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Gabriel: Seehofers Vorschläge machen Tanken letzlich teurer

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat sich gegen eine Aufweichung der Klimaschutzziele zugunsten der Autoindustrie ausgesprochen, wie es der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer vorschlägt. Der Fall General Motors zeige was passiere, wenn Autos zu viel Sprit verbrauchten, sagte der SPD-Politiker.

Sigmar Gabriel im Gespräch mit Dirk Müller |
    Dirk Müller: Horst Seehofer hat an diesem Wochenende zu einem Paukenschlag ausgeholt. Der CSU-Chef und Ministerpräsident fordert von der Kanzlerin, die Ziele beim Klimaschutz aufzuweichen. Darüber hinaus Steuern senken so schnell wie möglich.
    Bei uns am Telefon ist nun Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Guten Morgen!

    Sigmar Gabriel: Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Herr Gabriel, ist Horst Seehofer ein Klimakiller?

    Gabriel: Nein, er ist natürlich ein Populist. Er sagt jetzt im Prinzip das Gegenteil von dem, was er in der Bundesregierung mit beschlossen hat, und vor allen Dingen würde ich gerne wissen, wir müssen ja mal entscheiden. Wollen wir jetzt investieren in Arbeitsplätze – dafür machen wir ja schon mehr Schulden, als wir ursprünglich vor hatten -, oder wollen wir Steuern senken. Immer alles gleichzeitig zu fordern, ohne zu sagen, wer es bezahlen soll, das hört sich gut an, lässt sich aber in der Regel nicht richtig umsetzen.

    Müller: Horst Seehofer argumentiert aber, wenn wir bei diesen Klimaschutzzielen bleiben – es geht ja da ganz konkret auch um den CO2-Ausstoß bei den Automobilen -, dann gefährdet das Arbeitsplätze.

    Gabriel: Erstens ist Horst Seehofer offensichtlich nicht ganz auf Ballhöhe, sondern wir haben ja längst eine Regel, die auch im Europäischen Parlament inzwischen, glaube ich, Zustimmung findet, dass wir im Jahre 2012 wie ursprünglich geplant diese CO2-Grenzwerte einführen, aber eben nicht zu 100 Prozent, sondern zu 60 oder 70 Prozent und dann drei oder vier Jahre immer 10 Prozent draufpacken, also sozusagen ein stufenweises Einführen passiert. Das ist auch kein Problem fürs Weltklima. Entscheidend ist, dass die Regelung kommt und dass die Autoindustrie weiß, dass ab 2020 die Werte noch mehr runtergehen, damit sich Forschung und Entwicklung dann darauf einstellt. Wenn wir das tun, was Herr Seehofer will und fordert, Aussetzen dieser Ziele, dann sage ich Ihnen, dann können wir in dieser Woche eine der großen Investitionen der deutschen Autoindustrie absagen, nämlich den Einstieg in die Elektromobilität mit Ausgaben für Forschung und Entwicklung, mit Arbeitsplätzen in dem Bereich, die da neu geschaffen werden, und vor allen Dingen sorgen wir dafür, dass die Autoindustrie den Eindruck hat, dass es egal ist was sie tut, ob sie Ziele einhält oder nicht, am Ende zahlt es immer der Verbraucher. Denn Klimaschutz im Auto können sie nur dadurch erreichen, dass sie weniger Sprit verbrauchen. Das heißt wenn wir das machen, was Seehofer will, zahlen die Leute mehr an der Tankstelle.

    Müller: Nun sagt der bayerische Ministerpräsident auch, bei diesen Übergangsregelungen, die wir jetzt gefunden haben, vermutlich wird das von der EU ja in der nächsten Zeit auch so umgesetzt. Aber er will keine Strafzahlungen für Autos, die in diesen Jahren dann mehr ausstoßen. Könnte das ein Kompromiss sein?

    Gabriel: Nein, das ist kein Kompromiss, sondern es ist natürlich so, wenn sie sagen, du musst das und das erreichen, aber wenn du das nicht erreichst, das ist auch egal, dann ist doch klar, dass sich niemand anstrengt. Wir müssen schon sagen, in welche Richtung Forschung und Entwicklung gehen sollen. Übrigens all das, was wir jetzt verabreden, verabreden wir doch in Absprache mit der gesamten europäischen Autoindustrie. Es ist doch nicht so, dass wir da blind vorangehen. Übrigens das Bundesumweltministerium hat mit den Betriebsräten und der IG Metall bereits vor mehreren Monaten eine Verabredung getroffen über das, was wir jetzt machen. Das findet da auch Zustimmung und natürlich gucken wir uns an, ob dabei Arbeitsplätze gefährdet sind oder nicht.

    Müller: Aber Sie treffen doch damit diejenigen, die sich kein neues Auto leisten können.

    Gabriel: Warum das eigentlich? Das müssen Sie mir mal erklären.

    Müller: Weil ältere Autos mehr ausstoßen.

    Gabriel: Aber das heißt doch nicht, dass sie ... Wir reden über etwas völlig anderes. Wenn jemand ein neues Auto kauft und dieses neue Auto mehr CO2 ausstößt als das nach der europäischen Regel möglich ist, dann müssen sie dafür mehr bezahlen. Ihr Altwagen ist doch gar nicht betroffen. Wir müssen uns schon noch in Deutschland über die Frage verständigen, über was reden wir eigentlich. Das hier eben jedenfalls hat mit Altwagen gar nichts zu tun.

    Müller: Das hat mit Altwagen nichts zu tun, aber die Grünen und auch der BUND argumentieren, Sie sind in Wirklichkeit kein Umweltminister, sondern ein Autominister.

    Gabriel: Was sollen sie denn sagen? Sollen die Grünen sagen, wir machen alles richtig? Das wird ja nicht gehen. Die wollen ja im Wahlkampf ein paar Stimmen kriegen. Mein Vorschlag zur Beurteilung der deutschen CO2-Klimapolitik – fahren Sie einfach in irgendein anderes Land der Erde und fragen Sie die Leute, was sie davon halten. Die sagen, wir werden ganz gerne so gut wie ihr.

    Müller: Aber Neuwagen müssen auch gekauft werden, Herr Gabriel.

    Gabriel: Ja und da sagen wir, die Fahrzeuge werden – das fordert übrigens die Autoindustrie; die fordert ein Vorziehen beispielsweise der Umstellung der Kfz-Steuer auf CO2-Basis -, die Fahrzeuge, die dann die europäischen Regeln einhalten, werden Vorteile haben in der Steuer, und vor allen Dingen der Käufer weiß, er muss an der Tankstelle nicht so viel Sprit bezahlen. Was Seehofer fordert ist, dass man das genau aussetzt, so dass die Leute an der Tankstelle weiter mehr bezahlen müssen, die falschen Autos produziert werden und übrigens im Export werden wir massive Schwierigkeiten bekommen. Wenn Sie sich mal anschauen, welche Fahrzeuge inzwischen in Kalifornien nur noch zugelassen sind, dann stellen Sie fest, die Amerikaner beginnen viel stärkere Regeln einzuführen als wir in Deutschland. Wenn wir von daher auf dem Exportmarkt noch Chancen haben wollen, müssen wir runter. Wer sehen will, was mit Fahrzeugen passiert, die weiterhin zu viel Sprit fressen und CO2 ausstoßen, der soll sich General Motors angucken. Die sind gerade vor der Pleite. Ich meine, daraus nicht zu lernen, sondern zu sagen, weiter so, und dann die Leute hinterher arbeitslos zu machen, weil die Käufer die Autos nicht kaufen, das ist natürlich eine abenteuerliche Strategie.

    Müller: Was halten Sie denn generell von der Forderung, Steuern zu senken?

    Gabriel: Ich glaube, dass man jetzt dafür sorgen muss, dass es ein europäisches Investitionsprogramm in Arbeit und Umwelt gibt. Dafür muss man Steuergelder haben. Man kann nicht sagen, ich will Arbeitsplätze sichern, wir müssen investieren, der Staat und zwar nicht alleine als Nationalstaat, sondern alle europäischen Mitgliedsstaaten müssen das tun, damit wir Jobs sichern, und dann gleichzeitig sagen, aber dafür wollen wir kein Geld zur Verfügung stellen, weil wir die Steuern senken. Die Amerikaner machen uns das gerade vor. Barack Obama erklärt, er wird für die nächsten Jahre mehrere Hundert Milliarden zusätzlich im Staat investieren, um die Amerikaner aus der Rezession rauszuholen, und er investiert übrigens in Klimaschutz und Energieeffizienz. Wenn wir jetzt das Gegenteil tun und sagen, wir verschieben die Ziele und wir senken die Steuern und der Staat macht nichts mehr, sondern taucht als Nachtwächterstaat auf, dann muss ich ganz offen sagen, dann werden wir in diesem Wettbewerb verlieren. Das was die Amerikaner jetzt machen und das was Frank-Walter Steinmeier, der Bundesaußenminister, für Europa fordert, nämlich ein europäisches Investitionsprogramm, das ist das, was wir jetzt brauchen.

    Müller: Also die SPD wird sich weiterhin weigern, den Bürgern auch einmal Geld und Steuergelder zurückzugeben?

    Gabriel: Die SPD will sich vor allen Dingen dafür einsetzen, dass die Bürger Arbeit haben, damit sie überhaupt Steuern bezahlen.

    Müller: Weniger Steuern heißt mehr Geld im Portemonnaie. Dann könnte man auch mehr ausgeben, dann könnte man die Binnennachfrage ankurbeln. Kein Argument für Sie?

    Gabriel: Da sagen uns diejenigen, die sich mit Wirtschaftspolitik häufiger beschäftigen als wir beide und Herr Seehofer, dass das gerade nicht dazu führt, sondern dass es erst mal aufs Sparbuch gepackt wird um dann mal zu gucken, was kommt in besseren Zeiten. Die Arbeitslosigkeit steht aber vor der Haustür. Wir müssen jetzt was machen, nicht in einem Jahr oder anderthalb Jahren. Das heißt, jetzt muss Europa reagieren und nicht mit einer komplizierten Steuersenkung die nächsten sechs oder neun Monate im Gesetzgebungsverfahren hängen. Dann gucken die Leute, mal sehen wie es weitergeht, wir packen das Geld erst mal aufs Sparbuch, und nichts wird investiert in Lärmschutz, in Energieeffizienz, in die Senkung der Energiekosten, in erneuerbare Energien. Das ist genau das Gegenteil von dem, was andere machen, damit sie aus der Rezession rauskommen. Deswegen würde ich sagen, wir müssen hier nicht immer einen deutschen Sonderweg gehen.

    Müller: Versuchen wir, Herr Gabriel, es vielleicht noch einmal von der anderen Seite aufzuzäumen. Wenn dem Staat jetzt in den nächsten Monaten im Rahmen der Rezession Einnahmen wegbrechen, schließen Sie dann Steuererhöhungen zur Finanzierung dieser Pakete aus?

    Gabriel: Natürlich darf man den Leuten nicht zusätzlich Geld wegnehmen, sondern wir werden das tun, was man in der Volkswirtschaft das "wirken lassen" der automatischen Stabilisatoren nennt. Das heißt, wir kommen nicht so schnell runter mit der Verschuldung, wie wir es ursprünglich vor hatten. Das geht in der Wirtschaftskrise nicht. Aber wir dürfen die Krise natürlich auch nicht dadurch verschärfen, dass wir den Leuten noch mehr Geld wegnehmen.

    Müller: Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) bei uns im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Gabriel: Tschüß, Herr Müller.