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Fun auf der Alm?

In der "Bravo" warb die Bundeswehr im August für zwei ihrer Adventure-Camps. Per Losverfahren wurden die Teilnehmer für die kostenlosen Abenteuerlager ausgesucht. Vom Kinderhilfswerk und anderen Kinderschutzorganisationen kam prompt massive Kritik an dieser Werbung für militärischen Nachwuchs in einer Jugendzeitschrift.

Von Susanne Lettenbauer | 10.10.2012
    Schwer geht die Vakuumpumpe für die Stabilisierung eines Verunglückten. Fünf Jugendliche stehen in der Almhütte um den Stabsarzt herum, befühlen die Vakuummatratze, lassen sich medizinisch versorgen. Ein kleiner Einblick in die Sanitäterausbildung von Soldaten, erklärt der Stabsarzt:

    "Nur die Information, was es generell an Material gibt, denn wenn ich nie etwas mit Bergwacht, Wasserwacht oder Rotem Kreuz zu tun hatte, dieses medizinische Gerät nicht kenne, um das einfach mal vorzustellen, damit die Leute das mal gesehen haben."

    Eine andere Gruppe Jugendlicher versucht, über einen Tisch gebeugt, Landkarten mit Kompass zu lesen. Der Sanitätercrashkurs und der Orientierungskurs sind zwei von sechs Stationen, die zurzeit auf Deutschlands höchstem Truppenübungsplatz der Bundeswehr, auf der Berchtesgadener Reiteralm, Jugendlichen den Alltag der Bundeswehr zeigen sollen:

    "Ich finde, das ist der Richtige Weg, um Jugendlichen mal zu zeigen, wie das so funktioniert",

    sagt ein 18-jähriger Teilnehmer aus Hamburg:

    "Mir gefällt es eigentlich ganz gut. Meine Erwartungen werden erfüllt. Ich hatte mir erhofft, dass es ein bisschen sportlicher verläuft. Weil ich es mal so wissen wollte, wie das so ist, ich habe mich noch nicht entschieden, zum Bund zu gehen. Aber wenn es die Möglichkeit gibt - warum nicht."

    "Eigentlich überraschend, dass wir hier so einen tiefen Einblick ins Soldatenleben bekommen, dass hätte ich jetzt nicht so gedacht. Bin positiv überrascht."

    Vier Tage lang spendiert die Bundeswehr derzeit 26 Jugendlichen ein kostenloses Bundeswehrcamp, in rund 1600 Metern Höhe, auf einer Almhütte der Bundeswehr. Rund 20.000 Euro lässt sich das Bundesverteidigungsministerium das Camp kosten. Urlaub oder gar Party kann man das nicht nennen: Am Anfang stand ein dreistündiger Bergmarsch ins Camp mit den Maultieren der Gebirgsjägerkompanie Bad Reichenhall. Dann die Einweisung ins Bettenlager. Sechs Uhr aufstehen, 22.30 Uhr Zapfenstreich, dazwischen ein straffes Programm, das mehr mit einem Survivalcamp zu tun hat, als mit der Bundeswehr. Mit Absicht, so Carsten Spiering, Sprecher der Bundeswehr vor Ort:

    "Ich möchte das eigentlich mehr so sehen, dass Jugendliche mal über den Kasernenzaun schauen können, damit sie das einfach mitnehmen und der eine oder andere entscheidet sich dann doch für die Bundeswehr als Arbeitgeber."

    Als Adventure-Camp war die Veranstaltung groß in der Bravo angekündigt worden, für die meisten Teilnehmer, wie für diesen 18-jährigen Abiturienten aus Bremen, ein falscher Weg, um interessierte junge Menschen für sich zu gewinnen:

    "Also ich war erst mal ziemlich geschockt, weil ich wusste, die Bundeswehr braucht junge Leute. Aber dass es in ein Jugendmagazin geht, fand ich ziemlich krass. Ich habe halt so gedacht, das ist eine Abenteuerreise, dazu wird man nicht gezwungen, über die Bundeswehr erfährt man nur was, wenn man fragt."

    Dass für dieses Camp vor kurzem noch in der Jugendzeitschrift Bravo geworben wurde, will hier oben auf der Reiteralm keiner mehr wissen. Man starte viele Werbekampagnen, die dann von neuen abgelöst würden. Der Begriff Adventure-Camp sei sowieso irreführend, es gehe hier nicht um eine Werbeaktion betont Bundeswehrsprecher Spiering:

    "Nicht erst mit Aussetzung der Wehrpflicht haben wir diese Camps eingeführt, die Camps gibt es seit 2004, sie sollen einfach nur Jugendliche ansprechen...damit auch diese Jugendlichen sich über die Bundeswehr informieren können."

    Etliche der Jugendlichen benötigen diese Infos nicht mehr. Für sie ist das Reiteralm-Camp von Berchtesgaden nicht das erste Bundeswehrcamp und wohl auch nicht das letzte. Für diese 19-Jährige aus Stuttgart steht fest:

    "Ich möchte selber zur Bundeswehr auch im Truppendienst, das interessiert mich einfach...es könnte mir schon sehr gut gefallen, ja."