Stefan Heinlein: Diplomatie heißt, die hässlichsten Dinge auf netteste Art zu tun und zu sagen. Doch Russland und der Westen bemühen sich derzeit nicht um nette Worte, sondern nennen die hässlichen Dinge direkt und unverblümt beim Namen. Es herrscht Eiszeit. Kein Gespräch zum Streit um das iranische Atomprogramm, kein Ministertreffen zum Kaukasus. Der Gesprächsfaden scheint gerissen. Dabei gäbe es am Rande der laufenden UN-Generalversammlung genügend Gelegenheiten für notwendige Kontakte. Außenminister Steinmeier ist besorgt über die herrschende Sprachlosigkeit, über die ich jetzt reden will mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, Michael Gahler (CDU). Guten Morgen, Herr Gahler.
Michael Gahler: Guten Morgen, Herr Heinlein.
Heinlein: Keine Zeit für Iran-Gespräche. Wie plausibel ist diese Absage aus Moskau?
Gahler: Ich halte grundsätzlich nichts davon, in dieser Situation Gespräche abzusagen. In Bezug auf den Iran war es bisher wichtig, dass die internationale Gemeinschaft (und das heißt, die ständigen Sicherheitsratsmitglieder plus Deutschland) an einem Strang gezogen haben. Iran ist weiterhin auf der Weltbühne in der Atomfrage isoliert und dabei sollte es auch bleiben.
Heinlein: Was ist das Motiv aus Ihrer Sicht für die Absage aus Moskau?
Gahler: Wahrscheinlich ist die Empfindung dort so ein "Tit for tat", also "wie du mir, so ich dir". Es ist ja eine ganze Serie von Gesprächen, die in dieser Woche nicht stattfinden. Ich halte grundsätzlich nichts davon, diese Gespräche abzusagen. Gespräche zu führen, wäre auch nicht "Business as usual", denn das würde ja heißen, wir machen normale Tagesordnung und blenden die Probleme aus. Nein! Wir müssen sozusagen das "unusual Business", die unangenehmen Themen bei jeder Gelegenheit miteinander besprechen, denn wenn in der Tat Sprachlosigkeit Platz greift, dann werden wir in der Tat die Probleme nicht in den Griff bekommen.
Heinlein: "Tit for tat" sagen Sie. Russland scheint es also auch leid zu sein, wegen Georgien vom Westen in die internationale Schmuddelecke gestellt zu werden. Auch die USA haben ja wegen Georgien hochrangige Treffen platzen lassen. Ist die russische Seele tief verletzt?
Gahler: Ob die russische Seele tief verletzt ist, das weiß ich nicht. Ich höre von russischer Seite, dass man eine andere Wahrnehmung der Geschehnisse in Georgien hat. Ich glaube schon, dass wir insgesamt die Geschehnisse richtig bewerten. Wir haben ja auch Kritik an dem Verhalten Georgiens geübt und haben jetzt eine Verantwortung sowohl als Europäer, Georgien beim Wiederaufbau zu helfen, aber auch dabei zu helfen, dass es nicht wieder außenpolitische Eskapaden macht in dieser Form. Auf der anderen Seite ist Russland auch als OSZE-Mitglied zum Beispiel verpflichtet, sich dort vertragskonform zu halten. Ich halte es zum Beispiel für richtig, dass Russland gemeinsam im Rahmen der OSZE in Abchasien und Süd-Ossetien mit unseren Beobachtern dort dafür sorgt, dass Stabilität dort wieder hergestellt werden kann.
Heinlein: Kann sich denn, Herr Gahler, die internationale Gemeinschaft dieses Art Schwarze-Peter-Spiel leisten, also "kritisierst du mich wegen Georgien, spreche ich nicht mit dir über den Iran"?
Gahler: Das können wir uns nicht leisten, denn Iran wäre in dieser Phase davon der Profiteur und auch Russland wie die gesamte Weltgemeinschaft hat kein Interesse, dass nicht weit von seiner Südgrenze dort ein Land entsteht, wo zumindest auch die IAEO, also die Internationale Atomenergiebehörde sagt, wir sind nicht sicher, dass Iran tatsächlich keine Vorbereitungen für den Bau einer Atombombe trifft. Es ist also im beiderseitigen, im mehrseitigen Interesse, dass wir in Sachen Iran zum Beispiel vorankommen wie auch bei Georgien.
Heinlein: Sie sind, Herr Gahler, auch Mitglied der Iran-Delegation des Europäischen Parlaments. Welche Folgen hätte denn aus Ihrer Sicht ein dauerhaftes Fehlen Russlands bei den Verhandlungen mit Teheran über das umstrittene Atomprogramm?
Gahler: Wir wissen ja, dass Russland zum einen zu dem Kraftwerk in Bushehr bereits Brennstäbe liefert. Das ist auch insofern nicht grundsätzlich problematisch, als Russland die abgebrannten Brennstäbe ja auch wieder alle zurücknimmt. Von daher ist das unter internationaler Kontrolle. Und weil Russland dort eben im Prinzip konstruktiv tätig ist, sollte es in dem Bereich, wo die internationale Gemeinschaft kontrollieren will, auf der gleichen Wellenlänge bleiben. Es wäre schade, wenn es Iran, ausgerechnet diesem Regime gelingen könnte, Russland aus dieser Farlangs herauszubrechen.
Heinlein: Moskau sei in Sachen Iran im Prinzip konstruktiv tätig, haben Sie gesagt. Weiß Moskau um seine Bedeutung und will so seine weltpolitische Bedeutung unterstreichen, "seht her, es geht nicht ohne uns"?
Gahler: Es ist ja nicht nur der Bereich, wo wir gemeinsam mit Russland etwas tun. Wir haben in Nuklearfragen auch im Fall Nord-Korea mit Russland gearbeitet. Russland ist in anderen Bereichen, im Nahost-Quartett vertreten. Russland hat im UN-Sicherheitsrat das ISAF-Mandat für Afghanistan mit verlängert. Also Russland ist eingebunden in viele internationale Konflikte, bei der Lösung dort beteiligt zu sein, und ist dort auch tätig. Ich denke, dessen sollte man sich auch in Moskau immer wieder bewusst sein und auch die anderen Fragen konstruktiv angehen.
Heinlein: Besonders düster ist es ja derzeit im Verhältnis zwischen den USA und Russland. Braucht es umso mehr uns Europäer, das Europäische Parlament, die Europäische Kommission, um zwischen den Fronten zu vermitteln?
Gahler: Das haben wir ja bereits getan. Die französische Präsidentschaft war außerordentlich erfolgreich im Aushandeln erst eines Waffenstillstands und dann in der Verwirklichung unserer Kernwünsche, nämlich dass Russland sich aus Kern-Georgien zurückzieht. Insofern haben wir eine Rolle und auch bei uns im Europäischen Parlament haben wir diese Woche den Vorsitzenden des Europa-Ausschusses der russischen Staatsduma gehabt. Sprachlosigkeit ist auf europäischer Seite sicherlich nicht zu befürchten, ganz im Gegenteil. Deswegen haben wir auch eine Rolle. Wir liegen näher dran. Wir sind unmittelbar betroffen. Deswegen haben wir eine besondere Verantwortung, hier den Dialog in Gang zu halten.
Heinlein: Kann man dennoch von einem neuen Kalten Krieg zwischen den USA und Russland reden?
Gahler: Ich mag dieses Wort eigentlich nicht. Wir müssen uns auch bewusst sein, wir haben jetzt eine Phase, wo A in den USA Wahlkampf ist und in Russland natürlich auch ich sage mal für die innenpolitische Szenerie ein paar offenbar auftrumpfende Worte wohltuend wirken. Aber Russland muss man auch sagen, mit gewachsener Macht oder gefühlter erstärkter Macht wächst auch die Verantwortung. Verantwortung hat man dann international und eben nicht nur gegenüber dem heimischen Publikum.
Heinlein: Aber die Vokabel von der Eiszeit zwischen Russland und dem Westen ist durchaus angemessen?
Gahler: Ach Gott, ich möchte eigentlich ungern so ein Label dort dranknüpfen, wenn damit verbunden wäre, dass das die Rechtfertigung wäre, jetzt den Dialog einzustellen. Ich bin, egal welches Label man den Beziehungen im Augenblick anheftet, auf jeden Fall dafür, dass wir auf allen möglichen Ebenen und zu den problematischen Themen den Dialog fortsetzen, denn wie sollen wir denn anders die Probleme in den Griff bekommen.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, Michael Gahler (CDU). Ich danke für das Gespräch, Herr Gahler, und auf Wiederhören.
Gahler: Schönen Tag. Auf Wiederhören!
Michael Gahler: Guten Morgen, Herr Heinlein.
Heinlein: Keine Zeit für Iran-Gespräche. Wie plausibel ist diese Absage aus Moskau?
Gahler: Ich halte grundsätzlich nichts davon, in dieser Situation Gespräche abzusagen. In Bezug auf den Iran war es bisher wichtig, dass die internationale Gemeinschaft (und das heißt, die ständigen Sicherheitsratsmitglieder plus Deutschland) an einem Strang gezogen haben. Iran ist weiterhin auf der Weltbühne in der Atomfrage isoliert und dabei sollte es auch bleiben.
Heinlein: Was ist das Motiv aus Ihrer Sicht für die Absage aus Moskau?
Gahler: Wahrscheinlich ist die Empfindung dort so ein "Tit for tat", also "wie du mir, so ich dir". Es ist ja eine ganze Serie von Gesprächen, die in dieser Woche nicht stattfinden. Ich halte grundsätzlich nichts davon, diese Gespräche abzusagen. Gespräche zu führen, wäre auch nicht "Business as usual", denn das würde ja heißen, wir machen normale Tagesordnung und blenden die Probleme aus. Nein! Wir müssen sozusagen das "unusual Business", die unangenehmen Themen bei jeder Gelegenheit miteinander besprechen, denn wenn in der Tat Sprachlosigkeit Platz greift, dann werden wir in der Tat die Probleme nicht in den Griff bekommen.
Heinlein: "Tit for tat" sagen Sie. Russland scheint es also auch leid zu sein, wegen Georgien vom Westen in die internationale Schmuddelecke gestellt zu werden. Auch die USA haben ja wegen Georgien hochrangige Treffen platzen lassen. Ist die russische Seele tief verletzt?
Gahler: Ob die russische Seele tief verletzt ist, das weiß ich nicht. Ich höre von russischer Seite, dass man eine andere Wahrnehmung der Geschehnisse in Georgien hat. Ich glaube schon, dass wir insgesamt die Geschehnisse richtig bewerten. Wir haben ja auch Kritik an dem Verhalten Georgiens geübt und haben jetzt eine Verantwortung sowohl als Europäer, Georgien beim Wiederaufbau zu helfen, aber auch dabei zu helfen, dass es nicht wieder außenpolitische Eskapaden macht in dieser Form. Auf der anderen Seite ist Russland auch als OSZE-Mitglied zum Beispiel verpflichtet, sich dort vertragskonform zu halten. Ich halte es zum Beispiel für richtig, dass Russland gemeinsam im Rahmen der OSZE in Abchasien und Süd-Ossetien mit unseren Beobachtern dort dafür sorgt, dass Stabilität dort wieder hergestellt werden kann.
Heinlein: Kann sich denn, Herr Gahler, die internationale Gemeinschaft dieses Art Schwarze-Peter-Spiel leisten, also "kritisierst du mich wegen Georgien, spreche ich nicht mit dir über den Iran"?
Gahler: Das können wir uns nicht leisten, denn Iran wäre in dieser Phase davon der Profiteur und auch Russland wie die gesamte Weltgemeinschaft hat kein Interesse, dass nicht weit von seiner Südgrenze dort ein Land entsteht, wo zumindest auch die IAEO, also die Internationale Atomenergiebehörde sagt, wir sind nicht sicher, dass Iran tatsächlich keine Vorbereitungen für den Bau einer Atombombe trifft. Es ist also im beiderseitigen, im mehrseitigen Interesse, dass wir in Sachen Iran zum Beispiel vorankommen wie auch bei Georgien.
Heinlein: Sie sind, Herr Gahler, auch Mitglied der Iran-Delegation des Europäischen Parlaments. Welche Folgen hätte denn aus Ihrer Sicht ein dauerhaftes Fehlen Russlands bei den Verhandlungen mit Teheran über das umstrittene Atomprogramm?
Gahler: Wir wissen ja, dass Russland zum einen zu dem Kraftwerk in Bushehr bereits Brennstäbe liefert. Das ist auch insofern nicht grundsätzlich problematisch, als Russland die abgebrannten Brennstäbe ja auch wieder alle zurücknimmt. Von daher ist das unter internationaler Kontrolle. Und weil Russland dort eben im Prinzip konstruktiv tätig ist, sollte es in dem Bereich, wo die internationale Gemeinschaft kontrollieren will, auf der gleichen Wellenlänge bleiben. Es wäre schade, wenn es Iran, ausgerechnet diesem Regime gelingen könnte, Russland aus dieser Farlangs herauszubrechen.
Heinlein: Moskau sei in Sachen Iran im Prinzip konstruktiv tätig, haben Sie gesagt. Weiß Moskau um seine Bedeutung und will so seine weltpolitische Bedeutung unterstreichen, "seht her, es geht nicht ohne uns"?
Gahler: Es ist ja nicht nur der Bereich, wo wir gemeinsam mit Russland etwas tun. Wir haben in Nuklearfragen auch im Fall Nord-Korea mit Russland gearbeitet. Russland ist in anderen Bereichen, im Nahost-Quartett vertreten. Russland hat im UN-Sicherheitsrat das ISAF-Mandat für Afghanistan mit verlängert. Also Russland ist eingebunden in viele internationale Konflikte, bei der Lösung dort beteiligt zu sein, und ist dort auch tätig. Ich denke, dessen sollte man sich auch in Moskau immer wieder bewusst sein und auch die anderen Fragen konstruktiv angehen.
Heinlein: Besonders düster ist es ja derzeit im Verhältnis zwischen den USA und Russland. Braucht es umso mehr uns Europäer, das Europäische Parlament, die Europäische Kommission, um zwischen den Fronten zu vermitteln?
Gahler: Das haben wir ja bereits getan. Die französische Präsidentschaft war außerordentlich erfolgreich im Aushandeln erst eines Waffenstillstands und dann in der Verwirklichung unserer Kernwünsche, nämlich dass Russland sich aus Kern-Georgien zurückzieht. Insofern haben wir eine Rolle und auch bei uns im Europäischen Parlament haben wir diese Woche den Vorsitzenden des Europa-Ausschusses der russischen Staatsduma gehabt. Sprachlosigkeit ist auf europäischer Seite sicherlich nicht zu befürchten, ganz im Gegenteil. Deswegen haben wir auch eine Rolle. Wir liegen näher dran. Wir sind unmittelbar betroffen. Deswegen haben wir eine besondere Verantwortung, hier den Dialog in Gang zu halten.
Heinlein: Kann man dennoch von einem neuen Kalten Krieg zwischen den USA und Russland reden?
Gahler: Ich mag dieses Wort eigentlich nicht. Wir müssen uns auch bewusst sein, wir haben jetzt eine Phase, wo A in den USA Wahlkampf ist und in Russland natürlich auch ich sage mal für die innenpolitische Szenerie ein paar offenbar auftrumpfende Worte wohltuend wirken. Aber Russland muss man auch sagen, mit gewachsener Macht oder gefühlter erstärkter Macht wächst auch die Verantwortung. Verantwortung hat man dann international und eben nicht nur gegenüber dem heimischen Publikum.
Heinlein: Aber die Vokabel von der Eiszeit zwischen Russland und dem Westen ist durchaus angemessen?
Gahler: Ach Gott, ich möchte eigentlich ungern so ein Label dort dranknüpfen, wenn damit verbunden wäre, dass das die Rechtfertigung wäre, jetzt den Dialog einzustellen. Ich bin, egal welches Label man den Beziehungen im Augenblick anheftet, auf jeden Fall dafür, dass wir auf allen möglichen Ebenen und zu den problematischen Themen den Dialog fortsetzen, denn wie sollen wir denn anders die Probleme in den Griff bekommen.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, Michael Gahler (CDU). Ich danke für das Gespräch, Herr Gahler, und auf Wiederhören.
Gahler: Schönen Tag. Auf Wiederhören!