Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Fußball-TV
Herausforderungen für den Sportjournalismus

Auf eigenen Videoportalen im Netz berichten Fußball-Bundesligisten wie Bayern München, Borussia Dortmund oder der FC Augsburg über ihre Mannschaften. Die Vereine kontrollieren damit die Inhalte und erschweren auch den Zugang zu Spielern. Eine schwierige Entwicklung für Journalisten.

Matthis Jungblut | 04.12.2017
    Der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München, Karl-Heinz Rummenigge, hier im September 2015.
    Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern München. (dpa-Bildfunk / AP / Andreas Gebert)
    Anfang des Jahres konnte Karl-Heinz-Rummenigge stolz einen medialen Neubeginn präsentieren: Der Chef des FC-Bayern gab den Startschuss zu FCB.TV, dem ersten linearen Vereinssender in Deutschland: Rund um die Uhr werden Interviews, Talkshows oder Analysen gezeigt. Im Internet oder im Digitalfernsehen.
    Damit steht der FC Bayern in einer Reihe mit Real Madrid oder Manchester United, die ebenfalls eigene Vereinssender betreiben. Die Idee dahinter ist klar: Die Fans sollen für 6€ im Monat rund um die Uhr versorgt werden - mit Informationen, die die Vereine selbst aussuchen. Unternehmenskommunikation heißt das in der Wirtschaft. Kritischer Journalismus ist hier unerwünscht.
    Videoportale der Vereine kein klassisches Business-Modell
    Auch der 1.FC Köln betreibt seit 2010 ein eigenes Videoportal: FC.TV. Allerdings in einem wesentlich kleineren Rahmen. Hier werden hinter einer Bezahlschranke einzelne Videoclips auf die Website hochgeladen: Pressekonferenzen, Interviews oder Spiel-Highlights. Unverzichtbar für den Club, sagt der Kommunikationschef des 1.FC Köln Tobias Kaufmann.
    "Die Erfahrung ist, was den Content betrifft, dass das ein extrem wichtiger Bestandteil unserer gesamten Kommunikation ist. Das ist ein so integraler Bestandteil der FC-Medienwelt, dass das für die Fans nicht vorstellbar wäre, so etwas nicht mehr zu haben. Dass das ein Business-Modell im klassischen Sinne ist, wo man wirklich viel Geld mit verdienen kann, das hat sich allerdings nicht bewahrheitet."
    Footage für TV-Sender?
    Für Sportjournalisten ergeben sich aus diesen Entwicklungen mehrere Probleme.
    Zum einen schotten sich die Vereine immer weiter ab: Der Zugang zu Spielern wird erschwert, kritische Interviews sollen erst gar nicht ermöglicht werden. Fans sollen lieber das eigene Produkt sehen und das Interview auf der Vereinsseite anklicken. Für die klassischen Fernsehsender sei das aber kein Problem, sagt Tobias Kaufmann vom 1.FC Köln:
    "Wir würden keine Dinge exklusiv bei FC.TV machen und das dann nicht anderen auch zu Verfügung stellen. Im Gegenteil: Wir bieten sehr, sehr viel Footage auch für TV-Sender an."
    Wenn die Sportredaktionen von diesem Angebot der Sportvereine Gebrauch machen, steht ihre journalistische Unabhängigkeit auf dem Spiel. Denn ohne einen eigenen Zugang zu den Spielern können sie kaum noch kritische Fragen stellen - etwa zum Fitnesszustand, zum Wechselwillen des Spielers oder zum Gehalt.
    Die Sportredaktionen befinden sich allgemein in einem Umbruch. Die Vereine bieten Homestories oder große Pool-Interviews an. Dazu kommt: Neben den Pressekonferenzen und den kurzen Feldinterviews nach den Spielen, gibt es immer weniger Möglichkeiten für Journalisten mit Spielern und Trainern überhaupt in Kontakt zu kommen.
    PR soll beim Sky-Sender nicht stattfinden
    Die Sender gehen unterschiedlich mit den neuen Verhältnissen um. Der Bezahlsender Sky zeigt fast alle Livespiele der Fußball-Bundesliga und berichtet in seinem Nachrichten-Kanal rund um die Uhr über Fußball. Dafür greifen sie nur auf eigenes Material zurück, versichert Chefredakteur Burkhard Weber:
    "Bei mir gibt es eine klare Ansage von mir, dass wir kein Club-TV senden, egal von welchem Verein. Auf allen Plattformen, sei es bei uns im News-Kanal, sei es im Live-Sport, sei es im Social Media Bereich oder auch bei im Internet. Wir senden nichts von dem, was die Clubs uns anbieten, wir machen das nicht. Für mich hat das nichts mit Journalismus zu tun, das ist PR, das ist okay, aber findet in unserer Sendung in der Form nicht statt."
    Beim ZDF ist man, so scheint es, weniger konsequent. Der Mainzer Sender zeigt Vereinsmaterial, allerdings mit einer Bedingung, sagt Sportchef Thomas Fuhrmann.

    Inhalte müssen klar gekennzeichnet werden
    "Bei uns gibt’s die klare Maßnahme, dass das gekennzeichnet werden muss, weil damit natürlich Politik gemacht wird. Bei Vereinen finde ich das ehrlich gesagt von einem ethischen Standpunkt her in Ordnung. Die verdienen damit Geld. Das ist ja kein Sozialverein Bayern München, sondern das ist ein Sportverein, die hunderte von Millionen Umsatz machen. Die haben ja überhaupt keinen journalistischen Anspruch. Die vermarkten ihr Bayern München, "Mia san Mia" und wie großartig sie sich fühlen."
    Sportjournalisten und Fußballvereine - das war früher eine wechselseitige Win-Win-Situation. Die einen wollten ihre Fans erreichen, die anderen mussten für ihre Zuschauer ständig neue Geschichten generieren. Mittlerweile allerdings kommen die Sportvereine sehr gut ohne die klassischen Medien aus. Mit den sozialen Netzwerken lassen sich die Fans sogar besser als mit dem Sportfernsehen erreichen:
    Der FC Bayern hat 44 Millionen Fans bei Facebook, die ARD-Sportschau verfolgen an guten Tagen rund fünf Millionen Zuschauer.
    Es scheint: Die klassischen Medien haben für die Vereine an Wert verloren.