Dienstag, 23. April 2024

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Fußball-EM 2024
Die umstrittene Agentur hinter der türkischen Bewerbung

Die PR-Agentur "Vero Communications" steht hinter der türkischen Bewerbung für die EM 2024. Auch Deutschland bewirbt sich um die Austragung des Turniers. Die Methoden der Agentur sind umstritten. Sogar von Rufschädigung ist die Rede. Ihr Gründer, Mike Lee, ist jetzt im Alter von 61 Jahren gestorben.

Von Friedbert Meurer | 15.09.2018
    March 28, 2018 - Ankara, Turkey - Turkey s official logo and slogan reading Share together for its candidacy to the 2024 UEFA European Football Championship, or UEFA EURO EM Europameisterschaft Fussball 2024, are seen placed in the city centre of Ankara on March 28, 2018. Turkey Runs Candidacy to UEFA Euro 2024 PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY - ZUMAn230 20180328_zaa_n230_036 Copyright: xAltanxGocherx
    Die Agentur von Mike Lee steht auch hinter der Bewerbung der Türkei für die EM 2024. (Imago)
    Als Queen Elisabeth 2012 im Londoner Olympiastadion die Sommerspiele eröffnet hat, dürfte Mike Lee auf der Ehrentribüne gesessen haben – immerhin war er der Kommunikationschef für Londons Olympiabewerbung.
    Aber Lee liebte es eher, im Hintergrund zu agieren. Manche nannten ihn deswegen einen Spin Doctor, der also einer Sache einen gewissen Dreh gibt. Das sehe er anders, meinte Lee einmal in einem seiner äußerst raren Interviews: "Sie müssen die Ärmel hochkrempeln und sich im Sport engagieren, ob sie sich als Anfänger bewerben oder aber für ein Bewerbungskomitee arbeiten. Sie müssen die Leiter hochklettern und versuchen, so gut wie möglich hineinzukommen."
    Der frühere britische 400-Meter-Hürdenläufer Alan Pascoe war Vize-Präsident des Bewerbungskomitees für London. Er bezeichnete Lee einmal als "Clint Eastwood mit Klemmbrett". Er arbeitete mit harten Bandagen, hieß das, aber auch äußerst akribisch, nach Plan und immer gut vorbereitet.
    Erzählstrang um eine Bewerbung
    Hochglanzvideos zu produzieren wie zum Beispiel für die Olympischen Spiele in Brasilien war noch eine der naheliegendsten Aufgaben. Mike Lees Philosophie war, dass man um die Bewerbung für eine Stadt oder Land oder auch Person ein Narrativ entwickeln müsse, einen Erzählstrang. Wurde dem Erzählstrang auch mit anderen Methoden nachgeholfen? Lee selbst behauptete, seine PR-Firma habe sich immer an ethische Maßstäbe gehalten.
    Die Behauptung, nur mit sauberen Mitteln zu arbeiten, wurde in Zweifel gezogen, nachdem "Vero Communications" Katar zur Fußball-WM 2022 verhalf. Mike Lee war bestens vernetzt in der Sportwelt, bekam er von Bestechung und Korruption nichts mit? Für Brasiliens Olympia-Bewerbung war Carlos Nuzman sein erster Ansprechpartner, Ex-Chef des brasilianischen Olympia-Komitees. Nuzman steht in seiner Heimat vor Gericht. Er soll die Spiele mit Bestechungsgeldern erkauft haben.
    Rufschädigung durch PR-Agenturen?
    Angeblich schwärzt "Vero" den DFB hinter den Kulissen bei der Vergabe der EM 2024 als rassistisch an – unter Verweis auf den Fall Mesut Özil. Beweise für solche Praktiken bei "Vero" gibt es nicht. Ein Team des WDR wollte beim türkischen Fußballverband nachfragen, wurde aber durch ein Schreiben der Londoner PR-Firma "Vero" abgewimmelt.
    Vielleicht verhält es sich so, dass insgesamt in der PR-Welt rund um die Bewerbungen für Sportgroßereignisse nicht gerade zimperlich gearbeitet wird. Die britisch-amerikanische Agentur "Brown Lloyd James" war auch von Katar angeheuert und soll massiv Rufschädigung gegen die Mitbewerber USA und Australien betrieben haben. Das will die "Sunday Times" von einem Whistleblower erfahren haben. Burson-Marsteller, auch eine große internationale PR-Agentur, arbeitet für den DFB. Die Agentur soll Leute dafür bezahlen, für den Ausbau des Frankfurter Flughafens oder für die Zulassung genveränderter Lebensmittel zu demonstrieren.
    England verzichtete auf den Landsmann
    Sepp Blatter war damals ein glücklicher Präsident, weil die gesamte arabische Welt lange auf eine Fußball-Weltmeisterschaft gewartet habe. Erstaunlicherweise hatte zum gleichen Zeitpunkt der englische Fußballverband FA darauf verzichtet, Mike Lee, den eigenen Landsmann, für die englische WM-Bewerbung für das Jahr 2018 zu engagieren. Der "Guardian" hielt das für eine Dummheit der FA. Lee ließ sich dann eben von Katar engagieren, das zunächst als relativ aussichtslos galt.
    "Sie müssen selbst daran glauben. Sie müssen risikobereit sein. Es ist einfacher, sich zurückzulehnen und sich nicht den schwierigen Aufgaben zu stellen. Sie müssen dann dafür sorgen, dass es klappt", so Lee.
    "Bewerbungsguru", so wurde Mike Lee oft genannt. Als ehemaliger Pressesprecher der UEFA und der britischen Olympiabewerbung 2012 verfügte er über ausgezeichnete Kontakte. In London gibt allerdings kaum jemand der Türkei eine Chance, die EM 2024 zu bekommen. Das Land sei politisch zu unsicher. Die Deutschen sollten sich, so meint ein Beobachter, keine Sorgen machen.