Schossig: Er erfand die Art Cologne und er brachte die Pop-Art nach Deutschland, Rudolf Zwirner, der Galerist. Inzwischen ist der Kunsthändler 73 Jahre alt geworden und mit ihm wollen wir reden natürlich über den Kölner Kunstmarkt. Seit einiger Zeit heißt die jährlich Kunstveranstaltung Art Cologne, übermorgen, am 1. November geht sie wieder los in Köln, zum 40. Mal. Frage an Rudolf Zwirner, den Galeristen, den Sammler, den Kunstvermittler: Sie haben 1967 zusammen mit ihrem Kölner Galeristenkollegen Hein Stünke die weltweit erste Messe für zeitgenössische Kunst gegründet, den Kölner Kunstmarkt. Was waren damals Ihre Motive?
Zwirner: Zunächst einmal, die wirtschaftliche Situation: Es war eine Rezession '66/'67 und das mangelnde Interesse an zeitgenössischer Kunst. Es war - zu unserem größten Ärger, wenn man so sagen will - das Interesse hauptsächlich gerichtet auf die Kunst der 20er Jahre, auf den deutschen Expressionismus, auf die Kunst aus der Bauhauszeit, also das, was als entartete Kunst galt und die École de Paris, die sich aber im Wesentlichen um informelle Kunst kümmerte, so dass also wer wie ich zeitgenössische Kunst anders verstand - Bilder von Richter oder Polke oder Warhol, amerikanische Pop-Art, hatte so gut wie gar keine Marktchancen und auch keine Öffentlichkeit.
Schossig: Das ist doch aber paradox, dann gründen Sie eine Messe, weil Sie keine Marktchancen haben. Wie ging das weiter?
Zwirner: Die Marktchancen erhofften wir durch eine größere Öffentlichkeit zu erlangen, dass wir eben herausgehen aus unserer Galerie, was damals ungewöhnlich war und auch von den alteingesessenen Kollegen abgelehnt wurde. Es galt damals die Aura als unverzichtbar für die Kunst. Aber durch Andy Warhol und seiner Idee der Factory fühlten wir uns sehr wohl ermutigt, die Bilder aus dem behüteten schönen Hort der eigenen Galerie auf den Markt zu tragen und mit anderen Kollegen gemeinsam die Öffentlichkeit wesentlich stärker zu erreichen, als es jedem Einzelnen von uns bis dahin gelang.
Schossig: Es war ein Erfolgsmodell und die Art Cologne von heute - Herr Zwirner - nicht mehr Kölner Kunstmarkt, sondern eben Art Cologne - jenes Kind… Ist es das noch, jenes Kind, dass Sie '67 in die Welt brachten?
Zwirner: Es ist natürlich durch die Tradition des Standortes immer noch das Kind. Der Kölner Kunstmarkt ist zur Art Cologne geworden. Aber es ist natürlich doch auch ein Kind mit Kindeskindern, so dass es eben ein viel größeres Unternehmen geworden ist. Vergessen Sie bitte nicht, dass der erste Kunstmarkt 17 oder 18 Kollegen umfasste, wir im Ballsaal des Gürzenichs uns einfanden. Als der Ballsaal nun zu eng wurde, zogen wir in den Kunstverein und in die Kunsthalle, aber immer noch waren wir ein kleines Grüppchen. Und schon bald erweiterte sich der Kunstmarkt, weil die Idee als solche zündend war und die Konkurrenz blieb nicht aus, es wurde ein Gegenmarkt in Düsseldorf gegründet. Es kam der noch erfolgreichere Kunstmarkt in Basel hinzu. Mit anderen Worten: Die Idee ist die gleiche geblieben, aber die Märkte haben sich unendlich vergrößert und damit auch ihr Gesicht verändert.
Schossig: Es gibt viel Konkurrenz, wie Sie sagen, für den Kölner Kunstmarkt, es gibt auch Plagiate. Mal andersrum gefragt: Die Vielfalt, die Termine sind gewachsen, würde denn Ihr Sohn, David Zwirner, Galerist in New York, jetzt auf diese letzte Herbstkunstmesse nach Köln kommen?
Zwirner: Ja, er würde gerne kommen. Er ist nicht gekommen, weil er jetzt gerade im Herbst die unglaubliche Saison in New York beginnen lässt. Er hat dort seine Ausstellungen und für ihn ist nach wie vor das eigene Haus noch wichtiger als die Beteiligung an Messen, wo auch immer sie stattfinden. Das Problem war auch, dass er kurz vorher in London auf der Frieze war. Wer auf so vielen Messen teilnehmen will, wie es heute üblich ist, braucht dafür eine eigene Abteilung innerhalb der Galerie.
Schossig: Ja, das Kunstmessenkarussell, sind Sie nicht auch ein bisschen selber mit Schuld, dass es dazu gekommen ist? Wie sehen Sie das im Nachhinein, im Rückblick?
Zwirner: Ja, ich sehe das eigentlich wie mit dem Zauberlehrling, der nun irgend etwas macht und nicht weiß, was er da eigentlich anrichtet. Es war für uns, Herrn Stünke und für mich, damals nicht möglich zu erahnen auch nur, dass die Öffentlichkeit derart präsent sein wird und zunehmen wird. Die Internationalisierung des Kunstmarktes und jetzt die sogar die Globalisierung des Marktes konnte keiner von uns voraussehen. Wir hatten damals jeder ein Duzend Sammler und waren selig, aber heute haben die Kunsthändler hunderte von potentiellen Sammlern, wo immer sie auch in der Welt beheimatet sind, selten an ihrem eigenen Standort.
Schossig: Sie sagen es: Globalisierung - mit der ArtBasel, der Frieze, mit anderen weltweiten Messen kann sich die Art Cologne mittlerweile nicht mehr messen, obwohl sie größer geworden ist. Vielleicht müsste sie ja wieder kleiner werden, fragt man sich. Bestimmt wird sie ihren Termin jetzt ändern. Halten Sie das für richtig, künftig, jetzt schon im kommenden Frühjahr die nächste Art Cologne zu machen, wie es der Direktor Herr Goodrow will?
Zwirner: Ja, ich denke ja, das sollte sein, dass man es jetzt nicht ein Jahr aussetzen lässt. Das würde ein Tor öffnen für die Konkurrenz. Düsseldorf wartet nur darauf, an die Stelle von Köln zu treten und hat Messeambitionen. Ich finde es richtig. Ich sage nur immer wieder, alleine kann die Messe es nicht schaffen. Sie braucht die Unterstützung eines runden Tisches. Der runde Tisch an dem Stadt Köln und das Museum Ludwig und die Messe mit Sammler, Händlern und Förderern wirtschaftlicher Kölner Institute.
Wenn nämlich neben der Messe nicht auch noch wirklich gut organisierte, wissenschaftlich ernstzunehmende, monographische Ausstellungen zeitgenössischer Künstler im Museum stattfindet, wird es die Konkurrenz im In- und Ausland nicht bestehen können. Die Frieze ist nicht nur deshalb so erfolgreich, weil sie in London ist und gut organisiert, sondern weil gleichzeitig in London auch noch bedeutende Veranstaltungen, besonders eben in der Tate Modern, stattfinden. Der Besucher in London kann die Frieze und wichtige Ausstellungen in Museen und Galerien finden.
Also ich sehe auch keinen Grund, warum man nicht parallel zur Messe in Köln immer wieder zeitgenössische Positionen im Museum ausstellt, allzumal der Nutznießer das Museum ist, denn durch diese Ausstellungen wird Qualität erkennbar und der Leiter des Museums hat die Möglichkeiten aus diesen Ausstellungen Erwerbungen fürs Haus vorzunehmen. Also ich denke, man müsste noch stärker Museum und Messe verzahnen. Natürlich muss dabei auch die Messe sich verschlanken. Die Idealzahl von hundert Ausstellern wird wohl nicht möglich sein, aber man muss sehen, dass man durch interessante Ausstellungen im Museum die Händler, die diese Künstler nun vertreten, gleichzeitig auch nach Köln bekommt. Das ist sicherlich ein guter Weg, wenn man wichtige, wirklich wichtige museale Künstler, die bereits schon in Museen sich befinden, mit bestimmten Ausstellungen würdigt und die Händler, die diese Künstler vertreten, gleichzeitig nach Köln auf die Messe einladen kann.
Schossig: Herr Zwirner, es braucht natürlich Förderer, es braucht große Künstler, es braucht große Kunst für so eine Messe, aber es braucht ja auch große, profilierte Galeristen. Sie waren damals Generalsekretär der Documenta, dann haben Sie angefangen, Kunst zu kaufen und weiterzuverkaufen, ein typischer Sammlerhändler. Gibt es solche Galeristenkarrieren heute überhaupt noch?
Zwirner: Ja. Es gibt immer noch Kunsthändler, die sich sehr wohl auch an der alten Kunst orientieren, die sehr wohl ein Gespür für die zeitgenössische Kunst und die Bedeutung der großen Kunst erkennen. Es gibt sehr wohl noch Kunsthändler, die nicht nur an den Markt denken, sondern eben auch ihren kulturellen Auftrag wahrnehmen und sowohl die alte und die neue Kunst auf ihren Messen und in den Galerien zeigen und fördern. Also das gibt es zum Glück auch noch.
Zwirner: Zunächst einmal, die wirtschaftliche Situation: Es war eine Rezession '66/'67 und das mangelnde Interesse an zeitgenössischer Kunst. Es war - zu unserem größten Ärger, wenn man so sagen will - das Interesse hauptsächlich gerichtet auf die Kunst der 20er Jahre, auf den deutschen Expressionismus, auf die Kunst aus der Bauhauszeit, also das, was als entartete Kunst galt und die École de Paris, die sich aber im Wesentlichen um informelle Kunst kümmerte, so dass also wer wie ich zeitgenössische Kunst anders verstand - Bilder von Richter oder Polke oder Warhol, amerikanische Pop-Art, hatte so gut wie gar keine Marktchancen und auch keine Öffentlichkeit.
Schossig: Das ist doch aber paradox, dann gründen Sie eine Messe, weil Sie keine Marktchancen haben. Wie ging das weiter?
Zwirner: Die Marktchancen erhofften wir durch eine größere Öffentlichkeit zu erlangen, dass wir eben herausgehen aus unserer Galerie, was damals ungewöhnlich war und auch von den alteingesessenen Kollegen abgelehnt wurde. Es galt damals die Aura als unverzichtbar für die Kunst. Aber durch Andy Warhol und seiner Idee der Factory fühlten wir uns sehr wohl ermutigt, die Bilder aus dem behüteten schönen Hort der eigenen Galerie auf den Markt zu tragen und mit anderen Kollegen gemeinsam die Öffentlichkeit wesentlich stärker zu erreichen, als es jedem Einzelnen von uns bis dahin gelang.
Schossig: Es war ein Erfolgsmodell und die Art Cologne von heute - Herr Zwirner - nicht mehr Kölner Kunstmarkt, sondern eben Art Cologne - jenes Kind… Ist es das noch, jenes Kind, dass Sie '67 in die Welt brachten?
Zwirner: Es ist natürlich durch die Tradition des Standortes immer noch das Kind. Der Kölner Kunstmarkt ist zur Art Cologne geworden. Aber es ist natürlich doch auch ein Kind mit Kindeskindern, so dass es eben ein viel größeres Unternehmen geworden ist. Vergessen Sie bitte nicht, dass der erste Kunstmarkt 17 oder 18 Kollegen umfasste, wir im Ballsaal des Gürzenichs uns einfanden. Als der Ballsaal nun zu eng wurde, zogen wir in den Kunstverein und in die Kunsthalle, aber immer noch waren wir ein kleines Grüppchen. Und schon bald erweiterte sich der Kunstmarkt, weil die Idee als solche zündend war und die Konkurrenz blieb nicht aus, es wurde ein Gegenmarkt in Düsseldorf gegründet. Es kam der noch erfolgreichere Kunstmarkt in Basel hinzu. Mit anderen Worten: Die Idee ist die gleiche geblieben, aber die Märkte haben sich unendlich vergrößert und damit auch ihr Gesicht verändert.
Schossig: Es gibt viel Konkurrenz, wie Sie sagen, für den Kölner Kunstmarkt, es gibt auch Plagiate. Mal andersrum gefragt: Die Vielfalt, die Termine sind gewachsen, würde denn Ihr Sohn, David Zwirner, Galerist in New York, jetzt auf diese letzte Herbstkunstmesse nach Köln kommen?
Zwirner: Ja, er würde gerne kommen. Er ist nicht gekommen, weil er jetzt gerade im Herbst die unglaubliche Saison in New York beginnen lässt. Er hat dort seine Ausstellungen und für ihn ist nach wie vor das eigene Haus noch wichtiger als die Beteiligung an Messen, wo auch immer sie stattfinden. Das Problem war auch, dass er kurz vorher in London auf der Frieze war. Wer auf so vielen Messen teilnehmen will, wie es heute üblich ist, braucht dafür eine eigene Abteilung innerhalb der Galerie.
Schossig: Ja, das Kunstmessenkarussell, sind Sie nicht auch ein bisschen selber mit Schuld, dass es dazu gekommen ist? Wie sehen Sie das im Nachhinein, im Rückblick?
Zwirner: Ja, ich sehe das eigentlich wie mit dem Zauberlehrling, der nun irgend etwas macht und nicht weiß, was er da eigentlich anrichtet. Es war für uns, Herrn Stünke und für mich, damals nicht möglich zu erahnen auch nur, dass die Öffentlichkeit derart präsent sein wird und zunehmen wird. Die Internationalisierung des Kunstmarktes und jetzt die sogar die Globalisierung des Marktes konnte keiner von uns voraussehen. Wir hatten damals jeder ein Duzend Sammler und waren selig, aber heute haben die Kunsthändler hunderte von potentiellen Sammlern, wo immer sie auch in der Welt beheimatet sind, selten an ihrem eigenen Standort.
Schossig: Sie sagen es: Globalisierung - mit der ArtBasel, der Frieze, mit anderen weltweiten Messen kann sich die Art Cologne mittlerweile nicht mehr messen, obwohl sie größer geworden ist. Vielleicht müsste sie ja wieder kleiner werden, fragt man sich. Bestimmt wird sie ihren Termin jetzt ändern. Halten Sie das für richtig, künftig, jetzt schon im kommenden Frühjahr die nächste Art Cologne zu machen, wie es der Direktor Herr Goodrow will?
Zwirner: Ja, ich denke ja, das sollte sein, dass man es jetzt nicht ein Jahr aussetzen lässt. Das würde ein Tor öffnen für die Konkurrenz. Düsseldorf wartet nur darauf, an die Stelle von Köln zu treten und hat Messeambitionen. Ich finde es richtig. Ich sage nur immer wieder, alleine kann die Messe es nicht schaffen. Sie braucht die Unterstützung eines runden Tisches. Der runde Tisch an dem Stadt Köln und das Museum Ludwig und die Messe mit Sammler, Händlern und Förderern wirtschaftlicher Kölner Institute.
Wenn nämlich neben der Messe nicht auch noch wirklich gut organisierte, wissenschaftlich ernstzunehmende, monographische Ausstellungen zeitgenössischer Künstler im Museum stattfindet, wird es die Konkurrenz im In- und Ausland nicht bestehen können. Die Frieze ist nicht nur deshalb so erfolgreich, weil sie in London ist und gut organisiert, sondern weil gleichzeitig in London auch noch bedeutende Veranstaltungen, besonders eben in der Tate Modern, stattfinden. Der Besucher in London kann die Frieze und wichtige Ausstellungen in Museen und Galerien finden.
Also ich sehe auch keinen Grund, warum man nicht parallel zur Messe in Köln immer wieder zeitgenössische Positionen im Museum ausstellt, allzumal der Nutznießer das Museum ist, denn durch diese Ausstellungen wird Qualität erkennbar und der Leiter des Museums hat die Möglichkeiten aus diesen Ausstellungen Erwerbungen fürs Haus vorzunehmen. Also ich denke, man müsste noch stärker Museum und Messe verzahnen. Natürlich muss dabei auch die Messe sich verschlanken. Die Idealzahl von hundert Ausstellern wird wohl nicht möglich sein, aber man muss sehen, dass man durch interessante Ausstellungen im Museum die Händler, die diese Künstler nun vertreten, gleichzeitig auch nach Köln bekommt. Das ist sicherlich ein guter Weg, wenn man wichtige, wirklich wichtige museale Künstler, die bereits schon in Museen sich befinden, mit bestimmten Ausstellungen würdigt und die Händler, die diese Künstler vertreten, gleichzeitig nach Köln auf die Messe einladen kann.
Schossig: Herr Zwirner, es braucht natürlich Förderer, es braucht große Künstler, es braucht große Kunst für so eine Messe, aber es braucht ja auch große, profilierte Galeristen. Sie waren damals Generalsekretär der Documenta, dann haben Sie angefangen, Kunst zu kaufen und weiterzuverkaufen, ein typischer Sammlerhändler. Gibt es solche Galeristenkarrieren heute überhaupt noch?
Zwirner: Ja. Es gibt immer noch Kunsthändler, die sich sehr wohl auch an der alten Kunst orientieren, die sehr wohl ein Gespür für die zeitgenössische Kunst und die Bedeutung der großen Kunst erkennen. Es gibt sehr wohl noch Kunsthändler, die nicht nur an den Markt denken, sondern eben auch ihren kulturellen Auftrag wahrnehmen und sowohl die alte und die neue Kunst auf ihren Messen und in den Galerien zeigen und fördern. Also das gibt es zum Glück auch noch.
