müsste dann natürlich dabei sein?

    Von Klaeden: Die Fregatte müsste dabei sein. Das ist selbstverständlich.

    Liminski: Deutsche Soldaten auf dem Balkan, am Hindukusch und in Afrika, demnächst vielleicht auch vor dem Libanon. Geht das nicht über unsere Möglichkeiten, Herr von Klaeden? Ist die Bevölkerung auf diese Einsätze überhaupt vorbereitet?

    Von Klaeden: Das sind ja zwei unterschiedliche Fragen. Die eine Frage ist, wie die militärischen Möglichkeiten aussehen. Da sind wir zum Teil, insbesondere im Heer bei bestimmten Schlüsselkapazitäten, an unsere Grenzen gestoßen. Aber im Bereich seeseitiger Absicherung im Libanon können wir das sicherlich noch leisten.

    Die andere Frage ist, ob die Bevölkerung darauf ausreichend vorbereitet ist. Da glaube ich brauchen wir eine intensive Debatte über die Rolle Deutschlands in der internationalen Politik. 15, 16 Jahre nach der Wiedervereinigung erwarten eben andere Staaten zu Recht von uns, dass wir international Verantwortung in einem Maße einnehmen, wie sie unserer Wirtschaftskraft und der Größe unseres Landes entspricht. Wenn man jetzt einmal die Debatte in Frankreich und in Deutschland vergleicht, so ist festzustellen, dass die Franzosen sagen, wir sind an die Grenzen unserer Möglichkeiten gekommen mit 15.000 Soldaten im Auslandseinsatz. Deutschland hat ungefähr die Hälfte davon im Einsatz im Ausland, obwohl Deutschland ein größeres Land ist und auch die größere Wirtschaftskraft hat. Das heißt ich glaube wir müssen bei uns eine Debatte über unsere außenpolitischen Ziele führen und auch bereit sein, die erforderlichen Mittel für die Durchsetzung dieser Ziele bereitzustellen.

    Liminski: Das heißt die Bewusstseinslage ist sozusagen noch nicht der wirklichen Lage entsprechend?

    Von Klaeden: Das ist mein Eindruck, jedenfalls was die breite Öffentlichkeit angeht. Wir müssen klar machen, dass es für uns Deutsche nicht mehr das Glück in der Nische geben kann, das wir lange Zeit genossen haben in der Zeit beschränkter Souveränität, wo die großen weltpolitischen Probleme in Zeiten des Kalten Krieges von anderen gelöst worden sind. Das heißt nicht, dass Deutschland Weltpolizist werden soll, wie es manchmal so heißt. Das halte ich für eine völlig abwegige Formulierung. Wir müssen aber im Rahmen der Europäischen Union und im Rahmen der NATO und den Vereinten Nationen die Verantwortung wahrnehmen, die einem Land unserer Größe und unserer Wirtschaftskraft zukommt.

    Es ist ja der große zivilisatorische Fortschritt am Anfang des 21. Jahrhunderts, dass die Demokratien über ihre regionalen Interessen hinaus gemeinsam international zusammenarbeiten und sich der Durchsetzung des Völkerrechts, der Demokratien, der Rechtsstaatlichkeit verschrieben haben. Mein Lieblingsbeispiel ist da immer wieder Neuseeland, ein kleines Land, das sich in Afghanistan und im Kosovo engagiert und in Afghanistan im Verhältnis zu seiner Bevölkerung mehr Soldaten stationiert hat als es die Vereinigten Staaten tun. Solche Beiträge sind einfach heute erforderlich von den Demokratien in Zeiten der Globalisierung, wo man Gefahren nicht mehr regional eingrenzen kann, wo failing states auch in zunächst geographisch großer Distanz eine erhebliche Gefahr auch für die innere Sicherheit unseres Landes darstellen können, wenn sie zu Rückzugsräumen für internationale Kriminalität und internationalen Terrorismus werden. Wir haben auch nicht zuletzt aus humanitären Gründen ein Interesse daran, dass auch in entfernteren Regionen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Entwicklung Einzug halten. Dazu müssen wir unseren Beitrag leisten, wenn wir mit dem, was wir sonst postulieren, glaubwürdig bleiben wollen.

    Liminski: Woher soll das Geld für diese künftigen Einsätze kommen, aus dem Sozialhaushalt? Wir haben ja jetzt schon Probleme mit dem Haushalt.

    Von Klaeden: Das ist richtig. Ich glaube, dass die Aufforderung an die Politik besteht, nicht nur die Maastricht-Kriterien einzuhalten, sondern auch innerhalb des Haushalts eine Schwerpunktsetzung hin zu mehr Außen- und Sicherheitspolitik möglich zu machen. Dabei gilt dies durchaus für den erweiterten Sicherheitsbegriff, also auch Entwicklungszusammenarbeit und solche Fragen mit einzubeziehen. Um mal ein nichtmilitärisches Beispiel zu nennen: Frankreich und Großbritannien vertreten ihre internationalen Interessen jeweils mit ungefähr doppelt so viel Diplomaten wie wir das tun. Wir haben häufig nicht mehr die ausreichenden Kapazitäten, unsere Diplomaten mit der entsprechenden Sprachausbildung auf Auslandseinsätze vorzubereiten. Das ist eigentlich eine Sache, die sich Deutschland nicht leisten kann und die uns dann in gewisser Weise auch wieder Geld kostet, weil sie zum Beispiel deutsche Unternehmen im Ausland benachteiligt.

    Liminski: Das war Eckart von Klaeden, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Besten Dank für das Gespräch, Herr von Klaeden!

    Von Klaeden: Bitte sehr!