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Gasförderung Polen
Big Brother auf dem Fracking-Acker

In Polen regt sich Widerstand gegen ein Fracking-Projekt des US-Konzerns Chevron im Osten des Landes. Die Landwirte haben Angst vor den Umweltfolgen und nutzen Überwachungskameras, um den Bohrungsbeginn zu verhindern – doch auch der Konzern schützt sich.

Von Ernst-Ludwig von Aster | 25.06.2014
    Protest gegen Fracking in Polen
    Protest gegen Fracking in Polen (Deutschlandradio Kultur)
    Der rote Traktor wirkt wie ein winziger, brummender Käfer inmitten der Wiesen und Felder, die sich bis zum Horizont erstrecken.
    "Ich bin auf dem Weg, um Gras zu mähen", sagt Andrzej. Zwölf Hektar Land bewirtschaftet er, hier in Ostpolen, rund um die Gemeinde Zurawlow. Doch bevor er den Mähbalken senkt, will er erst einmal protestieren.
    "Occupy Chevron" fordert ein Transparent am Straßenrand. Darunter mahnen, auf Stöcke gespießt, sechs Gasmasken. Chevron, einer der größten Energiekonzerne der Welt, will hier nach Schiefergas suchen, besitzt die Konzession für eine Probebohrung.
    Andrzej klettert vom Traktor. Stapft auf einen großen Bauwagen zu, der beklebt ist mit Protestplakaten "No Fracking" steht da. Und "Chevron go home". Daneben ein grünes Versammlungszelt und ein großer Hänger, meterhoch beladen mit Strohballen. Tomek, ein anderer Landwirt, wartet rauchend am Straßenrand..
    "Natürlich ist es nicht einfach, Protest und Landwirtschaft unter einen Hut zu bringen", sagt Andrzej. Aber wir kriegen es schon hin. "Das muss sein", sagt Tomek und nickt immer wieder bestätigend. "Das muss sein."
    Landwirte und Weltkonzern belauern sich
    Andrzej deutet kurz nach rechts, aufs Nachbarfeld: Da liegt das Chevron-Camp. Ein Bauwagen, ein Dixi-Klo, ein orangener Generator, ein Mast mit einer Scheinwerferbatterie, ein zweiter mit einer Rundum-Überwachungskamera. Ein Sicherheitsmann in schwarzer Uniform mit gelber Leuchtweste blickt herüber, greift zum Mobil-Telefon. Er bewacht eine Schaufel, einige Holzpfosten und ein paar Rollen Zaundraht.
    "Ich komme fast jeden Tag hierher", sagt Tomek Seit einem Jahr belauern sich der Weltkonzern und die Landwirte hier auf dem Acker. Einmal kam der Konzern mit schwerem Baugerät, die Bauern blockierten die Zufahrt. Denn die führt über ihren Acker. Dann wollte das Unternehmen das gepachtete Gelände einzäunen. Wieder stellten sich ihm die Anwohner in den Weg.
    Nach fünf Minuten stoppt ein schwerer, schwarzer Pickup vor dem Feld. Noch ein Sicherheitsmann steigt aus, wuchtet einen Kanister von der Ladefläche. Stapft über den Acker zum Chevron-Generator. Barbara, die hier alle nur Basha nennen, blickt ihm nach. Sie kennt das schon.
    "Der eine Sicherheitsmann ruft an ", sagt sie: "Und dann kommt sofort sein Kollege. Und bringt Treibstoff. Damit sie ihre Überwachungskamera betreiben können."
    Big Brother auf dem Acker. Doch die Einwohner von Zurawlow wissen sich zu wehren. Sie haben Strohballen als meterhohen Sichtschutz auf einen Hänger gestapelt:
    Der Wagen ist die Schaltzentrale der Fracking-Gegner. Vier Frauen, alle Mitte 40, stämmig, mit kräftigen Händen, beugen sich drinnen über einen Laptop, kontrollieren die Bildqualität. Den Strom liefert ein Solarmodul auf dem Dach.
    "Eine Kamera überwacht die Straße, und schickt uns laufend die Bilder aufs Smartphone, sagt Basha. Ihre Mitstreiterinnen nicken. So haben sie bis jetzt verhindert, dass Chevron seinen Probebohrturm aufbauen konnte. Die Trecker sind immer schneller vor Ort als die Baumaschinen.
    In der Ecke steht ein alter Kanonenofen aus Traktorteilen, an der Wand hängen Zeitungsartikel, eine Landkarte mit Bohrkonzessionen. Hunderte Seiten Unterlagen warten griffbereit in den Ordnern.
    "Es dauerte eine ganze Zeit, bis wir alles zusammen hatten, bis wir wussten, auf welche Dokumente Chevron noch wartet. Bis wir Widerspruch einlegen konnten, dauerte es ein ganzes Jahr. Dann haben wir uns an das Umweltministerium gewandt."
    Die Anwohner entdeckten Lücken in der Zulassung, legten Widerspruch ein, wo es ging. Verwiesen immer wieder auf das riesige Grundwasser-Reservoir der Region. In Zurawlow kommt das Trinkwasser direkt aus dem Untergrund, jeder hat hier seinen Hausbrunnen. Als Chevron im Nachbarort mit seismischen Voruntersuchungen begann und Druckwellen durch die Erde schickte, versiegten einige Brunnen, bei anderen wurde das Wasser dunkel, erzählt Basha.
    "Was dort passiert ist, macht uns Angst. Wenn schon solche Erkundungen schon Probleme machen, was passiert dann, wenn richtig nach Gas gebohrt wird. Wir haben rausgefunden, dass Chevrons Lizenzen ein Gebiet umfassen, in dem die Grundwasserreservoirs für drei Städte liegen. Bei einem Fehler würden Tausende ohne Trinkwasser sein."