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Nahostkonflikt
Konfrontation auch im Fußball

Abermals eskaliert der Konflikt im Nahen Osten. Mehr als 130 Menschen sollen in den vergangenen Tagen getötet worden sein, mehr als 900 wurden verletzt. Der Konflikt wird wie immer kontrovers diskutiert. Mit prominenten Unterstützern auf beiden Seiten, auch im Fußball.

Von Ronny Blaschke |
Israel, Jerusalem: Palästinenser stoßen mit israelischen Sicherheitskräften auf dem Gelände der Al-Aksa-Moschee in der Altstadt zusammen.
Auseinandersetzungen auf dem Tempelberg in Jerusalem (Mahmoud Illean/AP/dpa)
"Freies Palästina." Mit diesem Schriftzug auf ihren T-Shirts wärmten sich am Dienstag die Spieler von Fenerbahce Istanbul auf. Mit dabei: der langjährige deutsche Nationalspieler Mesut Özil. Auch in anderen Ländern, in Schottland, Katar oder Chile, zeigen Spieler und Fans palästinensische Symbole. Vor allem in sozialen Medien solidarisieren sich einige Profis mit den Palästinensern. Zum Beispiel: der Algerier Riyad Mahrez von Manchester City oder der Franzose Paul Pogba von Manchester United.
Der ägyptische Stürmer Mohamed Salah vom FC Liverpool postet auf Twitter folgende Botschaft:
"Ich rufe alle Staatsoberhäupter der Welt auf, einschließlich des Premierministers des Landes, das in den letzten vier Jahren meine Heimat war, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um sicherzustellen, dass die Gewalt und das Töten von unschuldigen Menschen sofort aufhört. Genug ist genug."
Mo Salah verzichtet in seinem Statement auf Begriffe wie Israel, Palästina oder Gaza. Stattdessen zeigt er ein älteres Foto von sich vor dem Felsendom, einer heiligen Stätte des Islams in Jerusalem. Englische Klubs wie West Ham United oder die Wolverhampton Wanderers positionieren sich in ihren arabischen Medienkanälen deutlicher für die Palästinenser, West Ham auf Twitter mit folgenden Worten:
"Palästina war und wird immer das Land und die Heimat allein für die Palästinenser bleiben."

Nationalistische Fans mobilisieren für Straßenschlachten

West Ham und Wolverhampton löschen ihre Statements wieder. Auch etliche Nationalspieler aus Israel äußern sich zur Eskalation. Eran Zahavi zum Beispiel betont[MJR 1] auf Instagram mehrfach seine Unterstützung für die israelische Armee. Bei seinem Verein PSV Eindhoven soll es deshalb zu Streit mit anderen Spielern gekommen sein. Das Thema wurde auch im Spielerrat diskutiert, sagt der israelische Journalist Yossi Medina vom Onlinemedium Babagol:
"Wir sind von dieser Entwicklung nicht überrascht. Nach jeder Eskalation gibt es im Fußball politische Kommentare, manchmal mit heftigen Reaktionen, manchmal nicht. Der Spieler Frédéric Kanouté hat mal während eines Spiels ein T-Shirt für Gaza präsentiert. Viele Menschen in Israel waren dann ein paar Tage gegen Kanouté eingestellt. Aber schon bald war alles vergessen. Sie interessieren sich weiter für die Ligen in England und Spanien."
Fans von Beitar Jerusalem mit Pyrotechnik auf der Tribüne
Die Fanszene vo Beitar Jerusalem ist für ihre anti-arabische Haltung bekannt (Quique Kierszenbaum/imago images / ZUMA Press)
Viele Fußballer, die sich für oder gegen Israel positionieren, erhalten Hassnachrichten im Netz. Gefährlicher ist die Situation auf den Straßen in Israel, wo sich jüdische und arabische Menschen mehrfach Straßenschlachten geliefert haben. Eine beachtliche Rolle sollen dabei auch nationalistische Fans des Vereins Beitar Jerusalem gespielt haben. Die Ultras, bekannt als La Familia, lehnen arabische Spieler und Fans ab, erzählt der Journalist Felix Tamsut, der unter anderem für die Deutsche Welle berichtet:
"Viele berichten in Israel, dass La Familia viele Leute nach Bat Jam mobilisiert hatte. Wo es tatsächlich mindestens einen Lynchversuch gegeben hatte gegenüber einem palästinensischen Taxifahrer, glaube ich. Der ist sehr schwer verletzt worden."

Der Antisemitismus hat sich gewandelt

Die Eskalationen im Nahen Osten haben Konsequenzen für die Diaspora. Auch in Deutschland werden jüdische Menschen immer wieder für die Politik Israels verantwortlich gemacht. So hat sich der Antisemitismus im Sport gewandelt. Die jüdisch geprägten Vereine von Makkabi erleben inzwischen weniger Anfeindungen von Neonazis. Stattdessen werden sie mit Kommentaren und Bannern von arabischstämmigen Menschen konfrontiert, zum Beispiel: "Juden raus aus Palästina" oder "Nie wieder Israel". Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland, sagt über die aktuelle Entwicklung:
Alon Meyer, Vorsitzender von Makkabi Deutschland
Alon Meyer, Vorsitzender von Makkabi Deutschland (MAKKABI Deutschland e. V./dpa)
"Also im Prinzip ist es eine Wiederholung. Nur es ist noch aggressiver, noch größer, noch schlimmer geworden. Das kriegen wir auch mit, weil unsere Mitglieder Angst bekommen, nachfragen bezüglich der Sicherheit, teilweise sogar ihre Trainingseinheiten absagen. Wir müssen jetzt in dieser hitzigen Situation, so leid es mir tut, versuchen, dem ein Stück weit aus dem Wege zu gehen. Wir sensibilisieren sie. Das ist ein Schwimmen gegen den Strom. Manchmal klappt es besser, manchmal schlechter."
Makkabi zählt in Deutschland mehr als 5000 Mitglieder in 39 Ortsvereinen. Der Verband hat vor kurzem eine Bildungskampagne gegen Antisemitismus im Sport gestartet, mit Workshops und Online-Seminaren. Es ist gut möglich, dass die Anfrage danach bald steigen wird.