Archiv

Fußball in den USA
Gastspiele als Ärgernis

Der Fußballmarkt in den USA scheint an Selbstbewusstsein zu gewinnen. Was früher hoch willkommen war – dass ausländische Mannschaften in den USA gegeneinander spielten, um dem hungrigen Publikum etwas zu bieten – gilt nun als missliebige Konkurrenz.

Von Jürgen Kalwa |
Kingsley Coman (Bayern München) im Spiel gegen Manchester City beim International Champions Cup in Miami 2018
Kingsley Coman (Bayern München) im Spiel gegen Manchester City beim International Champions Cup in Miami 2018 (Mario Houben/imago)
Sommer 1966, kurz nach der WM in England, die für Fußball-Anhänger in den USA null Bedeutung gehabt hatte: Der Brasilianer Pelé mit dem FC Santos und der Portugiese Eusebio mit Benfica Lissabon sind nach New York gekommen, um ihren Ruhm zu versilbern. Tausende strömen ins Stadion. Sogar die US-Wochenschau berichtet.
"Der portugiesische Star Eusebio und Brasiliens Held Pelé, der König des Fußballs genannt wird, werden enthusisiastisch empfangen."
Es war nicht der erste, gut honorierte Abstecher von prominenten Clubs in das Fußball-Entwicklungsland USA. Aber diese Trips waren noch nie so lukrativ wie heute. Prominente Teams erhalten Antrittsprämien von 30 Millionen Euro. Und sie können nebenbei ihre Auftritte für die Vermarktung der eigenen Marke nutzen.
Also das tun, was Bayern München vor vier Jahren mit der Eröffnung einer New Yorker Dependance anvisierte. Jörg Wacker, Strategie-Experte des Clubs, sagte damals im hauseigenen Videokanal:
"Wir haben uns den Markt angeschaut. 300 Millionen Menschen leben hier. 60 Millionen Fußball-Fans, davon 15 Millionen, die stark am FC Bayern interessiert sind. Das ist einfach ein riesiges Potenzial."
"Premiumprodukt" International Cup
Was jeden Sommer an Fußball inszeniert wird, hat sportlich wenig Wert. Auch wenn die Ausrichter des sogenannten "International Cup" gerne so tut, als serviere man ein Premiumprodukt. Charlie Stillitano gab im März das Programm für den kommenden Juli bekannt – mit zwölf Teams, darunter natürlich auch Bayern München als einzigem deutscher Vertreter. Gelegenheit, um auf die Pauke zu hauen:
Stillitano: "Wir bringen ständig etwas Neues. In diesem Jahr das Madrid-Derby. Real gegen Atletico. Zum ersten Mal in einem anderen Land als Spanien."
Es gibt auch Entwicklungen abseits vom Hype. Die USA – ein Schmelztiegel mit Einwanderergruppen aus allen Teilen der Welt – sind zweite Heimat für ausländischen Teams geworden, die weit weniger Aufsehen erregen. Darunter: die Tingeltouren der Nationalmannschaft von Mexiko.
Victor Matheson erinnert sich an ein Spiel besonders. Denn er war der Schiedsrichter, als im Sommer 2007 in Lowell, einer Stadt in der Nähe von Boston, zwei Mannschaften aus Mittelamerika aufeinander trafen.
US-Verband will ein Exempel statuieren
Matheson: "Das waren nicht Bayern München oder Manchester United. Aber professionelle Teams aus der ersten Liga von Guatemala. Und so haben wir als Unparteiische dasselbe Honorar erhalten, das wir für ein Spiel zwischen FC Barcelona und Real Madrid bekommen hätten."
Im Hauptberuf ist Matheson Volkswirtschaftler und Professor an der Universität Holy Cross in Worcester. Sein Themenschwerpunkt: Sport und Kommerz. Weshalb er die Nachricht, dass Stillitanos Firma vor ein paar Tagen eine Zivilklage gegen den amerikanischen Fußballverband eingereicht hat, mit großem Interesse quittierte. Die Organisation – steuerbefreit, gemeinnützig, aber hochprofitabel – weigert sich, einer Begegnung zweier Vereinsmannschaften aus Ecuador ihren Segen zu geben. Die war ursprünglich für den kommenden Sonntag in Miami angesetzt. Es soll ein Exempel statuiert werden.
Matheson: "Der amerikanische Verband will sein Monopol schützen und gleichzeitig einen seiner Verbündeten – den Sportrechtevermarkter SUM – der davon profitiert, wenn die Konkurrenz aus dem Markt herausgehalten wird. Es ist die Frage, ob die Gerichte das akzeptieren."
Testfall spanische Liga im Ausland
Übrigens: Rund um den publikumswirksamen Sommerfußball mit berühmten Vereinen gab es solche Meinungsverschiedenheiten noch nicht. Kein Wunder. Der Verband macht dabei gutes Geld. Er kassiert eine Kommission von fünf Prozent aus dem Verkaufserlös der Eintrittskarten. Macht jedes Jahr mehrere Millionen Dollar.
Doch solche Argumente zählen nicht, wenn wie im letzten Jahr nach Attacken von Fans von River Plate gegen den Bus mit Spielern des Ortsrivalen Boca Juniors von Buenos Aires, ein Match wie das um die Copa Libertadores nach Miami verlegt werden soll. Der amerikanische Verband winkte ab. Am selben Tag stand das Finalspiel von Major League Soccer in Atlanta auf dem Programm. So landete das argentinische Derby in Madrid.
Der nächste Testfall wird der Vertrag von Stillitanos Firma mit der spanischen Liga sein, die zur Zeit auch mit Saudi-Arabien liebäugelt. In Zukunft sollen nicht nur Freundschaftsspiele in den USA ausgetragen werden.
"Mehr Konkurrenz, mehr Streit"
Hinter dieser Internationalisierung lassen sich zwei treibende Kräfte ausmachen, sagt Professor Matheson: die Nutzungsgebühren, die der digitale Vertrieb von Live-Fußball einspielt. Und ein über Ländergrenzen hinweg reichendes Interesse von Fans weltweit an Vereinstrikots und anderen Fan-Artikeln, hinter dem die Frage nach dem Austragungsort der Spiele in den Hintergrund rückt.
Wie der besagte Rechtsstreit ausgeht, weiß der Volkswirtschaftler natürlich so wenig wie jeder andere. Klar ist nur, dass ausländische Clubs und Organisationen weiter auf die amerikanischen Konsumenten setzen werden. Auch wenn ihnen dabei aus dem US-Soccer-Establishment anders als früher stärkerer Gegenwind entgegenbläst, als dankbar war für Abstecher von Vereinen aus dem Rest der Welt:
Matheson: "MLS, die Profi-Liga, sieht darin inzwischen eine starke Konkurrenz. Und deshalb gibt es mehr Streit."