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G-8-Gipfel beschließt weitere Hilfen für Afrika im Rahmen des NEPAD-Konzepts

    Spengler: Der G-8-Gipfel der führenden Industrienationen, der heute im französischen Evian zu Ende geht, hat weitere Hilfen für Afrika beschlossen - unter anderem für den Kampf gegen AIDS. Außerdem will man den Staaten Afrikas helfen, bis zum Jahr 2010 eine eigene Friedenstruppe aufzubauen, um die zahlreichen Konflikte auf dem "Schwarzen Kontinent" einzudämmen. Das alles sind Zusagen im Rahmen des sogenannten Afrika–Aktionsplans der G-8, eine Art Marshall–Plan im Rahmen der sogenannten "Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung" – abgekürzt NEPAD. Neu an dem NEPAD-Konzept ist: es wurde von den afrikanischen Staaten selbst entwickelt. Inzwischen 15 Staaten verpflichten sich darin, unter anderem zu Demokratie, Menschenrechten und guter Regierungsführung. Am Telefon in Genf begrüße ich Klaus Töpfer, den Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Guten Morgen Herr Töpfer!

    Töpfer: Einen schönen guten Morgen Herr Spengler.

    Spengler: Herr Töpfer, ehe wir die Beschlüsse der G-8 beleuchten, wie passt das NEPAD-Konzept zu den Meldungen, die wir zur Zeit vor allem aus Afrika hören: Massaker im Kongo, Verhaftungen in Simbabwe, jetzt Steinigungsurteile?

    Töpfer: Ja gerade deswegen, weil solche schwierigen Entwicklungen Afrika weiterhin kennzeichnen, ist es schon notwendig, dass wir zu einem neuen Konzept, zu einer neuen Zusammenarbeit mit diesem so wichtigen Kontinent kommen. Dabei darf man ja auch nicht vergessen, dass wenn Sie den Kongo zum Beispiel sehen viele dieser dramatischen Entwicklungen dort auch ausgelöst sind durch die vielen Rohstoffe, die dieses Land hat, durch die Interessen, die von außen hineingespielt werden. Ich glaube also es ist wichtig, dass aus Afrika heraus dieses Konzept entwickelt wurde und dass es jetzt von den G8 und von anderen aufgenommen wird.

    Spengler: Um einen Moment bei dem von Ihnen angesprochenen Kongo zu bleiben. Da sollen nun 1400 UNO-Soldaten unter der Leitung Frankreichs ab nächster Woche hin. Sind das nicht wieder zu wenig - Kofi Annan hat schon mehr gefordert - und dauert das nicht wieder alles zu lange?

    Töpfer: Sicherlich sind diese Entscheidungsprozesse im internationalen Bereich sehr schwierig. Sie dauern lange. Es ist deswegen ja so wichtig, was die G-8 jetzt auf den Weg gebracht hat, dass dieser Kontinent selbst seine friedliche Entwicklung stärker in die Hand nimmt, damit nicht immer breite Entscheidungsprozesse notwendig werden. Ob das hinreichend ist oder nicht, das wird sich sicher erweisen. Ich sage noch einmal: bei uns in Nairobi ist eine Gruppe vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dafür bestimmt, diese Konflikte etwa über Rohstoffe in diesem Land aufzuarbeiten und deutlich zu machen, dass dieses eben auch eine Verpflichtung der Entwicklungsländer ist, solche mit Bürgerkrieg und anderen Problem gewonnenen Vorteile wirtschaftlicher Art nicht mehr zu nutzen.

    Spengler: Hinter diesen Massakern der mordenden Banden stecken Rohstoffinteressen. Da stecken auch direkt Staaten wie Uganda und Ruanda hinter, die jeweils die verschiedenen Seiten mit Waffen und mit Geld ausrüsten. Würde es aus Ihrer Sicht etwas bringen, wenn man die Entwicklungshilfe an beide Staaten einstellt? Das ist ja so ein Prinzip, das bei dem NEPAD-Konzept eigentlich vorgesehen ist.

    Töpfer: Ich glaube es ist ganz, ganz wichtig, dass man das immer wieder unterstreicht. NEPAD sagt ja an erster Stelle, es muss "good governance" - ein gutes Regierungshandeln gewährleistet werden. Es muss der Kampf gegen Korruption erfolgreich betrieben werden. Das Beispiel in Kenia ist dafür - glaube ich - jetzt sehr, sehr günstig. Wir haben eine neue demokratisch gewählte Regierung, die alles daran setzt, dieses "good governance"zu gewährleisten und damit auch zurecht das Vertrauen der Geberstaaten zu bekommen, zurecht von uns und von vielen anderen unterstützt zu werden, um das, was über viele, viele Jahre falsch gelaufen ist, wo viele, viele Interessen mitgewirkt haben und gerade diese Seuche der Korruption nicht eingedämmt werden konnte, wirklich zu beseitigen und diesen Kontinent und den Menschen dort eine Zukunft zu geben.

    Spengler: Um konkret noch einmal bei Uganda und Ruanda zu bleiben. Ein Stopp der Entwicklungshilfe, das fänden Sie richtig?

    Töpfer: Ich weiß nicht, wie die aktuelle Situation sich darstellt. Ich glaube, das ist sehr, sehr differenziert zu betrachten. Uganda hat eine insgesamt außerordentlich gute Entwicklung in den letzten Jahren hinter sich gebracht. Es ist in besonderer Weise als Beleg für eine vernünftiges Regierungshandeln angesehen worden. Deswegen sollte man sich das sehr, sehr genau ansehen. Eine solche Entscheidung kann ganz sicherlich nicht von mir befürwortet oder abgelehnt, sondern nur unterstrichen werden, dass alles drangesetzt werden muss, dass auch Entwicklungshilfe an ein gutes Regierungshandeln gebunden werden muss.

    Spengler: Das ist nicht eine Form des Neokolonialismus, wie manche Kritiker sagen?

    Töpfer: Nein, ich glaube ganz sicherlich nicht. Es ist ja nicht eine Kondition, die gerade den Gebern in hohem Maße zugute kommt. Man muss auch bei der Frage des "good governance" natürlich immer und immer wieder unterstreichen, dass wir mit einem Verhalten auftreten, das nicht als Neokolonialismus interpretiert und verstanden werden kann. Auch dort sind ja viele, viele Belege gerade so, dass man Sorgen haben muss, ob nicht das Gegenteil von dem erreicht wird, was man erreichen wollte. Fangen Sie nur bei der Tatsache an, dass wir nach wie vor einen ganz erheblichen "brain drain" haben, also ein Abwandern der Eliten aus diesen Ländern haben, dass wir junge Menschen in den Industrieländern ausbilden, die dann nicht zurückkommen. Wir brauchen sie dringlich in diesen Ländern. Also es ist ein sehr komplexer Entwicklungsprozess und wir, die wir in Afrika unseren Standort haben, sind daran interessiert, mit Fingerspitzengefühl und mit sehr, sehr viel Bereitschaft zum Dialog diese Fragen aufzuarbeiten.

    Spengler: Können denn die Staaten Afrikas zufrieden mit dem sein, was die Reichen der Welt in Genf beschlossen haben?

    Töpfer: Ich glaube die Zufriedenheit stellt sich erst ein, wenn das was beschlossen wird auch umgesetzt wird. Es ist dringlich notwendig, dass wir allen Menschen in den Entwicklungsländern sagen, Investitionen auch mit Entwicklungsmaßnahmen in Afrika sind Investitionen in unsere eigene Zukunft. Dieser Kontinent ist ein junger Kontinent, ein Kontinent, der auch entscheidend dafür sein wird, ob die Welt insgesamt in Frieden leben kann. Deswegen muss die Umsetzung jetzt erfolgen, muss daran gearbeitet werden, dass die Wasserversorgung zentral verbessert wird und damit einige der großen Ausgangspunkte für die Krankheiten dieses Kontinents beseitigt werden. Es ist ja nicht nur Aids, so dramatisch diese Seuche auch ist; es ist die Tuberkulose, es ist Malaria, das wiederum durch die Veränderung der Klimasituationen und durch die anderen hygienischen Verhältnisse ein großes Problem ist. Alles das zusammen genommen muss man als Frage der Zufriedenheit mit einbeziehen. Ich hoffe sehr, dass nun auch die Öffnung der Märkte ein Stück vorankommt, dass diese Notwendigkeit der Selbsthilfe über wirtschaftliche Einbindung der Weltmärkte möglich wird. Es ist also eine sehr komplexe Frage, die Sie stellen, ob man zufrieden sein kann. Entscheidend für die Zufriedenheit noch einmal ist die Umsetzung der jetzt gefassten Beschlüsse.

    Spengler: Ich bedanke mich bei Ihnen. - Das war Klaus Töpfer, der Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen.

    Link: Interview als RealAudio