Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Fußball
Der ungesunde Kampf um die Talente

Stars lieber selber formen, als sie teuer zu kaufen. Das ist seit Jahren die Marschrichtung der Bundesligisten. Diese Talentförderung ist mittlerweile so professionell und hemmungslos, dass Vereine schon sieben- und achtjährige Kinder rekrutieren. Den Spielern wird viel abverlangt, und das, obwohl die Wenigsten es bis ganz nach oben schaffen.

Von Lovis Binder | 14.11.2018
    Kinder-Fußballtraining beim VfB Stuttgart.
    Selbst vor siebenjährigen Kindern machen die Vereine nicht Halt (Pressefoto Baumann)
    Anfang Mai dieses Jahres ist Liul Alemu noch zwölf Jahre alt. Er bestreitet eines seiner letzten Spiele für den Amateurverein Viktoria Berlin. Danach geht es zusammen mit seiner Familie ins 600 Kilometer entfernte München, um dort beim großen FC Bayern zu spielen.
    "Ich lasse alle meine Freunde hier, was schwer für mich ist, das gewohnte Gebiet, ich leb schon seit klein auf in Berlin. Mein ganzes Leben ändert sich. Aber ich bin gespannt und freue mich drauf."
    Die Besten aus der U12 oder U13 sind schon lange weg
    Solche frühen Wechsel sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Der FC Bayern und RB Leipzig haben zum Beispiel in den vergangenen Jahren über zehn 13- und 14-Jährige aus Köln, Leverkusen, Trier, Kaiserslautern, Berlin, Hannover und Salzburg zu sich geholt. Auf Nachfrage geben die meisten Profiklubs an, dass sie lokal und regional sogar schon auf siebenjährige Kinder zugehen. Das bestätigt auch Roy Matthes von Drittligist 1860 München.
    "Es reicht nicht mehr, in der U12 oder U13 in München zu schauen und dann die Besten zu holen, die kriegt man dann nicht mehr. Die spielen dann mittlerweile in Ingolstadt, in Haching oder in Augsburg."
    Fussballtraining für Jugendliche
    Der Kampf wird immer härter - also rücken auch die Jüngsten in den Fokus (imageBROKER)
    Kinder und Jugendliche, die in einem Nachwuchsleistungszentrum spielen, haben einen professionell durchstrukturierten Alltag. Sie sind oft zwischen 6 und 21 Uhr mit Schule und Training beschäftigt. Dazu Spiele und Turniere an den Wochenenden. Und das das ganze Jahr über, sagt Inga Ivert. Ihr Sohn hat bis 2014 im Nachwuchsleitungszentrum von Hannover 96 gespielt.
    Und auf einmal platzt der Traum
    "Fußball ist deren Leben. Es gibt nichts anderes. Es gibt kein Ostern oder Heiligabend oder ein Urlaub mit der Familie. Fußball, nur das ist wichtig."
    Vereine und Eltern müssen sich fragen, wie viel sie den Kindern und Jugendlichen abverlangen wollen. Denn laut ARD-Radio-Recherche Sport schafft nur ein Bruchteil den Sprung nach ganz oben. Über den Zeitraum der letzten acht Jahre haben wir die U19-Mannschaften der aktuellen Profiklubs ausgewertet. Von über 5700 Nachwuchsspielern stehen aktuell knapp 200 in einem Profi-Kader der fünf europäischen Topligen. Von den Spielern, die die U19 erreicht haben, schaffen also nur 3,5 Prozent den finalen Sprung. Alle anderen werden vorher aussortiert, so wie Nils Zander bei Schalke 04.
    "Dafür, wofür du dein Leben lang gearbeitet hast, zerplatzt auf einmal. Das ist eins der schlimmste Erlebnisse, das ich in meinem Leben erlebt habe."