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Trainerwechsel im Fußball
"Die Bundesliga ist eine Trainerhölle"

Gleich fünf Bundesliga-Vereine haben sich nach der abgelaufenen Bundesliga-Saison von ihren Trainern getrennt. Das liege in erste Linie an einer zu hohen Erwartungshaltung auf Management-Ebene und in der Öffentlichkeit, sagte Spielanalyst und Trainer Martin Rafelt im Dlf.

Martin Rafelt im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Marco Rose, Ex-Trainer von Borussia Dortmund.
Marco Rose, Ex-Trainer von Borussia Dortmund. (IMAGO/Kirchner-Media)
Marco Rose (Borussia Dortmund), Adi Hütter (Borussia Mönchengladbach), Markus Weinzierl (FC Augsburg), Sebastian Hoeneß (TSG Hoffenheim) und Florian Kohfeldt (VfL Wolfsburg): Sie alle waren vor einer Woche noch Bundesliga-Trainer. Doch nach einer ungewöhnlichen Trennungswelle am Ende der Saison müssen sie sich nun neue Jobs suchen.
Der Hauptgrund für die ungewöhnlich vielen Trainerwechsel sei eine nicht mehr zeitgemäße Erwartungshaltung, sagte Martin Rafelt im Deutschlandfunk. Rafelt ist Mitarbeiter beim Taktik-Blog "Spielverlagerung" und war bis 2020 Chefanalytiker beim kroatischen Club Hajduk Split.

Erwartungshaltung aus Zeit von Klopp und Tuchel

Diese Erwartungshaltung komme noch aus der Zeit von Jürgen Klopp oder Thomas Tuchel, die der Liga taktisch damals noch voraus waren. "Jetzt hat man eine Liga, die taktisch nachgezogen hat", so Rafelt. "Die Bundesliga hat sich zu einer Art Trainerhölle entwickelt, weil man einfach immer gegen sehr gute Trainer antritt."
Die Vereine seien im Endeffekt zu ungeduldig. "Was sich viele erhoffen ist, dass man diesen einen Heilsbringer findet, der den Verein über das Niveau, auf dem er ist, hinausträgt. Und ich glaube, das war damals deutlich einfacher, als es jetzt zur Zeit ist." Auch Klopp habe beim FC Liverpool eine Anlaufzeit gebraucht, um auf Top-Niveau zu kommen. "Und diese Zeit gibt man den Trainern in Deutschland gar nicht, weil man erwartet, das müsse sofort funktionieren."

"Niveau auf Management-Ebene nicht ganz so stark gestiegen"

Vor allem auf Management-Ebene müsse die Erwartungshaltung an einen Trainer angepasst werden. "Ich kann mir vorstellen, dass auf Management-Ebene das Niveau nicht ganz so stark angestiegen ist wie auf Trainer-Ebene und da auch die Zusammenarbeit nicht immer stimmt", sagte Rafelt.
"Aber ich glaube, dass man als Boss eines Vereins auch immer ein bisschen auf die öffentliche Meinung achtet. Vielleicht auch ein bisschen zu viel. Und diese falsche Erwartungshaltung wird natürlich ganz extrem auch in der Öffentlichkeit widergespiegelt. Es wird immer extrem auf Trainer eingehackt, auf Basis von einzelnen Spielen teilweise sogar, auf Basis von schwächeren Phasen, auf Basis dessen, dass die Erwartungshaltung nicht ganz erfüllt wird." Das müsse auch von den Vereinen abgefangen werden.

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Rafelt selbst würde sich als Trainer in einem Verein vor allem einen klaren Plan wünschen, bezogen auf die Kaderplanung, den Spielstil und die Art und Weise, wie Leistung erzeugt werden soll. "Und dass man nicht als Fan von draußen guckt und emotional entscheidet." Vielmehr solle die Bewertung "nicht so stark von Ergebnissen abhängig gemacht werden, sondern stärker vom Verständnis davon, ob ein Spieler generell gut ist, ob die Spielweise generell gut ist, ob ein Trainer generell gute Arbeit macht."
Dass die ganzen Trainerwechsel nun erst nach der Saison passiert sind, liege laut Rafelt daran, dass akut eigentlich kein dringender Handlungsbedarf bestand. "Ich glaube, die Vereine hatten schon das Gefühl, die Trainer machen grundsätzlich gute Arbeit, nur irgendwie nicht gut genug. Nur irgendwie glaubt man, ein anderer würde es noch besser machen. Oder in der Zusammenarbeit mit dem Trainer hat man das Gefühl, man kommt nicht so richtig auf einen Nenner."

"Wenn man so arbeitet, wird es weiter viele Entlassungen geben"

Rafelt hoffe nicht, dass sich Trainer nun auf einen generell kürzeren Arbeitszyklus einstellen müssen. "Falls die Erwartungshaltung dabei bleibt, dass man nur seinen Job behält, wenn man komplett überperformt und alle anderen auscoacht, dann ist natürlich klar, dass das nicht jedem gelingen kann. Insbesondere dann, wenn die Erwartungshaltung sowieso schon so hoch liegt. Wenn zehn Vereine Champions League spielen wollen, werden mindestens sechs Trainer scheitern an dieser Erwartungshaltung."
Sollte es da Änderungen geben, müssten sich Trainer nicht anpassen. "Aber in der aktuellen Kultur, mit den aktuellen Erwartungshaltungen, in dieser Kurzlebigkeit, wenn man so arbeitet, glaube ich, wird es weiter viele Trainerentlassungen geben."