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Fußballweltmeisterschaft
"Spiegel" erhebt Vorwurf der Geldwäsche gegen DFB

Es gäbe zwar keinen finalen Beweis, dass bei der Stimmvergabe für die WM in Deutschland 2006 Bestechungsgelder geflossen seien, sagte Jörg Schmitt vom "Spiegel" im DLF. Doch gäbe es eine Indizienkette. Aufgrund der Recherchen könnten die Justizbehörden in der Schweiz mit dem Verdacht der Geldwäsche gegen den DFB tätig werden, so der Wirtschaftsredakteur. "In Deutschland ist das Thema verjährt."

Jörg Schmitt im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 17.10.2015
    Fans schwenken 2006 im Stadion in Stuttgart deutsche Fahnen
    War das "Sommermärchen" gekauft? (picture alliance / dpa / Tony Marshall)
    Jürgen Zurheide: "Im Schatten des Verdachts" überschreiben die Kollegen von dpa heute Morgen eine der Meldungen, und natürlich geht es um die Fußballweltmeisterschaft und den Verdacht, der im Raum steht, der übrigens ja schon längere Zeit im Raum steht: Ist Schiebung im Spiel gewesen, ja oder nein? Eigentlich wäre es fast ungewöhnlich, wenn keine Schiebung im Spiel gewesen wäre! Und wir haben gestern dann eine ganz interessante Situation gehabt. Wir wussten natürlich, dass die "Spiegel"-Kollegen recherchieren und etwas machen, aber es war noch nicht auf dem offiziellen Markt. Und zu diesem Zeitpunkt kam eine Pressemitteilung des Deutschen Fußballverbandes, die in der Kurzfassung lautete: Ja, 6,7 Millionen haben wir gezahlt an die FIFA, wir wissen aber nicht so ganz genau, wofür, aber es war keine Bestechung! Das war die Kurzfassung. Das etwas Längere wollen wir jetzt reden mit einem der Autoren, mit dem Kollegen Jörg Schmitt vom "Spiegel", den ich jetzt zunächst einmal begrüße. Guten Morgen, Herr Schmitt!
    Jörg Schmitt: Guten Morgen!
    Zurheide: Herr Schmitt, also, wofür waren denn aus Ihrer Sicht die 6,7 Millionen, die der DFB ja nicht bestreitet, gezahlt zu haben?
    Schmitt: Na ja, wir können da natürlich auch nur eine Indizienkette aufbauen, wir haben nicht den finalen Beweis. Aber das Darlehen von Dreyfus kam kurz vor der Vergabe der WM. Damals war der Stand klar, Beckenbauer und Radmann waren durch die Welt gereist, aber sie haben keine Stimmen sammeln können. Sie hatten nur die Europäer in der Tasche, die brauchten dringend mindestens vier Stimmen, am besten fünf Stimmen, und das waren die Asiaten, die letztlich eigentlich im Block für sie gestimmt haben. Es gab eine enge Verbindung zu bin Hammam, das ist der Katari, der im Exko saß, der Radmann und Beckenbauer lange kennt, dem Radmann und Beckenbauer wiederum geholfen haben dabei, die WM nach Katar zu bringen letztlich, bin Hammam hat im Jahr 2009 die beiden befragt oder hat sie darauf hingewiesen in einer Mail, "I saved the votes for Germany", jetzt helft mir bitte auch. Ich glaube, da gibt es eine ganze Menge Indizien, und ich glaube, da gibt es in der nächsten Woche noch eine ganze Menge aufzuklären.
    "Die handschriftlichen Vermerke darauf sind verräterisch"
    Zurheide: Es gibt Indizien, aber Sie haben ja - so steht es zumindest in der aktuellen Titelgeschichte Ihres "Spiegels" heute -, Sie haben ja gesehen mindestens ein Fax, wo Herr Niersbach Bemerkungen gemacht hat. Denn diese 6,7 Millionen - ich glaube, wir müssen erklären, die sind von dem Adidas-Chef offensichtlich geflossen, das sagen Sie -, diese 6,7 Millionen wollte der irgendwann mal wieder zurückhaben und dann hatte der DFB eine Schwierigkeit quasi, Geld zurückzahlen zu müssen, was er offiziell ja nie bekommen hatte, und dann ging es über die FIFA. Und da gibt es ein Fax, das Sie oder einer Ihrer Kollegen gesehen hat?
    Schmitt: Ja. Dieses Fax ist vom November 2004, es ist offensichtlich verfasst worden von Herrn Radmann, damals beim OK zuständig für den Bereich Kultur. Der DFB stand Ende 2004 vor der Problematik, dass plötzlich Herr Dreyfus das Geld zurückwollte, es gab eine kleine DFB-Delegation, die zu Herrn Dreyfus hingefahren ist, Herr Dreyfus hat aber gesagt, nein, ich will das Geld auf jeden Fall zurück. Und jetzt musste man sehen, wie man das sozusagen aus dem offiziellen Haushalt des DFB wieder zurücküberweisen konnte. Und da hat offensichtlich Herr Radmann im OK und der engste Buddy von Franz Beckenbauer einen Weg gefunden, nämlich als angebliche Rückzahlung Darlehen für das FIFA-Kulturprogramm. An dieses Papier drangeheftet ist allerdings ein zweiter Beleg, nämlich wie die Gelder in Wahrheit laufen sollten, nämlich erst auf die FIFA - Klammer auf: auf ein Konto, was nicht zum offiziellen FIFA-Kontenbereich gehörte -, und von dort weiter auf ein Konto von Herrn Dreyfus bei der BNP Paribas in Zürich. Die handschriftlichen Vermerke darauf sind verräterisch, nämlich sie belegen, wo das Geld wirklich hingehen sollte, nämlich nicht zurück zum Kulturprogramm. Der Wolfgang Niersbach hat dort hingeschrieben: Honorar für RLD, Robert Louis-Dreyfus, und der ehemalige Finanzchef Horst R. Schmitt hat gesagt, dann aber bitte Schuldschein zurück. Das heißt, der Schuldschein, den damals - so ist uns erzählt worden und so wird es uns auch belegt - Franz Beckenbauer unterschrieben haben soll.
    "Das wäre Geldwäsche gewesen"
    Zurheide: Das heißt aber, in dem Fall wäre die FIFA wieder einmal so eine Art Geldwaschanlage gewesen. Nicht zum ersten Mal wäre das dann, denn auch mit Südafrika sind ja so ähnliche Dinge schon passiert, oder?
    Schmitt: Das wäre sogar für den DFB nahezu tödlich. Sie sagen es genau richtig, das wäre Geldwäsche gewesen. Geldwäsche verjährt allerdings nicht so schnell in der Schweiz, von daher ist die Frage, ob in der nächsten Zeit nicht die Schweizer Behörden sich dieses Falls annehmen und da Ermittlungen einleiten, und dann wird es für einige Herren im DFB echt problematisch.
    "Er dementiert, dass er eine schwarze Kasse beim DFB gehabt habe"
    Zurheide: Das wäre jetzt genau meine nächste Frage gewesen, der DFB dementiert das ja übrigens alles ganz heftig, das wollen wir jetzt auch hinzufügen, sogar vehement hat man da ...
    Schmitt: Oh, Sie gucken, was er dementiert! Er dementiert, dass er eine schwarze Kasse beim DFB gehabt habe. Aber von einer schwarzen Kasse beim DFB haben wir nie gesprochen, die schwarze Kasse war, wenn beim OK! Also, Sie sehen ja gerade, dass der DFB auf dem Rückzug ist. Diese Pressemitteilung, die Sie eingeleitet haben, haben sie uns geschickt auch gestern Morgen, wir hatten sie am Mittwoch konfrontiert mit 24-Stunden-Frist mit elf sehr detaillierten Fragen, die haben sie angeblich nicht beantworten können, weil die Zeit nicht fehlte (*), und dann schicken sie gestern eine Meldung raus, in der sie erklären, sie wären seit Sommer dabei, diesen Fall aufzuklären. Das kann ja irgendwie nicht so richtig zusammenpassen!
    Zurheide: Welche Rolle spielt der ehemalige DFB-Präsident Zwanziger dabei?
    Schmitt: Der spielt die Rolle, dass er damals auch bei diesem Treffen mit Herrn Dreyfus dabei war, als man versucht hat, die Gelder sozusagen wieder ... oder dieses Darlehen doch nicht zurückzahlen zu müssen, da war er mit dabei.
    Zurheide: Er hat aber das nicht veranlasst, sondern das ist über das Organisationskomitee gelaufen, das müssen wir noch mal vielleicht auseinanderhalten.
    Schmitt: Herr Zwanziger war damals noch gar nicht sozusagen da in Diensten. Die Frage ist, welche Rolle er gespielt hat bei der Rückführung der Gelder.
    "In Deutschland ist das Thema verjährt"
    Zurheide: Was erwarten Sie von der Justiz? Das wird ja der nächste Schritt sein, Sie haben es gerade schon angedeutet.
    Schmitt: Na ja, sagen wir so, in Deutschland ist das Thema verjährt. Das wäre eigentlich ein klassischer Fall von Untreue, für den sich normalerweise die Staatsanwaltschaft in Deutschland interessieren müsste. In der Schweiz sieht es ganz anders aus, im Zuge der FIFA-Ermittlungen wird da sicherlich tiefer geschürft. Und die FIFA selber hat nun auch schon angekündigt, eine Untersuchung über diese Vorfälle in Gang zu setzen.
    Zurheide: Das alles müssen wir allerdings auch in den Zusammenhang setzen der aktuellen Nachfolge von Blatter. Also, jeder macht offensichtlich im Moment die Schubladen auf, ist da die Beobachtung richtig?
    Schmitt: Ja, das kann man schon so sehen. Wir sind an der Geschichte seit dreizehn Jahren dran, vor zwei Jahren hatten wir die ersten Hinweise auf diesen Fall, aber erst in den letzten Monaten, im Zuge der langsamen Auflösung der FIFA wurde der Fall für uns konkreter.
    Zurheide: Ich bedanke mich beim Kollegen Jörg Schmitt, das wird nicht das letzte Mal sein, dass wir zu diesem Thema wahrscheinlich miteinander gesprochen haben. Ihnen wünschen wir alles Gute bei weiteren Recherchen! Danke schön, auf Wiederhören!
    Schmitt: Okay, vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    (*) Jörg Schmitt meint hier in diesem Zusammenhang wohl: "weil die Zeit fehlte" (Anmerkung der Redaktion)