Mittwoch, 24. April 2024

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Gaming-Community
Digitaler Widerstand gegen Hedgefonds

Eine Online-Community auf der Social-News-Plattform Reddit versucht riesige US-Hedgefonds zu Fall zu bringen. Der Grund: Melvin Capitol und Citron wetteten auf die Pleite der Einzelhandelskette GameStop. Es geht um den Einfluss digitaler Gemeinschaften auf die Finanzmärkte.

Raphael Smarzoch im Gespräch mit Christoph Reimann | 28.01.2021
Eine Filiale der Einzelhandeskette Gamestop in den USA. Davor parkende Autos.
Power to the Players - das Motto der Einzelhandelskette wird im Aktienhandel real. (Paul Weaver / Imago)
Seit immer mehr Spieler*innen Computerspiele online kaufen, haben Unternehmen wie GameStop große Verluste gemacht. Die weltweit größte Einzelhandelskette für Computerspiele steht vor dem Bankrott. Ihre Aktien sanken in den Keller. Ein gefundenes Fressen für die großen Hedgefonds, die an den Verlusten des Unternehmens Geld verdienen wollten. Doch der Plan scheint nicht aufzugehen. In einer großen Online-Kampagne stellen sich Gamer und andere private Kleininvestsoren mit Erfolg gegen die Hedgefonds-Manager.

Das Gamestop-Phänomen

Denn, so Corso-Redakteur Raphael Smarzoch: "Mit Gamestop werden nostalgische Momente verbunden." Viele Gamer*innen haben bei Gamestop in der Vergangenheit ihre Konsolenspiele gekauft. Das führte unter anderem dazu, "dass Nutzer*innen des Reddit-Forums r/wallstreetbets beschlossen haben, gegen die Hedgefonds vorzugehen," so Raphael Smarzoch in Corso. Der Grund: "Große Hedgefonds haben seit geraumer Zeit gegen die Aktie von GameStop gewettet."

"Ein David-gegen-Goliath-Szenario"

Die Hedgefonds spekulierten offenbar auf sinkende Kurse. "Durch sogenannte Leerverkäufe, leihen sie sich Gamestop-Aktien und verkaufen sie im Anschluss wieder, um sie dann einige Zeit später zu günstigeren Konditionen wieder zu erwerben und dadurch Gewinne einzufahren." Da der Preis der Aktie aber durch die vielen Online organisierten Kleininvestoren drastisch steigt, machen die Hedgefonds jetzt Verluste in Milliardenhöhe.
"Wir haben hier also so etwas wie einen digitalen Klassenkampf, ein David-gegen-Goliath-Szenario. Eine Mischung aus Klassenkampf, Risiko-Spiel, Machtrausch, den Mächtigen da oben, eins auszuwischen."

Das Machtpotenzial der digitalen Parallelwelt

"Das Gamestop-Phänomen zeigt uns, welches Machtpotenzial aus der digitalen Parallelwelt kommen kann und welche gegenkulturelle Dynamik damit einhergeht, die hier selbst maskiert als großes Spiel zum Einsatz kommt." Das habe sich bereits gezeigt, als die K-Pop Community eine Wahlveranstaltung Donald Trumps sabotierte. Die Macht solcher online organisierten Communities und digitalen Parallelwelten sei also nicht zu unterschätzen. Es sind sozusagen Weltenbaumaschinen, so Raphael Smarzoch, "in der in diesem Fall Shitposter, Internet-Trolle, Gamer, Hobby-Spekulanten und interessierte Kleinanleger, Realität formen. Sie buchstäblich umbauen."
Das in diesen Organisationsformen verbundene Mobilisierungspotenzial sei aber auch für eine popkulturell gefärbte Politik interessant. Die Gaming-affine US-Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez postete zum Beispiel vor ein paar Tagen auf Twitter: "Ich muss zugeben, dass es beeindruckend ist zu sehen, wie Mitarbeiter der Wallstreet, die unsere Wirtschaft wie ein Casino behandelten, sich über ein Messageboard beschweren, das jetzt den Finanzmarkt wie ein Casino behandelt."