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Gabriel gegen hessische Vorschläge der Strompreisregulierung

Vor dem Engergie-Gipfel hat sich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel kritisch über den Vorschlag Hessens geäußert, die Strompreise durch das Kartellrecht zu regulieren. Würde nur das deutsche Kartellrecht geändert, bestünde die Gefahr, dass die Unternehmen in Nachbarländern investierten, sagte Gabriel. Solche Vorschläge seien am Ende nur schlagkräftig, wenn es in der Europäischen Union insgesamt eine Debatte über das Thema gebe. Die Anzeichen dafür stünden derzeit gut. Zugleich kritisierte der Minister, dass Deutschland seit 25 Jahren den Fehler mache, zu glauben, das Wohl und Wehe der Energiepolitik hänge allein von der Atompolitik ab.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Herr Gabriel, die Zukunft der Atomenergie, die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Koalition sollen heute zumindest offiziell noch kein Thema sein. Halten Sie sich an die Regieanweisungen?

    Sigmar Gabriel: Das hängt weniger von mir ab, da müssten Sie wen anders fragen, nämlich diejenigen, die unbedingt wollen, dass wir immer nur über Kernenergie diskutieren, was nicht nur langweilig ist, sondern uns auch nicht viel weiter bringt.

    Klein: Wo man verschiedener Meinung ist, da lasst uns nicht drüber reden, eigentlich sollte man meinen, dass das genau umgekehrt nötig ist.

    Gabriel: Nein, so ist der Energiegipfel ja nicht organisiert, sondern wir haben einen Energiegipfel gehabt, da haben wir über alles geredet, auch über Kernenergie, und dann haben wir gesagt, es macht keinen Sinn, dass wir sozusagen immer alles zusammen diskutieren, sondern uns aufgeteilt in verschiedene Bereiche, die wir vorbereiten und dann nacheinander abarbeiten, und heute ist internationale Energiepolitik drauf, dann das Thema Energieeffizienz, das Thema, von dem jedenfalls die EU glaubt, dass wir 80 Prozent der Energieprobleme der kommenden Jahre über mehr Effizienz lösen müssen und nicht über andere Debatten, und beim nächsten Mal - es wird ja Folgetreffen geben - wird es zur nationalen Stromversorgung kommen, und da wird natürlich auch das Thema Kernenergie von den Betreibern und vermutlich auch von Teilen der Union wieder auf die Tagesordnung gesetzt, das ist ja nicht sozusagen abgesetzt, nur für diese Sitzung haben wir uns auf andere Themen konzentriert.

    Klein: Aber klar ist ja auch, Herr Gabriel, dass es ein Grund dafür ist, dass die Arbeitsgruppe, eine der Arbeitsgruppen, die im April eingesetzt wurden, beim Thema Zukunft der Atomenergie sich nicht einigen konnte, weil einfach zu kontrovers darüber gestritten wurde und man es deswegen ausgeklammert hat.

    Gabriel: Ja, ich habe ja die Arbeitsgruppe mitgeleitet, da gibt es eine Bemerkung drin, dass wir uns in dieser Frage uneinig sind. Das ist in der Tat so, übrigens der Energiegipfel dient auch nicht zur Neuverhandlung der Koalitionsvereinbarung, sondern der Energiegipfel dient zu der Frage: Was müssen wir tun, um die Versorgungssicherheit, bezahlbare Energie und Klimaschutz zu erreichen? Und da ist jedenfalls nach unserer Auffassung die Kernenergie deshalb keine Alternative, weil Sie dann wählen müssten zwischen den Gefahren der CO2-Klimabedrohung und denen der Radioaktivität, und ehrlich gesagt halte ich das für eine Wahl zwischen Pest und Cholera, und da gibt es intelligentere Wege rauszukommen. Die Deutschen, die Deutsche Debatte macht seit 25 Jahren den Fehler, dass wir uns wie das Kaninchen vor die Schlange der Atomenergie setzen und glauben, daran hinge das Wohl und Wehe der Energiepolitik, statt uns mal um die 80 Prozent der Fragen zu kümmern, die wesentlich wichtiger sind.

    Klein: Kommen wir auch gleich drauf. Dennoch: Das Thema ist auf der Tagesordnung unter anderem auch deswegen, weil RWE den Antrag auf Laufzeitverlängerung für Biblis A gestellt hat, ein weiterer Stromkonzern wird folgen, Ihrem Ministerium liegt dieser Antrag vor. Haben Sie schon geprüft?

    Gabriel: Wir haben gesagt, die Prüfung wird mindestens sechs Monate dauern, weil dazu unter anderem eine Sicherheitsanalyse von Biblis A gehört, und das muss man erst mal in Ruhe abarbeiten.

    Klein: Abarbeiten, sagen Sie. Andrerseits hört man auch, Sie sind sich eigentlich relativ sicher, dass Sie ablehnen werden. Was muss denn überhaupt noch geprüft werden?

    Gabriel: Also Sie können zu bestimmten Dingen eine politische Meinung haben, nämlich dass es nicht sehr einleuchtend ist, warum man eigentlich junge Kernkraftwerke, die sicherheitsoptimiert sind, früher abschalten soll und ältere dafür laufen lassen soll, insbesondere Biblis A laufen lassen soll. Darüber muss man nachdenken, was einem der gesunde Menschenverstand sagt. Aber wir haben jetzt zu prüfen, was ist die Rechtslage und welche Kriterien werden dafür angelegt, und im Übrigen hat das Unternehmen auch einen Antrag gestellt, der im Gesetz überhaupt nicht vorgesehen ist, und deswegen muss man sich das schon ein bisschen näher angucken.

    Klein: Ein Thema heute, Herr Gabriel, wird auch sein, wie die derzeitige Machtkonzentration der vor allen Dingen vier großen Energiekonzerne beschränkt werden kann. Da gibt es einige Vorschläge inzwischen, und man fragt sich, was davon eigentlich wirklich praktikabel ist und was Sie jetzt wie umzusetzen gedenken. Also etwa aus Hessen, jenem Bundesland, das sich einerseits vehement für einen längeren Betrieb der AKWs ausspricht, kommt ja zugleich der Vorschlag, das Kartellrecht so zu ändern, dass der Staat die Energiekonzerne zum Beispiel dazu zwingen kann, zum Beispiel Kraftwerke zu verkaufen. Ist das so einfach umzusetzen?

    Gabriel: Das sind zum Beispiel zwei Forderungen, die sich schlicht und ergreifend widersprechen, weil Sie mit der längeren Laufzeit der Kernkraftwerke den Unternehmen Extragewinne verschaffen werden, die sie natürlich dazu nutzen, erstens keine neuen Kraftwerke zu bauen, sondern dieses Geld eher zu investieren in den weiteren Aufkauf anderer Unternehmen.

    Klein: Aber das Kartellrecht kann man trotzdem ändern.

    Gabriel: Das Kartellrecht kann man ändern, das kann auch ein sinnvoller Weg sein. Nur: Sie müssen halt sehen, das Kartellrecht prüft etwas, nachdem ein Preis festgesetzt worden ist, und wenn wir das machen, ist es erstens relativ aufwändig, aber das Zweite ist: Wenn das deutsche Kartellrecht das alleine tut, was wird denn dann ein Unternehmen tun? Dann investiert es schlicht und ergreifend nicht mehr in Deutschland, sondern im Nachbarland in Europa, und deswegen solche Vorschläge, so gut sie sein mögen, werden sich am Ende nur als wirklich schlagkräftig erweisen, wenn es in der Europäischen Union insgesamt eine Debatte gibt, die zu solchen Entscheidungen führt, und dafür gibt es ja gute Anzeichen. Der Kommissionspräsident Barroso vertritt diese Auffassung, Herr Piebalgs, der Energiekommissar, vertritt eine solche Auffassung. Insofern kann man schon erreichen, dass in der Europäischen Union insgesamt da stärker rangegangen wird. Aber wenn Sie es nur alleine national machen, haben Sie ein schickes Kartellrecht, aber möglicherweise keine Unternehmen mehr, die Sie prüfen können.

    Klein: Das heißt, diese Idee finden Sie vielleicht theoretisch gut, aber die muss man jetzt nicht unbedingt weiter verfolgen, solange nicht auf europäischer Ebene der Wille da ist, das auch in europäisches Recht einzugießen?

    Gabriel: Nein, nein, die ultima Ratio, so wie der hessische Ministerpräsident das gesagt hat, bedeutet ja, dass Sie vorher Dinge machen können und machen müssen, und dazu gehört, dass die Bundesnetzagentur dafür sorgen muss, dass es einen diskriminierungsfreien Zugang gibt neuer Kraftwerke zum Netz, dass also nicht das passieren darf, was gelegentlich passiert, dass die Übertragungsnetzbetreiber, das sind auch die vier großen Stromer, verhindern, dass jemand neu anbietet auf dem Markt, weil sie sich gar keinen Wettbewerb wünschen, und sie müssen natürlich die Preise kontrollieren, und das tut die Regulierungsbehörde auch, und jetzt müssen wir die natürlich auch mal arbeiten lassen, und wenn das nicht funktioniert, bin ich fest davon überzeugt, werden wir den anderen Weg gehen müssen und werden dabei auch Erfolg haben.

    Klein: Also Sie wollen das erstmal abwarten und im Grunde genommen noch gar nichts auf den Weg bringen?

    Gabriel: Ich weiß nicht, warum Sie versuchen wollen, mir das Wort "Abwarten" in den Mund zu legen. Gesagt habe ich das nicht, gemeint habe ich das nicht, und wir tun das nicht.

    Klein: Sie wollen die Netzagentur arbeiten lassen, haben Sie gesagt.

    Gabriel: Dazu muss man die rechtlich in Gang setzen, das haben wir getan, und man muss eine so genannte Anreizregulierung per Verordnung erlassen, erst dann kann die Bundesnetzagentur das. Dafür ist der Bundeswirtschaftsminister zuständig, und das wird er auch tun.

    Klein: Und so lange wird die Bundesregierung in Sachen neuer rechtlicher Bestimmungen, zum Beispiel Kartellrecht, nicht aktiv werden?

    Gabriel: Der Bundeswirtschaftsminister hat dazu einen Vorschlag gemacht, den wird er mit Sicherheit auch ins Kabinett und in die Beratung des Parlaments einbringen, aber Sie scheinen offensichtlich unbedingt den Eindruck erzeugen zu wollen, als würden wir nichts tun.

    Klein: Das war Bundesumweltminister Gabriel, SPD. Danke Ihnen für das Gespräch.

    Gabriel: Ja, Wiederhören.