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Fusion von Stahlkonzernen untersagt
Umbau statt Verschmelzung: Thyssenkrupp soll Holding werden

Die Stahlkonzerne Tata und Thyssenkrupp wollten sich zusammenschließen, um ihre Abhängigkeit vom Stahlgeschäft zu verringern. Weil die Vorstände aber ahnten, dass die EU kein grünes Licht geben würde, hatten sie ihre Pläne im Mai wieder verworfen. Zu Recht, denn heute untersagte die EU die Fusion.

Von Paul Vorreiter | 11.06.2019
Ein Mitarbeiter Stahlkocher von Thyssenkrupp in arbeitskleidung bei der Kundgebung gegen die Stahlfusionspläne von Thyssenkrupp mit dem indischen Tata-Konzern in Bochum
Die Kundgebung gegen Fusionspläne von Thyssenkrupp-Fusion mit Tata in Bochum (dpa)
Thyssenkrupp wollte seine Stahlsparte mit dem indischen Unternehmen Tata verschmelzen, um günstigem Stahl aus China etwas entgegenzusetzen und sich vom schwankenden Stahlgeschäft unabhängiger zu machen. Der Zusammenschluss hätte Europas zweitgrößten Stahlkonzern entstehen lassen, nach dem Weltmarktführer Arcelor-Mittal mit rund 48.000 Mitarbeitern in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden. Dass daraus nichts wird, ist nun endgültig besiegelt.
Gewohnt klar hat EU-Wettbewerbskommissarin Margarete Vestager begründet, warum ihre Behörde den geplanten Zusammenschluss gestoppt hat. Es müsse `ernsthafter Schaden´ für Industriekunden und Verbraucher abgewendet werden, sagte die Dänin am Nachmittag in Brüssel.
"Thyssenkrupp und Tata haben es versäumt, die Bedenken der Kommission durch geeignete Abhilfemaßnahmen zu beseitigen, und deswegen haben wir den Zusammenschluss gestoppt, um höhere Preise und ein geringeres Angebot für die Stahlkunden zu verhindern."
Unternehmen brauchen wettbewerbsfähige Preise für Rohstoffe
Die Fusion wäre von großer Tragweite gewesen. Vestager hob hervor, dass Stahl ein wichtiger Ausgangsstoff für Waren sei, zum Beispiel für Autos und Lebensmittelkonserven. In den Bereichen würden Millionen von Menschen in der EU arbeiten. Unternehmen, die in diesen Sektoren produzierten, seien auf wettbewerbsfähige Preise angewiesen, um selbst am weltweiten Markt bestehen zu können.
Dass die Preise durch die Fusion hätten anziehen können, das befürchtet die Kommission gleich bei einer ganzen Reihe von Stahlsorten: Bei laminierten und metallbeschichteten Verpackungsstahl-Erzeugnissen sowie feuerverzinkten Stahlprodukten für die Autoindustrie. Bei letzteren handele es sich um einen Markt mit nur wenigen Anbietern, die in der Lage sind, große Mengen zu produzieren. Hier hätte der Zusammenschluss zu weniger Wettbewerb geführt.
Unternehmen brauchen kurze Lieferzeiten
Abnehmer solcher Erzeugnisse könnten teurere Preise ebenso wenig umgehen, hieß es. Laut EU-Kommission sind die betroffenen Firmen nämlich auf kurze Lieferzeiten innerhalb der EU und die Qualität der Produkte angewiesen. Daher wären Erzeugnisse aus Drittländern für die Stahlkunden keine Alternative.
Im Februar bereits hatte die EU-Kommission den geplanten Zusammenschluss der Bahnsparten von Siemens und Alstom verhindert. Daher bekam Margarete Vestager auch heute wieder die Frage gestellt, ob ihre Behörde Unternehmen aus bestimmten Ländern wie Deutschland besonders im Visier habe.
"Wenn Sie die Herkunftsländer untersuchen, dann sehen Sie auch, dass wir den Zusammenschluss von Bayer und Monsanto gebilligt haben. Wir prüfen immer von Fall zu Fall, ob Abnehmer oder Verbraucher eine Alternative haben, falls die fusionierten Unternehmen ihre Preise anheben, das Angebot oder Innovation begrenzen."
Umbaupläne bei Thyssenkrupp
Die Brüsseler Entscheidung ist für Thyssenkrupp keine Überraschung. Das Unternehmen hatte selbst die Fusion seiner Stahlsparte mit dem indischen Konkurrenten und die Aufspaltung des Konzerns in zwei eigenständige Aktiengesellschaften abgeblasen.
Stattdessen ein Umbauplan: Thyssenkrupp soll zu einer Holding werden, bei der die einzelnen Sparten eigenständiger werden. Die profitabelste, das Geschäft mit Rolltreppen und Aufzügen, soll teilweise an die Börse kommen.
Konzernchef Guido Kerkhoff verspricht sich mithilfe der Umbaupläne unter anderem geringere Verwaltungskosten. Die sollen von jährlich 380 Millionen Euro auf unter 200 Millionen Euro fallen.