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Fußball-WM: Nur Spiel des Tages im Free-TV

Meurer: Rudi Völler, 1986 wurde er Vizeweltmeister, 1990 dann trotz des Platzverweises im Achtelfinale Weltmeister. Damals durften ARD und ZDF noch alle Spiele zeigen, jetzt nur ein gutes Drittel, weil bekanntlich Leo Kirch die Rechte für 2002 und 2006 gekauft hatte. In Seoul begrüße ich nun Peter Jensen, den ARD-Programmchef. Guten Morgen, Herr Jensen!

    Jensen: Guten Morgen, Herr Meurer!

    Meurer: Werden Sie ein bisschen nostalgisch, wenn Sie das von 1986 und 1990 hören?

    Jensen: Wir hatten ja 1998, vor vier Jahren, auch noch alle Rechte. Die Situation in diesem Jahr ist für uns nun völlig neu. Sie ist schwierig und eine völlig neue Herausforderung für ARD und ZDF.

    Meurer: Wie werden Sie mit der Herausforderung klar kommen? Heute ist es vermutlich relativ einfach, es gibt ja nur ein Spiel, das Eröffnungsspiel, das Sie zeigen dürfen. Aber morgen wird es schon schwieriger werden.

    Jensen: Morgen ist es auch nicht schwierig, morgen spielen die Deutschen, da gibt es nur das Spiel. Die anderen beiden Spiele dürfen wir nicht zeigen. Das wissen wir seit anderthalb Jahren, darauf mussten wir uns einstellen. Wir hätten es uns einfach machen und einfach dieses eine Spiel pro Tag übertragen können, bisschen Vorlauf, bisschen Nachlauf. Aber dann hat uns natürlich doch der Programmehrgeiz gepackt, und wir haben gesagt: Irgendwie müssen wir im Umfeld dieses einen Live-Spiels pro Tag dann doch versuchen dem Zuschauer im Free-TV in Deutschland die WM so nah wie möglich zu bringen. Das tun wir mit vielen Schaltungen, mit Studios im deutschen Quartier und Ähnlichem.

    Meurer: Gibt es irgendetwas Neues gegenüber den letzten großen Turnieren, was Sie sich haben einfallen lassen?

    Jensen: Technisch gibt es nichts Neues, weil auch unsere Produktionsbedingungen hier relativ begrenzt sind. Wir können nicht schalten und walten wie wir gerne möchten. Man muss jede einzelne technische Sache kaufen, mieten, manches ist uns verwehrt. Wir bekommen das internationale Signal auch erst zehn Minuten vor Anstoß, und es wird uns fünf Minuten nach dem Abpfiff gekappt.

    Meurer: Und was bleibt Ihnen verwehrt, was Sie eben meinten, Herr Jensen?

    Jensen: Es gibt eine Stunde Vorlauf und eine halbe Stunde Nachlauf. Dieses konnten wir nicht erwerben, dieses ist Premiere, den Pay-TV-Kunden vorbehalten. Ob das so besonders wertvoll ist, muss man erst sehen. Aber weil wir eben diese engen Grenzen hatten in den Rechten, mussten wir versuchen, mit eigenen Mitteln dies ein bisschen aufzupeppen.

    Meurer: Für diejenigen, die nicht den Spielplan im Kopf haben: Morgen spielt ja außer Deutschland gegen Saudi-Arabien zum Beispiel noch Irland gegen Kamerun, die beiden anderen Mannschaften aus der Deutschland-Gruppe, und Uruguay gegen Dänemark. Stimmt es, dass Sie von diesen Partien morgen innerhalb Ihrer Sendezeit bis 18 Uhr kein einziges Tor zeigen dürfen?

    Jensen: Das ist korrekt. Wir dürfen zunächst einmal von dem ARD/ZDF-Livespiel des Tages in allen Nachrichtensendungen nach Abpfiff neunzig Sekunden zeigen. Von allen Spielen des Tages erst nach 22 Uhr 10 - für die ARD heißt das: Erst um 22 Uhr 30 in den Tagesthemen - je 90 Sekunden pro Spiel, insgesamt nicht länger als drei Minuten. Das heißt alle drei Spiele des Tages sehen Sie erst im Heute-Journal beim ZDF oder in den Tagesthemen der ARD.

    Meurer: Also, Tagesschau nur das Spiel des Tages, das heißt wir haben Samstag auch in der Tagesschau nichts über Irland gegen Kamerun.

    Jensen: Nein, können Sie nicht sehen.

    Meurer: Rechnen Sie mit Protesten der Zuschauer?

    Jensen: Ich glaube, mittlerweile haben die Printmedien ja den deutschen Fußballfans die Augen geöffnet, was sie alles nicht sehen können. Es ist ja nicht unsere Schuld, wir bedauern das sehr, dass die Situation so ist, aber wir können sie nicht ändern. Wir hätten gerne mehr gehabt.

    Meurer: Halten Sie es für möglich, dass es zum absoluten GAU kommen könnte so wie bei der Auslosung am 1. Dezember, als in letzter Sekunde per einstweiliger Verfügung noch nicht einmal die Gruppenauslosung übertragen werden durfte wegen des Streits um die digitalen Senderechte?

    Jensen: Die Situation ist meines Wissens nach noch nicht hundertprozentig geklärt. Es gibt heute noch Verhandlungen zwischen ARD, ZDF und Kirch wie wir mit den digitalen Kunden umgehen. Sie wissen, es hat technische Entwicklungen gegeben, die es möglich machen, dass die Pay-TV-Empfänger in Spanien, in Polen, in Norwegen nicht ohne dieses Gerät sehen können. Aber es ist noch nicht klar wie die Sache ausgeht. Es würde mir natürlich leid tun für diese eine Million Digitalkunden, die man schätzt, die dann das Spiel nicht sehen könnten. Wenn es so kommt, darf es aber unserer Arbeit hier vor Ort nicht beeinflussen. Free-TV ist gesichert.

    Meurer: Sie schließen also aus, dass auch bei den analogen Empfängern überall die Lichter ausgehen am Samstag?

    Jensen: Das passiert nicht.

    Meurer: Wie ist die Stimmung in Ihrem Team unter den ARD-Kollegen?

    Jensen: Sie ist sehr gut. Wir sind alle sehr optimistisch. Technisch hat bisher alles geklappt. Wir haben ja schon einige Sendungen aus den verschiedenen Orten gemacht, eben sogar live sogar zum Hotel der deutschen Mannschaft geschaltet. Auch das hat alles geklappt. Wir waren im Stadion eben, haben live moderiert aus dem World-Cup-Stadion in Seoul. Alle Leitungen stehen, alles klappt. Wir hoffen natürlich, dass die deutsche Mannschaft relativ weit kommt im Turnier, denn davon ist ja auch der Programmerfolg abhängig.

    Meurer: Wo Sie gerade das Hotel der deutschen Mannschaft ansprechen. Da sieht man im Fernsehen immer, dass es mit einer Plane abgehängt ist, damit die Spieler nicht belästigt werden. Wie finden Sie diese Maßnahme, die offenbar auch von Rudi Völler und dem DFB ergriffen wurde?

    Jensen: Ich habe zumindest ein gewisses Verständnis für den DFB, denn wenn Sie sehen, wie von Mal zu Mal das Medienaufkommen größer wird, müssen sich glaube ich die Mannschaften irgendwie ein bisschen abschotten, um ein bisschen Ruhe am Tag zu haben. Es gibt da Regeln, wie häufig sie wann wem zur Verfügung stehen am Tag. Das klappt ganz gut, aber irgendwo habe ich Verständnis. Da müssen die Spieler auch mal zur Ruhe kommen.

    Meurer: Bei uns ist es jetzt 8 Uhr 18, bei Ihnen 15 Uhr 18, sieben Stunden Zeitunterschied. Ist das ein Problem?

    Jensen: Nein, kein Problem.

    Meurer: Für die Arbeitszeiten Ihrer Kollegen?

    Jensen: Nein, das ist eine reine Umstellungssache. Wir fangen morgens ein bisschen später an, bleiben dann bis nachts um zwei oder drei hier. Aber das kennen wir von anderen Großereignissen, Olympische Spiele in Sydney oder Fußball-WM in Amerika auf der anderen Seite der Welt. Das ist praktisch Routine.

    Meurer: Eine kleine Prognose, Herr Jensen: Mit welchen Ergebnissen rechnen Sie in den nächsten Tagen und Wochen. Wie weit wird die deutsche Mannschaft kommen?

    Jensen: Sie wird mit ziemlicher Sicherheit die Vorrunde überstehen. Wichtig ist, dass sie Gruppenerster wird, um nicht im Achtelfinale auf Spanien zu treffen. Sie müsste ins Viertelfinale kommen, und wenn es ganz gut läuft, vielleicht noch ein bisschen weiter.

    Meurer: Das war Peter Jensen, der ARD-Programmchef, in Seoul, wenige Stunden vor Beginn der Eröffnungsfeier der 17. Fußball-Weltmeisterschaft. Herr Jensen, Ihnen und Ihrem Team alles Gute. Auf Wiederhören!

    Jensen: Ich bedanke mich. Auf Wiederhören!