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Garrett: Republikaner wollen Obama schaden

Die US-Republikaner nutzen die Abhöraffäre bei der Nachrichtenagentur AP, um Präsident Obama zu schwächen, meint Crister Garrett. Der Politikwissenschaftler hält die Kontrollen für gesetzeskonform, begrüßt aber die Diskussion darüber.

Crister Garrett im Gespräch mit Sandra Schulz | 15.05.2013
    Sandra Schulz: Da hat die US-Regierung wirklich keine falsche Bescheidenheit gezeigt. Die Daten von zahlreichen Journalisten der Nachrichtenagentur Associated Press haben sich die Ermittler für das US-Justizministerium beschafft, nach Angaben von AP. Nachdem gleich zwei Geschichten, die die US-Regierung für geheim hielt, die aber nicht geheim geblieben waren, sondern in großen Medien veröffentlicht wurden, waren die Ermittler auf der Suche nach dem Leck. Eine der Enthüllungen ging auf das Konto von AP.

    Am Telefon bin ich jetzt verbunden mit Crister Garrett, US-Politikwissenschaftler der Universität Leipzig. Guten Tag!

    Crister Garrett: Guten Tag, Frau Schulz.

    Schulz: Die Regierung verteidigt sich, wir haben es gerade gehört, sie habe nicht überreagiert. Stimmt das?

    Garrett: Das ist schwierig eigentlich zu beantworten. Wir leben in einer neuen Welt, wo solche Prozedere eigentlich gesetzeskonform sind. Wir sehen, dass das Leck kam, die nationalen Sicherheitsbehörden waren empört, haben das Justizministerium eingeschaltet, da fing ein Prozess an, und was wir alle wissen, haben die laut der Vorschriften diesen Fall weiter verfolgt: mit Jury, mit anderen Behörden, mit Genehmigung für diese Durchsuchungen und so weiter und so fort. Und dann mussten sie auch AP, Associated Press, davon informieren, das haben sie auch getan, und das hat dann den Feuersturm dementsprechend ausgelöst. Es ist einfach das neue Klima nach dem 11. September, wo solche Schritte jetzt gesetzmäßig möglich sind.

    Schulz: Sie gehen davon aus, dass diese Kontrollen legal waren. Das scheint aber gerade umstritten zu sein, auch, ob es diese Warnung an AP gegeben hat. Wo verläuft da die Grenze?

    Garrett: Die Meldung kam spät. Das Justizministerium muss innerhalb von 45 Tagen das Ziel davon informieren. Laut Berichten aus der Washington Post war es 90 Tage, also das hat sich durchaus verschoben. Aber worum es im Kern wirklich geht, ist, wozu ist die Bundesregierung fähig oder erlaubt, solche Lecke dann zu untersuchen, und da müssen die Republikaner natürlich vorsichtig sein, weil diese Infrastruktur war von der ehemaligen Regierung eigentlich aufgebaut und die setzt durchaus aber der gegenwärtige Präsident ein.

    Schulz: Aber wenn wir noch mal auf den Fall schauen: Es hat ja eine ganz lange Liste gegeben. Manche Agenturen schreiben sogar von bis zu 100 Journalisten, deren Telefondaten abgefischt worden sein sollen. Ist denn überhaupt vorstellbar, dass das verhältnismäßig war?

    Garrett: Das kann ich nicht beantworten, weil wir kennen nicht die Natur des Lecks. Wir haben gerade den Justizminister Holder gehört. Er meint, dass es wirklich eine große direkte nationale Gefahr wäre. Das ist unmöglich für uns zu beurteilen. Es ging um zwei Monate, wo sie, genau wie Sie sagen, Telefonate und so weiter massiv untersucht haben. Es hat einen neuen Charakter natürlich in diesem Sinne. Ob das angemessen war oder nicht, ist, denke ich, von hier und mit dem Informationszustand, den wir haben, unmöglich zu schätzen. Dass jetzt eine sehr heiße Debatte dazu läuft, finde ich sehr gut eigentlich, weil, das stellt noch einmal den ganzen Apparat infrage, der nach dem 11. September genau für solche Fälle aufgebaut worden ist, und da muss die USA sich als Demokratie fragen: Lohnt sich das?

    Schulz: Und im Zentrum der Kritik steht (noch) US-Justizsenator oder Minister Eric Holder. Wie gefährlich wird es für Barack Obama noch?

    Garrett: Man muss ein bisschen die Geschichte in verschiedenen Ebenen sehen. Die Republikaner versuchen natürlich, so viel Sand in das Getriebe zu streuen für den Präsidenten, damit er einfach nicht wirksam ist und an Popularität und Macht verliert, ganz offen gesagt. Wir haben über die Steuerbehörden-Geschichte gehört, wir haben über Bengasi in Libyen gehört und jetzt haben wir die AP-Geschichte. Das wird alles zusammengeworfen und die Vorwürfe werden ganz heiß gekocht. Also das ist ernst für den Präsidenten und für Holder sowieso, weil die müssen sich natürlich mit all diesen Neuigkeiten konfrontieren und das verlangt sehr viel Zeit, Zeit, die zum Regieren dann nicht übrig ist, und das ist Teil der Taktik, der Strategie eigentlich hier und da werden große Worte gesprochen:Jetzt geht es noch einmal um den Watergate-Skandal aus den 70er-Jahren und solche Sachen.

    Schulz: Auf diesen Vergleich hat der Regierungssprecher Jay Carney offenbar mit einem Wutanfall reagiert. Er sagte: Leute, die solche Vergleiche ziehen, müssen ihr Geschichtsverständnis hinterfragen. Ist der Vergleich wirklich nicht erlaubt?

    Garrett: Er ist natürlich erlaubt, aber er ist nicht angemessen. Die Geschichten sind wirklich völlig anders. Noch einmal: Watergate als Geschichte Anfang der 70er-Jahre ging wirklich um das Weiße Haus, genauer gesagt sogar das Oval Office, wo der Präsident sitzt. Die haben bestimmte Schritte genehmigt, um Einbrüche in Partei-Headquarters für die demokratische Partei und Akten wurden dann gestohlen und benutzt und so weiter für politische Zwecke. Da haben wir eine Beweislage und eine direkte Beweislage, die völlig anders ist jetzt. Nehmen wir jene Geschichte zum Beispiel: AP ist, das werden wir erfahren, das lief intern in der Justizbehörde offen und laut Vorschriften, soweit wir wissen. Bengasi und Libyen ist deutlich komplizierter und die Steuerbehörden-Geschichte lief zu einer Zeit, wo ein Republikaner eigentlich das Sagen hatte in der nationalen Steuerbehörde. Das ist mit Verlaub wirklich nicht mit Watergate zu vergleichen, aber natürlich versucht man, das jetzt hochzukochen, weil Skandale in Washington DC, wie wir wissen, gehören zum Tagesgeschäft und da ist plötzlich viel zu berichten und gerade für die Republikaner ist das von Nutzen.

    Schulz: Aber gerade die Demokraten stellen in den USA ja immer noch die Regierung, trotz Ihres Verweises auf den Republikaner bei der Steuerbehörde. Es hat offenbar diese verschärften Kontrollen gegeben bei Anhängern der Tea Party. Hat die demokratische Regierung von Barack Obama ein Problem mit dem Rechtsstaat?

    Garrett: Das würde ich nicht sagen. Die Inspector General, also die Untersuchungsbehörde für die Bundesregierung, hat heute einen Zwischenbericht veröffentlicht zu dieser Steuerbehörden-Geschichte und es fokussiert sich auf ein Zweitbüro in Cincinnati im Bundesstaat Ohio, wo das ablief. Und noch einmal: Es war keine Geheimaktion, mehrere Instanzen wurden eingeschaltet. Und dieses unabhängige Untersuchungsbüro für die Bundesregierung, also für die Regierung insgesamt, für beide Parteien, hat gesagt, da sieht man keine direkte Linie. Und noch einmal: Zu jener Zeit, 2010/2011, waren die Republikaner am Steuer dieser Steuerbehörde.

    Schulz: Crister Garrett, US-Politikwissenschaftler, im Moment an der Universität Leipzig und heute in den "Informationen am Mittag". Herzlichen Dank für das Interview.

    Garrett: Sehr gerne!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.