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Gaspreis könnte wieder fallen

Pünktlich zum Herbstanfang haben die Energieversorger die Öl- und Gaspreise kräftig erhöht. Der Gaspreis könnte nur wieder fallen, wenn die Ölpreisbindung aufgehoben und der Markt für die Konkurrenz geöffnet wird, so der Energieexperte Holger Krawinkel von der Verbraucherzentrale Bundesverband. Heute Nacht um null Uhr endete ein entsprechendes Ultimatum des Bundeskartellamtes.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Es wird kalt in Deutschland. Am Morgen und in der Nacht ist zu spüren: Die kalte Jahreszeit steht vor der Tür, wir müssen heizen. Die meisten Verbraucher blicken durchaus mit Sorge auf die kommenden Monate, denn sie wissen, das warme Haus, die wohltemperierte Wohnung, wird teuer. Pünktlich zum Herbstanfang haben die Energieversorger noch einmal kräftig hingelangt und die Öl- und Gaspreise kräftig erhöht. Doch es regt sich Widerstand.

    Politik und Rechtsprechung machen dem Bürger Mut, sich zu wehren gegen die Preistreiberei der Konzerne. Von undurchsichtigen Kalkulationen ist da die Rede, von Preisabsprachen und Wettbewerbswidrigen Bedingungen. Heute Nacht um null Uhr endete ein Ultimatum des Bundeskartellamtes. Das gute Dutzend heimischer Energieversorger war aufgefordert, freiwillig die Öffnung des weitgehend abgeschotteten deutschen Gasmarktes für die Konkurrenz zu akzeptieren.

    Bei mir am Telefon ist nun der Energieexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband, Holger Krawinkel, guten Morgen.

    Holger Krawinkel: Guten Morgen.

    Heinlein: Glauben Sie an den Erfolg eines solchen Ultimatums?

    Krawinkel: Ja, es wird schwierig sein, das zu beurteilen. Es wird ja inzwischen von Kompromissen gesprochen, die sich mehr auf die Neuverträge beziehen sollen und die Altverträge weit gehend ungeschoren bleiben sollen. Da muss man abwarten, was da genau bei rauskommt.

    Heinlein: Herr Krawinkel, bei dem Ultimatum - ich sagte es bereits - geht es ja um die Öffnung des deutschen Gasmarktes für die Konkurrenz. Ist dies tatsächlich der entscheidende Punkt für eine Gaspreissenkung?

    Krawinkel: Also, das ist ein Punkt. Es geht ja hier um die Laufzeit der Verträge zwischen den Großlieferanten und den Stadtwerken. Solange die so lange sind, über zwanzig Jahre zum Teil, ist es natürlich für jeden Anbieter schwierig, Stadtwerke zu beliefern. Und die Stadtwerke können sich schlecht andere Lieferanten aussuchen. Also es ist eine ganz wichtige Bedingung, dass dort neue Anbieter auf den Markt kommen.

    Aber das ist natürlich nicht alles, denn wir haben noch die Ölpreisbindung der Gaspreise, wir haben mangelnde Transparenz bei der Preiskalkulation und wir haben natürlich auch noch Probleme bei der Netznutzung. Aber für alle Punkte gibt es Aktionen und Gesetzte, so dass ich da zumindest relativ optimistisch in die Zukunft sehe.

    Heinlein: Bleiben wir bei dem einen Punkt, der Öffnung des deutschen Gasmarktes für andere Anbieter, wie es das Kartellamt ja jetzt verlangt. Woher kommen die anderen Anbieter? Sind das ausländische Anbieter? Oder geht es auch um eine innerdeutsche Konkurrenz?

    Krawinkel: Hier würde es in erster Linie vermutlich um ausländische Anbieter gehen. Zum Beispiel die Mineralölkonzerne, die im Gasmarkt tätig werden können. Bei den Stadtwerken kann man sich natürlich vorstellen, dass die untereinander Konkurrenz sich machen. Es ist ja heute für den Gaskunden nicht möglich, den Lieferanten zu wechseln, weil die Märkte noch nicht offen sind und weil es da auch keine Anbieter gibt.

    Heinlein: Also in Zukunft könnte ein Stuttgarter Konzern, Gasversorger dann in Karlsruhe anbieten, und umgekehrt?

    Krawinkel: Ja, genau wie das beim Strombereich bereits auch möglich ist, richtig.

    Heinlein: Und diese Konkurrenz belebt das Geschäft und senkt die Preise?

    Krawinkel: Davon muss man ausgehen, weil die Margen sind im Gasgeschäft sicher relativ hoch. Wir gehen davon aus, dass die deutschen Gaspreise etwa zehn bis 15 Prozent überhöht sind, und das könnte durch mehr Wettbewerb sozusagen an die Kunden ausgeschüttet werden.

    Heinlein: Aber Öl und Gas sind ja ohne Zweifel insgesamt teurer geworden auf den internationalen Märkten. Ist es deshalb nicht gerechtfertigt, wenn jetzt die Gasversorger sagen: "Diese Preise, diese gestiegenen Preise müssen wir auch weitergeben an die Verbraucher?"

    Krawinkel: Ja, es ist - wie gesagt - einmal möglich, diese Effizienzreserven, wie man so schön sagt, zu nutzen. Also durch Wettbewerb etwa zehn bis 15 Prozent Preissenkung zu erreichen. Aber dann würde natürlich die Entwicklung auf den internationalen Märkten wieder voll durchschlagen. Und das Problem aktuell besteht ja darin, dass zwar natürlich auch die Gaspreise für die Importeure steigen, aber dieser Importpreis im Prinzip nur etwa ein Viertel bis ein Drittel des Gesamtpreises ausmacht. Und deswegen dürften die nicht voll durchschlagen.

    Heinlein: Herr Krawinkel, Sie haben es erwähnt eingangs, Kritik gibt es auch an der Koppelung des Gaspreises an den Ölpreis. Was ist denn die Rechtfertigung bisher? Was gibt es - gibt es eine Erklärung für diese Koppelung?

    Krawinkel: Ja, das hat historische Gründe. Als das Gasnetz aufgebaut wurde, wollte man natürlich sicher gehen, dass die Investitionen sich rentieren und nicht durch niedrige Ölpreise sozusagen auskonkurriert werden. Deswegen hat man das aneinander gekoppelt. Aber das ist natürlich längst Geschichte. Der Anteil des Erdgases bei der Beheizung von Wohnungen beträgt inzwischen fast fünfzig Prozent. Also da ist man voll im Markt etabliert und das ist eigentlich keine Rechtfertigung mehr heute.

    Heinlein: Und würde ein Wegfall dieser Koppelung dann auch zu niedrigeren Preisen für die Verbraucher sorgen?

    Krawinkel: Ja zumindest müsste es den Verbrauchern freigestellt werden und teilweise gibt es ja solche Angebote, zu sagen, also ich möchte einen Vertrag ohne Ölpreiskopplung, ein anderer möchte sie vielleicht doch haben, andere möchten ein Jahr lang Festpreise haben. Es gibt es ja zum Teil schon. Aber dass das nicht mehr generell vorgegeben werden, sonst ist bei steigenden Ölpreisen das natürlich eine Art Gelddruckmaschine.

    Heinlein: Doch noch, Herr Krawinkel, gibt es ja diese Koppelung. Und auch der Gasmarkt ist noch nicht offen für andere Anbieter. Die Politik, Frau Künast und Herr Clement, ermuntern ja nun die Verbraucher sich zu wehren, zu klagen gegen die Erhöhung der Energiepreise. Wie Erfolg versprechend sind denn solche rechtlichen Schritte?

    Krawinkel: Na ja, wir haben ja jetzt die erste so genannte Sammelklage in Hamburg. Eine Feststellungsklage, inwieweit die Gaspreiserhöhungen dort gerechtfertigt sind, angemessen sind. Hier geht es vor allem darum, die Unternehmen zu zwingen, ihre Kalkulation offen zu legen. Also wirklich darzulegen, wie auf Grund der durchaus gestiegenen Importpreise sich tatsächlich der Endenergiepreis für die Verbraucher erhöht. Und da gibt es erhebliche Zweifel, ob dort so kalkuliert wurde, dass tatsächlich nur diese Erhöhung an die Verbraucher weitergegeben wurden.

    Heinlein: Wie risikoreich ist denn eine solche Klage, auch wenn es eine Sammelklage ist für den Verbraucher? Gibt es die Gefahr, dass man am Ende draufzahlen muss?

    Krawinkel: Es gibt natürlich immer in Prozessen Risiken, die sind begrenzt durch den Streitwert. Aber es ist natürlich mit gewissen Unannehmlichkeiten verbundnen. Auf der anderen Seite hat es umgekehrt bisher noch keine Klage der Versorger gegeben, diese Beträge einzutreiben. Also ich denke, da wird es sicher auch noch Bewegung geben, weil die Unternehmen ja in vielen Bereichen ihre Kalkulation offen legen müssen.

    Das sind ja nicht nur die Sammelklagen, die das einfordern, sondern auch ab Januar spätestens die Bundesnetzagentur, die zumindest für den ganz wichtigen Teil der Netzentgelte diese Kalkulation sehen will. Und die machen ja fast fünfzig Prozent des gesamten Preises aus.

    Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk, Holger Krawinkel, Energieexperte der Verbraucherzentrale Bundsverband. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Krawinkel: Ja, danke schön.