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Gabriel in Moskau
Auf des Altkanzlers Spuren

Ein niedersächsischer SPD-Politiker auf Kuschelkurs mit Moskau – Sigmar Gabriels Auftreten in der russischen Hauptstadt irritiert. Denn schon wieder deutet der Minister an: Die Sanktionen sähe er gerne früher gelockert.

Von Gesine Dornblüth | 29.10.2015
    Auf Moskau-Besuch: Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (r.) im Gespräch mit Gazprom-Chef Alexei Miller.
    Auf Moskau-Besuch: Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (r.) im Gespräch mit Gazprom-Chef Alexei Miller. (picture alliance / dpa - Mikhail Klimentyev)
    Sigmar Gabriel gab sich in Moskau einmal mehr kompromissbereit gegenüber Russland. Im Gespräch mit Wladimir Putin plädierte er dafür, die wirtschaftliche Kooperation zwischen Deutschland und Russland zu erhalten, trotz der politischen Probleme. Vor Journalisten wiederholte er seinen umstrittenen Vorschlag, die Sanktionen gegen Russland schrittweise aufzuheben, schon bevor das Minsker Abkommen zur Ukraine vollständig umgesetzt ist.
    "Ich kann mir auch vorstellen, dass man, so wie man die Sanktionen schrittweise erhöht hat, sie bei substanzieller Umsetzung, zum Beispiel, dass die Wahlen erfolgt sind, dass die Verfassung geändert ist, dass die Waffen dort weg sind, dass man dann auch erste Erleichterungen schafft, aber das ist meine persönliche Meinung."
    Damit weicht der Vizekanzler deutlich von der offiziellen Linie der Bundesregierung und der Meinung der Bundeskanzlerin ab. Die lautet nämlich: Zuerst müssen alle Punkte des Minsker Abkommens erfüllt werden, bis hin zur Wiederherstellung der ukrainischen Kontrolle über die Grenze zu Russland – dann können die Sanktionen wegfallen.
    Bei deutschen Unternehmern in Russland kommen Gabriels Äußerungen gut an. Michael Harms, Chef der AHK, der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer in Moskau:
    "Natürlich sind die Sanktionen etwas, was die deutsche Wirtschaft massiv hier in Russland stört, und wenn es die politischen Voraussetzungen gibt, die in gewissen Bereichen zu lockern, dann würden wir natürlich das sehr unterstützen."
    Am Morgen hatte sich der Minister in Moskau mit einem knappen Dutzend deutscher Unternehmer getroffen. Sie gaben ihm ihre Sorgen mit auf den Weg, über den wachsenden Protektionismus in Russland, über die Konkurrenz mit China. So sollte Gabriel bei seinen russischen Gesprächspartnern zum Beispiel für eine deutsche Beteiligung am Bau der Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitstrasse von Moskau in das rund 1.000 Kilometer entfernte Kasan werben. Laut Harms von der AHK geht es um ein Auftragsvolumen in Höhe von Dutzenden Milliarden Euro. Die Planung der Bahnstrecke wurde bereits an ein chinesisch-russisches Konsortium vergeben.
    Gabriel traf Gasprom-Chef Miller und Serbank-Chef Gref
    "Die Vorteile der deutschen Initiative sind der immer noch bevorstehende Vorsprung in Technik und Technologie und, was für Russland besonders wichtig ist, dass man eben bereit ist, Technologietransfer und Wertschöpfung nach Russland zu verlagern."
    Ob Wirtschaftsminister Gabriel Konkretes für die deutschen Unternehmer herausholen konnte, ist nicht bekannt. Er traf Vizepremier Dworkowitsch, Serbank-Chef Gref, Gazprom-Chef Miller und Energieminister Nowak. Mit Nowak vereinbarte Gabriel eine Kooperation der Energieagenturen beider Länder. Ferner ging es um den Ausbau der Ostseepipeline Nord Stream und damit verbunden um die Zukunft des Gastransits durch die Ukraine. 2019 sollen zwei weitere Röhren von Nord Stream in Betrieb gehen. Russland will danach möglicherweise ganz auf die Route durch die Ukraine verzichten. Zur Begründung heißt es, die Pipeline durch die Ukraine sei so marode, dass man ab 2019 ohnehin kein Gas mehr auf diesem Weg transportieren könne.
    Nach Einschätzung des ukrainischen Premierministers Arsenij Jazenjuk verlöre sein Land dadurch Transitgebühren in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar im Jahr. Vizekanzler Gabriel sagte bei Putin, die Erweiterung von Nord Stream dürfte nicht das Aus für den Gastransit durch die Ukraine bedeuten. Man müsse Wege finden, um das Pipelinenetz der Ukraine zu erneuern.