Christiane Kaess: Seit mehr als einer Woche tagen die Teilnehmer der UN-Klimakonferenz auf Bali. Verständigt haben sie sich bereits auf einen Anpassungsfonds, der Entwicklungsländer bei der Bewältigung der Folgen der Erderwärmung unterstützen soll. Experten halten das angepeilte Volumen von 300 bis 500 Millionen US-Dollar bis zum Jahr 2012 allerdings für viel zu gering.
Ab heute geht die Konferenz in die entscheidende Phase. Die Probleme, die noch ungeklärt sind, sollen jetzt die angereisten Umweltminister lösen. Zentrale Streitfrage: Sollen im Abschlussdokument bereits konkrete Zahlen als Reduktionsziel für den CO2-Ausstoß enthalten sein oder nicht. Die Europäische Union plädierte schon zu Beginn der Konferenz dafür, bereits auf Bali ein festes Ziel vorzugeben.
Vor der Sendung haben wir Bundesumweltminister Sigmar Gabriel auf Bali erreicht. Ich habe ihn zuerst gefragt, ob die EU an ihrem Vorschlag festhalten solle.
Sigmar Gabriel: Ja, auf jeden Fall. Es macht ja keinen Sinn zu sagen wir verhandeln, ohne zu sagen worüber eigentlich. Und die Wissenschaftsergebnisse sind ja eindeutig. Wir müssen eben, um das Klima einigermaßen stabil zu halten, bis zur Mitte des Jahrhunderts die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen reduzieren. Und um das zu schaffen, müssen die Industrienationen bis 2020 etwa 30 Prozent reduzieren. Wir können ja jetzt nicht so tun, als gäbe es keine Wissenschaftsergebnisse, und ehrlich gesagt kann ich mir auch nur schwer vorstellen, über was man eigentlich verhandeln soll, wenn nicht über die Frage, wer muss was machen, um dieses Ziel zu erreichen. Dazu muss man das Ziel eben festlegen. Ob man das auf Punkt und Komma macht, oder ob man auf die wissenschaftlichen Berichte verweist, das ist dann letztlich egal.
Kaess: Aber die Kernfrage ist ja, kann sich die internationale Gemeinschaft darauf einigen, nach Bali in offizielle Verhandlungen überhaupt einzutreten, oder wird es nur einen losen Dialog über Klimafragen geben? Besteht denn die Gefahr, dass Gegner konkreter Zahlen wie zum Beispiel die USA erst gar nicht in Verhandlungen eintreten, wenn diese im Abschlussdokument enthalten sind?
Gabriel: Natürlich besteht die Gefahr, aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass es sich ein Land der Erde leisten kann, hier nach Hause zu fahren und zu sagen, ich habe die Weltgemeinschaft blockiert bei der Frage eines der größten Menschheitsprobleme, vor allen Dingen für unsere eigenen Kinder und Enkel, zu klären. Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, sowohl für die Industrienationen Vorgaben zu machen, als auch die Entwicklungsländer dazu zu bewegen, mit Verhandlungen darüber zu beginnen, was sie selber eigentlich einbringen können in einen engagierten Klimaschutz.
Kaess: Sie haben von einem Land gesprochen, das konkrete Zahlen ablehnt, aber es gibt ja auch andere Staaten wie zum Beispiel Saudi-Arabien, die sich schon gegen konkrete Zahlen ausgesprochen haben. Wird es dabei bleiben?
Gabriel: Aber das müssen Sie mich am Ende fragen. Wir fangen ja gerade erst an.
Kaess: Welche Hoffnungen haben Sie denn?
Gabriel: Das ist eine rhetorische Frage, meine Hoffnung ist natürlich, dass wir die davon überzeugen können. Denn was wir hier nicht tun ist, dass wir entscheiden, mit welchen Mitteln und mit welchen Instrumenten wir diese Ziele erreichen wollen. Da ist ja der eigentliche Knackpunkt in den Verhandlungen. Die Vereinigten Staaten zum Beispiel wollen keinen internationalen Kohlenstoffmarkt, können sich aber offensichtlich die Besteuerung von CO2 vorstellen. Über diese Fragen wollen wir hier gar nicht abschließend verhandeln, und das könnte der Weg sein, dass wir hier sagen, das Ziel müssen wir schon beschreiben. Sonst wüssten wir gar nicht, wie wir Verhandlungen aufbauen sollen. Aber die einzelnen Instrumente, die müssen wir eben miteinander in den nächsten zwei Jahren besprechen. Die Zeit haben wir auch, weil das gültige Klimaschutzabkommen, das Kyoto-Protokoll, 2012 ausläuft. Von daher haben wir jetzt auch Zeit, über die einzelnen Instrumente zu verhandeln.
Kaess: Wenn wir noch mal auf die USA schauen. Die USA haben das Kyoto-Protokoll ja damals auch deshalb abgelehnt, weil es für Entwicklungs- und Schwellenländer keine Verpflichtung für Reduktionen vorsah. Kann sich denn die Position der USA also ändern, wenn für diese Länder nun auch Reduktionsziele festgeschrieben werden?
Gabriel: Ich glaube nicht, dass man einem Land wie Indien, das pro Kopf 1,5 Tonnen CO2 emittiert, Reduktionsverpflichtungen auferlegen kann, wenn die USA bei fast 20 Tonnen pro Kopf sind und Europa auch noch bei 9 bis 10 Tonnen, sondern es geht darum, dass der Anstieg der Emissionen im Rahmen des wirtschaftlichen Wachstums in diesen Ländern abgebremst wird. Echte Reduzierungen kann man zum Beispiel von einem Kontinent wie Afrika, der ja fast gar nichts emittiert, wirklich nicht verlangen, sondern der Anstieg der großen Länder soll gebremst werden. Und dafür ist es nötig, dass wir auch in die Länder, die reich genug sind, sich moderne Energietechnologie zu leisten, moderne Energietechnologien bringen. Das ist eines der großen Themen, das wir hier verhandeln.
Kaess: Inwieweit müssen denn die Entwicklungs- und Schwellenländer dann überhaupt in die Verantwortung genommen werden?
Gabriel: Sie müssen sich schon in die Verantwortung nehmen lassen, Anstieg ihrer Emissionen zu begrenzen. Das ist eine Anforderung, die wir an sie haben. Das kann man zum Beispiel dadurch machen, indem man sagt, wenn ihr bestimmte Ziele bei den CO2-Emissionen erreicht, dann werdet ihr davon profitieren zum Beispiel durch finanzielle Hilfen. Wenn ihr sie nicht erreicht, droht euch keine Strafe - das ist bei den Industrienationen so, wir müssen richtig mit Strafzahlungen rechnen, wenn wir unsere Verringerungsziele nicht erreichen -, aber dann werdet ihr keinen Profit davon haben. Dann werdet ihr keinen Gewinn davon haben. Das nennt man dann No-lose-Ziele, also ein Ziel, bei dem man nicht verlieren, sondern nur etwas gewinnen kann, wenn man das Ziel erreicht.
Kaess: Müssen die Entwicklungs- und Schwellenländer dabei um ihr Wirtschaftswachstum bangen?
Gabriel: Wenn sie das müssten, werden sie nichts unterschreiben. Wir müssen akzeptieren, dass wie in unserem eigenen Land die Menschen natürlich besser leben wollen. Und wer ihnen den Weg verbaut, der wird die Entwicklungsländer verlieren, und der wird den Klimaschutz verlieren. Die eigentliche Aufgabe besteht darin, Armutsbekämpfung und Klimaschutz zusammen zu leisten, und das geht auch.
Kaess: Die Entwicklungs- und Schwellenländer verlangen ja Geld und Technologie als Unterstützung. Das sind Kosten, die letztendlich die Industrieländer tragen müssten. Ist das denn noch vertretbar, nachdem die ohnehin mit den eigenen Kosten zu Hause belastet sind, um ihre eigenen CO2-Emissionen zu reduzieren?
Gabriel: Es ist zum Beispiel so, dass so ein Land wie Deutschland von der Entwicklung moderner Energietechnologie in den anderen Ländern massiv profitiert, weil wir die herstellen und sie dahin verkaufen können. Was wir tun wollen, ist, dass wir einen Teil der Investitionsrisiken durch den Staat abfedern, und das machen wir dadurch, dass wir von den großen CO2-Emittenten in Deutschland, vor allen Dingen der Stromwirtschaft, einen Teil des Geldes einsammeln, das sie ja über die frühere kostenlose Verteilung von Emissionsberechtigungen bekommen haben, ohne irgendetwas für den Klimaschutz zu tun. Das sind im nächsten Jahr 400 Millionen Euro. Einen Teil dieses Geldes nutzen wir, um den Technologietransfer mit zu unterstützen. Am Ende werden aber deutsche Arbeitsplätze und deutsche Unternehmen, die solche Techniken herstellen, davon profitieren, so dass das auch für uns eigentlich eine ganz gute Situation ist, bei der wir Klimaschutz und Beschäftigung im eigenen Land auch verbinden können.
Kaess: Hat Deutschland in Bali eine Vorreiterrolle?
Gabriel: Man muss immer aufpassen, dass man nicht mit dem erhobenen Zeigefinger dahin kommt. Ich glaube, was Deutschland zeigen kann, ist, dass es möglich ist, ein reiches Land zu sein, wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand zu haben und gleichzeitig Klimaschutz zu betreiben. Dieses Beispiel ist, glaube ich, wichtig.
Kaess: Wenn die anderen Länder nicht mitziehen, was bedeutet das für die deutschen Ziele, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken?
Gabriel: Das fragen Sie mich mal, wenn wir die Verhandlungen für gescheitert erklären mussten.
Kaess: Herr Gabriel, kann Deutschland letztendlich auch der Verlierer sein, wenn es sich mit zu ehrgeizigen Zielen im internationalen wirtschaftlichen Wettbewerb überfordert?
Gabriel: Nein, ganz sicher deshalb nicht, weil unsere Ziele in Europa ja daran gebunden sind, dass andere mitmachen. Wir sagen, wir werden bis 2020 20 Prozent senken an Treibhausgasen, egal was andere tun, aber wir werden das Ziel, 30 Prozent zu senken und Deutschland dann eben 40 Prozent, nur dann erreichen, wenn andere mitmachen. Insofern gibt es ja bereits eine Bindung an die internationalen Verhandlungen, die natürlich auch dazu beitragen sollen, dass andere einsteigen.
Kaess: Schauen wir zum Schluss noch mal kurz auf die Entwicklungsländer. Ein Streitpunkt ist das Abholzen der Wälder. Auch hier soll es finanzielle Entschädigungen geben zum Beispiel für den Erhalt des Waldes. Deutschland hat laut Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul bereits 40 Millionen Euro zugesagt. Ist das eine sinnvolle Regelung?
Gabriel: Das ist mit Sicherheit eine sinnvolle Regelung, weil: 20 Prozent unseres weltweiten Klimaproblems kommt aus der Entwaldung. Verstehen Sie: Entwicklungsländer fragen uns, Leute für uns ist der Regenwald so wichtig wie für euch die Autoindustrie. Wenn wir den Regenwald nicht mehr nutzen sollen, wie bitte sollen wir unsere Menschen ernähren? Wie sollen wir das machen? Darauf müssen wir eine Antwort finden. Die Entwicklungsländer sagen auch zu uns, ihr habt alle eure Urwälder zerstört. Ihr könnt jetzt nicht einfach sagen, okay, weil wir das in der Vergangenheit gemacht haben, darf es jetzt keine wirtschaftliche Entwicklung in den Entwicklungsländern geben. Von daher geht es auch hier um einen wirtschaftlichen Interessensausgleich. Wir haben ein großes Interesse daran, dass es Regenwälder gibt, übrigens auch, weil wir aus den genetischen Materialien der Regenwälder in Deutschland und in Europa Medikamente herstellen und damit ja wirtschaftlich großen Erfolg haben. Dann werden wir wohl auch mithelfen müssen, diese Wälder zu erhalten.
Kaess: Von der UN-Klimakonferenz auf Bali Bundesumweltminister Sigmar Gabriel.
Ab heute geht die Konferenz in die entscheidende Phase. Die Probleme, die noch ungeklärt sind, sollen jetzt die angereisten Umweltminister lösen. Zentrale Streitfrage: Sollen im Abschlussdokument bereits konkrete Zahlen als Reduktionsziel für den CO2-Ausstoß enthalten sein oder nicht. Die Europäische Union plädierte schon zu Beginn der Konferenz dafür, bereits auf Bali ein festes Ziel vorzugeben.
Vor der Sendung haben wir Bundesumweltminister Sigmar Gabriel auf Bali erreicht. Ich habe ihn zuerst gefragt, ob die EU an ihrem Vorschlag festhalten solle.
Sigmar Gabriel: Ja, auf jeden Fall. Es macht ja keinen Sinn zu sagen wir verhandeln, ohne zu sagen worüber eigentlich. Und die Wissenschaftsergebnisse sind ja eindeutig. Wir müssen eben, um das Klima einigermaßen stabil zu halten, bis zur Mitte des Jahrhunderts die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen reduzieren. Und um das zu schaffen, müssen die Industrienationen bis 2020 etwa 30 Prozent reduzieren. Wir können ja jetzt nicht so tun, als gäbe es keine Wissenschaftsergebnisse, und ehrlich gesagt kann ich mir auch nur schwer vorstellen, über was man eigentlich verhandeln soll, wenn nicht über die Frage, wer muss was machen, um dieses Ziel zu erreichen. Dazu muss man das Ziel eben festlegen. Ob man das auf Punkt und Komma macht, oder ob man auf die wissenschaftlichen Berichte verweist, das ist dann letztlich egal.
Kaess: Aber die Kernfrage ist ja, kann sich die internationale Gemeinschaft darauf einigen, nach Bali in offizielle Verhandlungen überhaupt einzutreten, oder wird es nur einen losen Dialog über Klimafragen geben? Besteht denn die Gefahr, dass Gegner konkreter Zahlen wie zum Beispiel die USA erst gar nicht in Verhandlungen eintreten, wenn diese im Abschlussdokument enthalten sind?
Gabriel: Natürlich besteht die Gefahr, aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass es sich ein Land der Erde leisten kann, hier nach Hause zu fahren und zu sagen, ich habe die Weltgemeinschaft blockiert bei der Frage eines der größten Menschheitsprobleme, vor allen Dingen für unsere eigenen Kinder und Enkel, zu klären. Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, sowohl für die Industrienationen Vorgaben zu machen, als auch die Entwicklungsländer dazu zu bewegen, mit Verhandlungen darüber zu beginnen, was sie selber eigentlich einbringen können in einen engagierten Klimaschutz.
Kaess: Sie haben von einem Land gesprochen, das konkrete Zahlen ablehnt, aber es gibt ja auch andere Staaten wie zum Beispiel Saudi-Arabien, die sich schon gegen konkrete Zahlen ausgesprochen haben. Wird es dabei bleiben?
Gabriel: Aber das müssen Sie mich am Ende fragen. Wir fangen ja gerade erst an.
Kaess: Welche Hoffnungen haben Sie denn?
Gabriel: Das ist eine rhetorische Frage, meine Hoffnung ist natürlich, dass wir die davon überzeugen können. Denn was wir hier nicht tun ist, dass wir entscheiden, mit welchen Mitteln und mit welchen Instrumenten wir diese Ziele erreichen wollen. Da ist ja der eigentliche Knackpunkt in den Verhandlungen. Die Vereinigten Staaten zum Beispiel wollen keinen internationalen Kohlenstoffmarkt, können sich aber offensichtlich die Besteuerung von CO2 vorstellen. Über diese Fragen wollen wir hier gar nicht abschließend verhandeln, und das könnte der Weg sein, dass wir hier sagen, das Ziel müssen wir schon beschreiben. Sonst wüssten wir gar nicht, wie wir Verhandlungen aufbauen sollen. Aber die einzelnen Instrumente, die müssen wir eben miteinander in den nächsten zwei Jahren besprechen. Die Zeit haben wir auch, weil das gültige Klimaschutzabkommen, das Kyoto-Protokoll, 2012 ausläuft. Von daher haben wir jetzt auch Zeit, über die einzelnen Instrumente zu verhandeln.
Kaess: Wenn wir noch mal auf die USA schauen. Die USA haben das Kyoto-Protokoll ja damals auch deshalb abgelehnt, weil es für Entwicklungs- und Schwellenländer keine Verpflichtung für Reduktionen vorsah. Kann sich denn die Position der USA also ändern, wenn für diese Länder nun auch Reduktionsziele festgeschrieben werden?
Gabriel: Ich glaube nicht, dass man einem Land wie Indien, das pro Kopf 1,5 Tonnen CO2 emittiert, Reduktionsverpflichtungen auferlegen kann, wenn die USA bei fast 20 Tonnen pro Kopf sind und Europa auch noch bei 9 bis 10 Tonnen, sondern es geht darum, dass der Anstieg der Emissionen im Rahmen des wirtschaftlichen Wachstums in diesen Ländern abgebremst wird. Echte Reduzierungen kann man zum Beispiel von einem Kontinent wie Afrika, der ja fast gar nichts emittiert, wirklich nicht verlangen, sondern der Anstieg der großen Länder soll gebremst werden. Und dafür ist es nötig, dass wir auch in die Länder, die reich genug sind, sich moderne Energietechnologie zu leisten, moderne Energietechnologien bringen. Das ist eines der großen Themen, das wir hier verhandeln.
Kaess: Inwieweit müssen denn die Entwicklungs- und Schwellenländer dann überhaupt in die Verantwortung genommen werden?
Gabriel: Sie müssen sich schon in die Verantwortung nehmen lassen, Anstieg ihrer Emissionen zu begrenzen. Das ist eine Anforderung, die wir an sie haben. Das kann man zum Beispiel dadurch machen, indem man sagt, wenn ihr bestimmte Ziele bei den CO2-Emissionen erreicht, dann werdet ihr davon profitieren zum Beispiel durch finanzielle Hilfen. Wenn ihr sie nicht erreicht, droht euch keine Strafe - das ist bei den Industrienationen so, wir müssen richtig mit Strafzahlungen rechnen, wenn wir unsere Verringerungsziele nicht erreichen -, aber dann werdet ihr keinen Profit davon haben. Dann werdet ihr keinen Gewinn davon haben. Das nennt man dann No-lose-Ziele, also ein Ziel, bei dem man nicht verlieren, sondern nur etwas gewinnen kann, wenn man das Ziel erreicht.
Kaess: Müssen die Entwicklungs- und Schwellenländer dabei um ihr Wirtschaftswachstum bangen?
Gabriel: Wenn sie das müssten, werden sie nichts unterschreiben. Wir müssen akzeptieren, dass wie in unserem eigenen Land die Menschen natürlich besser leben wollen. Und wer ihnen den Weg verbaut, der wird die Entwicklungsländer verlieren, und der wird den Klimaschutz verlieren. Die eigentliche Aufgabe besteht darin, Armutsbekämpfung und Klimaschutz zusammen zu leisten, und das geht auch.
Kaess: Die Entwicklungs- und Schwellenländer verlangen ja Geld und Technologie als Unterstützung. Das sind Kosten, die letztendlich die Industrieländer tragen müssten. Ist das denn noch vertretbar, nachdem die ohnehin mit den eigenen Kosten zu Hause belastet sind, um ihre eigenen CO2-Emissionen zu reduzieren?
Gabriel: Es ist zum Beispiel so, dass so ein Land wie Deutschland von der Entwicklung moderner Energietechnologie in den anderen Ländern massiv profitiert, weil wir die herstellen und sie dahin verkaufen können. Was wir tun wollen, ist, dass wir einen Teil der Investitionsrisiken durch den Staat abfedern, und das machen wir dadurch, dass wir von den großen CO2-Emittenten in Deutschland, vor allen Dingen der Stromwirtschaft, einen Teil des Geldes einsammeln, das sie ja über die frühere kostenlose Verteilung von Emissionsberechtigungen bekommen haben, ohne irgendetwas für den Klimaschutz zu tun. Das sind im nächsten Jahr 400 Millionen Euro. Einen Teil dieses Geldes nutzen wir, um den Technologietransfer mit zu unterstützen. Am Ende werden aber deutsche Arbeitsplätze und deutsche Unternehmen, die solche Techniken herstellen, davon profitieren, so dass das auch für uns eigentlich eine ganz gute Situation ist, bei der wir Klimaschutz und Beschäftigung im eigenen Land auch verbinden können.
Kaess: Hat Deutschland in Bali eine Vorreiterrolle?
Gabriel: Man muss immer aufpassen, dass man nicht mit dem erhobenen Zeigefinger dahin kommt. Ich glaube, was Deutschland zeigen kann, ist, dass es möglich ist, ein reiches Land zu sein, wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand zu haben und gleichzeitig Klimaschutz zu betreiben. Dieses Beispiel ist, glaube ich, wichtig.
Kaess: Wenn die anderen Länder nicht mitziehen, was bedeutet das für die deutschen Ziele, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken?
Gabriel: Das fragen Sie mich mal, wenn wir die Verhandlungen für gescheitert erklären mussten.
Kaess: Herr Gabriel, kann Deutschland letztendlich auch der Verlierer sein, wenn es sich mit zu ehrgeizigen Zielen im internationalen wirtschaftlichen Wettbewerb überfordert?
Gabriel: Nein, ganz sicher deshalb nicht, weil unsere Ziele in Europa ja daran gebunden sind, dass andere mitmachen. Wir sagen, wir werden bis 2020 20 Prozent senken an Treibhausgasen, egal was andere tun, aber wir werden das Ziel, 30 Prozent zu senken und Deutschland dann eben 40 Prozent, nur dann erreichen, wenn andere mitmachen. Insofern gibt es ja bereits eine Bindung an die internationalen Verhandlungen, die natürlich auch dazu beitragen sollen, dass andere einsteigen.
Kaess: Schauen wir zum Schluss noch mal kurz auf die Entwicklungsländer. Ein Streitpunkt ist das Abholzen der Wälder. Auch hier soll es finanzielle Entschädigungen geben zum Beispiel für den Erhalt des Waldes. Deutschland hat laut Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul bereits 40 Millionen Euro zugesagt. Ist das eine sinnvolle Regelung?
Gabriel: Das ist mit Sicherheit eine sinnvolle Regelung, weil: 20 Prozent unseres weltweiten Klimaproblems kommt aus der Entwaldung. Verstehen Sie: Entwicklungsländer fragen uns, Leute für uns ist der Regenwald so wichtig wie für euch die Autoindustrie. Wenn wir den Regenwald nicht mehr nutzen sollen, wie bitte sollen wir unsere Menschen ernähren? Wie sollen wir das machen? Darauf müssen wir eine Antwort finden. Die Entwicklungsländer sagen auch zu uns, ihr habt alle eure Urwälder zerstört. Ihr könnt jetzt nicht einfach sagen, okay, weil wir das in der Vergangenheit gemacht haben, darf es jetzt keine wirtschaftliche Entwicklung in den Entwicklungsländern geben. Von daher geht es auch hier um einen wirtschaftlichen Interessensausgleich. Wir haben ein großes Interesse daran, dass es Regenwälder gibt, übrigens auch, weil wir aus den genetischen Materialien der Regenwälder in Deutschland und in Europa Medikamente herstellen und damit ja wirtschaftlich großen Erfolg haben. Dann werden wir wohl auch mithelfen müssen, diese Wälder zu erhalten.
Kaess: Von der UN-Klimakonferenz auf Bali Bundesumweltminister Sigmar Gabriel.