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Gasstreit im Mittelmeer
Türkei hält an Machtansprüchen trotz drohender Sanktionen fest

Der Streit um Erdgas im östlichen Mittelmeer zwischen der Türkei und der EU verschärft sich. Über kurz oder lang werde die EU nicht darum herum herumkommen, Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen, sagte Istanbul-Korrespondent Thomas Seibert im Dlf. Die bisherige Kompromissuche habe nichts gebracht.

Thomas Seibert im Gespräch mit Ann-Kathrin Jeske |
Das türkische Bohrschiff Yavuz
Türkische Kriegsschiffe sollen Bohrschiffe in Richtung Kreta begleiten (imago images / Xinhua)
Bundesaußenminister Heiko Maas war gestern zu Besuch in Griechenland. In dem Gespräch mit dem griechischen Außenminister Nikos Dendias ging es vor allem um die türkischen Bohrungen nach Gas im östlichen Mittelmeer. Der SPD-Politiker Maas sagte: "Bezüglich der Bohrungen durch die Türkei im östlichen Mittelmeer haben wir eine ganz klare Haltung. Das Völkerrecht muss eingehalten werden, und deswegen sind Fortschritte in den EU-Türkei-Beziehungen nur dann möglich, wenn Ankara Provokationen im östlichen Mittelmeer unterlässt."
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, aufgenommen am 12. Mai 2020 in Istanbul
Türkisch-griechischer Streit - Geopolitik im Mittelmeer
Griechenland, Zypern, Israel und Ägypten wollen bei der Ausbeutung von Bodenschätzen im Mittelmeer kooperieren – ohne die Türkei. Die erhebt selbst Ansprüche auf das Gas. Die Wurzeln des Streits liegen in einem ungelösten Konflikt.
Der Streit um Erdgas im östlichen Mittelmeer verschärft sich nun weiter. Zahlreiche Schiffe der türkischen Kriegsmarine bewegen sich seit Dienstag in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer südlich der griechischen Inseln Rhodos und Kreta. Einschätzungen dazu von Thomas Seibert, der als Korrespondent aus Istanbul berichtet.

Ann-Kathrin Jeske: Ziemlich deutliche Worte des Außenministers. Vor der Küste Zyperns bohrt die Türkei schon nach Gas. Vor der griechischen Insel Kreta hat sie das immer wieder angekündigt. Gestern Abend wurde diese Ankündigung konkreter: Meldungen der Nachrichtenagentur Reuters zufolge sollen türkische Kriegsschiffe jetzt auslaufen, um vor Kreta nach Gas zu suchen. Thomas Seibert in Istanbul, ist diese Meldung jetzt schon offiziell bestätigt von der Türkei?
Thomas Seibert: Ja, das ist sie. Das türkische Außenministerium hat vor wenigen Minuten eine Erklärung herausgegeben, in der diese Aktion bestätigt wird. Die Rede ist von einer sogenannten Navtex-Erklärung. Damit wird angekündigt, dass sich türkische Kriegsschiffe in einem bestimmten Seegebiet aufhalten werden bis zum 20. August. Und dieses Seegebiet wird von Griechenland beansprucht als Hoheitsgebiet. Die Türkei weist diese Ansprüche des Nachbarn zurück. Das Ganze weist also auf eine weitere Eskalation in dieser Region hin.
"Keine der beiden Seiten will eine solche Konfrontation auf hoher See"
Ann-Kathrin Jeske: Die Bohrungen waren ja lange angekündigt, und trotzdem hatte die Türkei sie bisher nie begonnen. Ist das jetzt die Reaktion der türkischen Seite auf die Kritik von Heiko Maas gestern?
Thomas Seibert: Ich glaube, das hängt indirekt zusammen, aber nicht direkt. Der Besuch von Heiko Maas in Athen wurde hier in den Medien quittiert mit Reaktionen wie: Das sei eine Frechheit gewesen, was der deutsche Außenminister da in Athen gesagt hat. Es gibt aber keine offiziellen Reaktionen der Regierung bisher auf die Äußerungen des Bundesaußenministers. Diese Navtex Mitteilung und das Auslaufen der türkischen Kriegsschiffe, die hätte es wahrscheinlich auch ohne Maas in Athen gegeben. Allerdings bekommt das Ganze jetzt natürlich einen türkisch-europäischen Dreh, den es ohne Maas nicht gegeben hätte.
Ann-Kathrin Jeske: Die griechische Seite hat immer gesagt, wenn die Türkei vor Kreta tatsächlich anfangen würde zu bohren, dann würden griechische Kriegsschiffe spitz auf Knopf stehen. Wie groß ist jetzt die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung im Mittelmeer?
Thomas Seibert: Ich glaube, keine der beiden Seiten will eine solche Konfrontation auf hoher See. Allerdings haben sich beide Seiten jetzt so weit hoch gehandelt, dass es jederzeit passieren könnte durch eine unbedachte Aktion eines Offiziers. Wir hatten ja schon Konfrontationen zwischen türkischen Schiffen, griechischen Schiffen und französischen Schiffen in einem anderen Teil des östlichen Mittelmeers. Da ging es um Waffenlieferungen an Libyen. Da sollen türkische Kriegsschiffe ihr Zielradar auf eine französische Fregatte gerichtet haben. Und die Soldaten auf diesen türkischen Schiffen sollen Gefechtspositionen eingenommen haben. Wir haben also eine Situation, die politisch sehr spannungsgeladen ist und wo es am Ende dann doch umschlagen könnte in eine Konfrontation, die im Grunde keiner will, aber im Moment auch niemand verhindern will.
"Keine verlässliche Linie erkennbar"
Ann-Kathrin Jeske: Sie haben es gerade schon angedeutet. Die Gasbohrung sind nicht der einzige Konfliktpunkt im Mittelmeer. Es geht auch um illegale Waffenlieferungen, die der Türkei in Richtung Libyen vorgeworfen werden. Auch das war Thema beim EU-Gipfel. Und zwar haben Angela Merkel, Emmanuel Macron und Guiseppe Conte mit Sanktionen gegen die Türkei gedroht. Wegen dieser Waffenlieferungen und auch im Gasstreit werden ja immer wieder Sanktionen angedroht. Muss die Türkei dann aber letztendlich doch nichts von der EU fürchten?
Thomas Seibert: Ich glaube, über kurz oder lang wird die EU nicht darum herum herumkommen, Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen, wenn sich an der Lage in der Region nichts ändert. Die Türkei besteht darauf, dass diese Suche nach Gas um Zypern herum ihr gutes Recht ist. Und sie besteht auch darauf, dass die Unterstützung für die libysche Regierung ihr gutes Recht sei. Die EU nimmt da eine ganz andere Haltung ein. Diese beiden Positionen sind im Moment nicht vereinbar. Die bisherige Kompromisssuche durch den EU-Außenbeauftragten Borrell hat nichts gebracht. Insofern lässt es sich zumindest vorstellen, dass die EU in eine Situation kommen wird in den nächsten Wochen, wo sie nicht zuletzt durch den Druck von Griechenland und Frankreich dazu gedrängt werden wird, Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen.
Ann-Kathrin Jeske: Wer könnte denn in diesem geopolitischen Streit vermitteln, der sich immer mehr zuspitzt?
Thomas Seibert: Das ist ein wenig das Problem im Moment. Die Türkei fordert eine EU-Vermittlung. Sie fordert, die EU müsse ein ehrlicher Makler sein. Das funktioniert aber nicht, weil die EU eben ganz eigene Interessen hat aufgrund der Interessen ihrer einzelnen Mitglieder wie zum Beispiel Griechenland, Zypern und Frankreich. Dann bliebe noch die USA als mögliche Vermittler. Allerdings ist das auch sehr problematisch, weil die Trump-Regierung wie bei anderen Themen auch relativ sprunghaft handelt. Da ist keine verlässliche Linie erkennbar. Es ist also im Moment nicht so ganz zu sehen, wer in diesem Streit vermitteln könnte.
Ann-Kathrin Jeske: Vielen Dank Thomas Seibert für diese Einschätzungen zum geopolitischen Streit zwischen der EU und der Türkei im Mittelmeer.