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Fußball Champions League
Ein Finale unter Freunden

Das Champions-League-Finale war ein Aufeinandertreffen zwischen dem Abu-Dhabi-Club Manchester City und dem russischen Oligarchen-Team Chelsea. Auf beiden Seiten redet die Politik ein Wörtchen mit. Untereinander herrscht schon seit Sowjetzeiten eine tiefe Verbundenheit.

Von Constantin Eckner | 29.05.2021
Manchester City v Chelsea - UEFA Champions League - Final - Estadio do Dragao Estadio do Dragao in Porto, Portugal. Picture date: Saturday May 29, 2021. Editorial use only, no commercial use without prior consent from rights holder. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xAdamxDavyx 60075140
Die Logos des FC Chelsea und Manchester City am Stadion in Porto vor dem Champions-League-Finale. (IMAGO / PA Images)
Das Champions-League-Finale war bei genauem Hinsehen nicht nur das Duell zwischen den Mannschaften von Manchester City und Chelsea, sondern auch zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Russland. Denn beide Länder reden bei den Clubs ein gehöriges Wörtchen mit. In Bezug auf City ist die Sache recht eindeutig: Der Club gehört der Abu Dhabi Sports Group unter Scheich Mansour bin Zayed. Er ist der stellvertretende Premierminister der Vereinigten Arabischen Emirate.
Bei Chelsea ist die Angelegenheit etwas komplizierter: Die Blues befinden sich im Besitz des russisch-israelischen Oligarchen Roman Abramovich. Dieser gibt sich unabhängig. Allerdings kann oder will sich Abramovich dem Einfluss von Russlands Präsident Vladimir Putin nicht entziehen. Das meint etwa der britische Sportökonom Simon Chadwick: "Abramovich ist Teil des russischen Staatsapparats. Und wir wissen das, weil sich Abramovich bereits in der Öffentlichkeit mit Putin gezeigt hat. Er würde das nicht machen, wenn er nicht mit dem einverstanden wäre, was die russische Regierung tut."

Abramovich ein "Knotenpunkt" in Putins Netzwerk

Der Bankier Sergey Pugachyov behauptet sogar, dass Abramovich einst von Putin persönlich beauftragt wurde, Chelsea zu übernehmen und das russische Netzwerk in England zu stärken. Diese Behauptung griff auch die Reuters-Korrespondentin Catherine Belton im Rahmen ihrer Recherchen für das Buch "Putin's People" auf. Abramovich geht nun gegen Belton und den Verlag HarperCollins juristisch vor. Er möchte anscheinend nicht als Teil des Kremls gesehen werden. Chadwick erklärt die Funktion des Oligarchen so: "Abramovich ist ein Knotenpunkt im Netzwerk. Wenn man sich also ein Netzwerk vorstellt, dann sind die größeren Knotenpunkte machtvoller aufgrund ihrer wirtschaftlichen oder politischen Verbindungen. Das ist eine Perspektive, um auf Abramovich zu schauen. Er erfüllt die Rolle eines signifikanten Knotenpunkts. Und als solcher kann er beispielsweise auf Abu Dhabi und Manchester City einwirken. Fußball als Teil eines geopolitischen Netzwerks zu sehen, ist dabei wichtig."
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Einer der wichtigsten russischen Partner im Nahen Osten sind seit langem die Vereinigten Arabischen Emirate. Die konkreten diplomatischen Beziehungen begannen einst direkt mit der Gründung der Vereinigten Arabischen Emirate 1971; im Jahr 1987 eröffnete die Sowjetunion eine Botschaft in der Hauptstadt Abu Dhabi. Nach 1991 verkaufte Russland dann im großen Stil Waffen an den Partner, der sich zur viertgrößten Destination für russische Militärtechnik entwickelte. Die Beziehungen kühlten Anfang der Nullerjahre ab, weil die Emirate separatistische Kräfte in Tschetschenien unterstützten; sie wurden später aber aufgrund persönlicher Verbindungen wieder besser.
Heute fußt die Zusammenarbeit auf gemeinsamen geopolitischen Interessen, aber auch ideologischen Schnittmengen, wie Anna Borshchevskaya vom Washington Institute for Near East Policy erklärt: "Von all den Golfstaaten pflegt Russland die engste Beziehung mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. 2018 ratifizierten beide eine strategische Vereinbarung. Diese legte einen großen Fokus auf Wirtschaft und Handel, aber auch Diplomatie. Wenn man sich die Aussagen von russischen Verantwortlichen und die der Vereinigten Arabischen Emirate ansieht, dann existieren gemeinsame Ansichten – beispielsweise die Wahrnehmung von Liberalismus und Sorgen rund um die Verbreitung westlich geprägter Demokratie."

Tiefes und verzweigtes Netzwerk

Die Haupttreiber sind Präsident Putin sowie der Bruder des Manchester-City-Eigners Scheich Mohamed bin Zayed. Aber auch persönliche Beziehungen zwischen anderen Figuren auf beiden Seiten treiben die Kooperation voran, meint Samuel Ramani, Dozent für Russische Außenpolitik in Oxford: "In den Vereinigten Arabischen Emiraten existiert ein tiefes und verzweigtes Netzwerk an persönlichen Beziehungen zu Russland. Ich würde sagen, dass dieses fast einzigartig ist in der arabischen Welt. Man hat die guten Verbindungen an der Spitze, aber auch darunter teilen die Verantwortlichen viele Ansichten."
Die Beziehungen von Chelsea-Besitzer Abramovich zu Abu Dhabi und den Eignern von Manchester City sind informeller Natur. Im vergangenen Jahr musste der Milliardär jedoch eine kleine Niederlage gegen Abu Dhabi einstecken, als bekannt wurde, dass Scheich Khalifa bin Zayed, Halbbruder des City-Eigentümers, mittlerweile die größte Yacht der Welt besitzt und Abramovich vom ersten Rang verdrängt hat. Der Oligarch wollte im Champions-League-Finale ganz sicher nicht wieder den Kürzeren ziehen.