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Türkisch-griechischer Streit
Geopolitik im Mittelmeer

Griechenland, Zypern, Israel und Ägypten wollen bei der Ausbeutung von Bodenschätzen im Mittelmeer kooperieren – ohne die Türkei. Die erhebt selbst Ansprüche auf den Meeresboden und auf das Gas. Die Wurzeln des Streits liegen in einem ungelösten Konflikt.

Von Rodothea Seralidou und Thomas Seibert | 22.01.2020
Israel, Mittelmeer: Eine Ölplattform im Leviathan-Erdgasfeld im Mittelmeer vor der israelischen Küste.
Leviathan Gasfeld (Marc Israel Sellem/Pool/Jerusalem Post)
Im griechischen Fernsehen sind die Probleme mit der Türkei seit Monaten Thema Nummer eins. Es werden Landkarten eingeblendet, die die türkischen Ansprüche auf griechisches Territorium zeigen sollen, jede Äußerung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wird unter die Lupe genommen.
Wird er tatsächlich noch dieses Jahr Bohrschiffe bei Kreta stationieren, um an das Gas heranzukommen? Und wie müsste in so einem Fall Griechenland reagieren? Am Ende militärisch?
Darüber diskutieren nicht nur die Experten in den griechischen Nachrichtenmagazinen; diese Fragen stellen sich auch die Menschen auf der Straße. Einer aktuellen Umfrage zufolge hat zurzeit mehr als jeder zweite Grieche Angst vor einem "Unfall" mit dem Nachbarstaat Türkei, also vor einer - wenn auch kleinen - militärischen Auseinandersetzung.
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Geopolitik - Mittelmeergas als Chance und Fluch in der Zypernfrage
Seit fast 50 Jahren ist Zypern geteilt in einen griechischen Süden und einen türkischen Norden. Gasfunde vor der zyprischen Küste und die zu erwartenden Einnahmen sollen den Konflikt lösen helfen. Doch die geopolitische Gemengelage ist kompliziert.
So auch der Athener Haralambos Mouratidis. Die Situation sei außer Kontrolle, sagt der Rentner: "Natürlich machen wir uns Sorgen. Wir sehen, dass etwas ziemlich schief läuft. Wir haben es mit einem verrückten Nachbarn zu tun. Erdogan bedroht uns, und keiner weist ihn zurecht. Griechenland müsste da eine härtere Linie fahren, die Leute hier haben die ständigen türkischen Drohgebärden satt. Er glaubt, dass alles ihm gehört, als wären wir noch im Osmanischen Reich. Wenn er jetzt auch noch vor Kreta bohren will, dann können wir einpacken. Dann wird er sagen: Das gehört jetzt mir."
Reiche Erdgasvorräte entdeckt
Problemfrei waren die Beziehungen zwischen der Türkei und ihren Nachbarn im östlichen Mittelmeer noch nie. Die Differenzen reichen von der Teilung Zyperns über das tiefe Zerwürfnis zwischen Ankara und der israelischen Regierung bis zum Dauerstreit zwischen der Türkei und Ägypten.
Doch in jüngster Zeit gehen die Spannungen weit über das gewohnte Maß hinaus. Schuld daran ist: Gas. Unter dem östlichen Mittelmeer wurden reiche Erdgasvorräte entdeckt. Nach amerikanischen Schätzungen lagern unter dem Meeresboden rund 3,5 Billionen Kubikmeter Erdgas - damit könnte zum Beispiel Deutschland fast 40 Jahre lang versorgt werden. Außerdem werden dort 1,7 Milliarden Barrel Erdöl vermutet.
Griechenland, Zypern, Israel und Ägypten haben eine enge Zusammenarbeit bei der Ausbeutung der Bodenschätze vereinbart - und zwar ohne die Türkei.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sieht den Zusammenschluss der Nachbarn deshalb als Versuch, sein Land von dem Gasreichtum auszuschließen. Und das will er nicht hinnehmen.
So erklärte Erdogan bei einem Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Istanbul zu Jahresbeginn, die Türkei sei entschlossen, diese Pläne zu durchkreuzen: "Wir betonen bei jeder Gelegenheit: Kein Vorhaben, mit dem unser Land im östlichen Mittelmeer ausgegrenzt werden soll, hat aus wirtschaftlicher, rechtlicher oder diplomatischer Sicht eine Chance auf Verwirklichung."
Recep Tayyip Erdogan spricht zu Mitgliedern der Regierungspartei AKP während eines Treffens im Hauptquartier der Partei. 
Der türkische Präsident Erdogan (Pool Turkish Presidency/AP/dpa news)
Erdogans Regierung belässt es nicht bei Worten. Sie hat Gas-Erkundungen der griechischen Zyprer mit ihren Kriegsschiffen gestört und eigene Erkundungsschiffe mit militärischem Geleitschutz losgeschickt, um nach Gas zu suchen - in Gewässern, die von der Republik Zypern beansprucht werden.
Die Europäische Union hat das Vorgehen der Türkei gegen den EU-Mitgliedsstaat Zypern nicht nur verurteilt, sie hat auch Sanktionen verhängt - die Türkei macht aber unbeirrt weiter. Nach Angaben der türkischen Regierung befindet sich aktuell das Bohrschiff Yavuz vor Zypern, um Gas-Block 8 zu erkunden - dort, wo der italienische Ölkonzern Eni und die französische Total schon Explorationsrechte haben.
Gleichzeitig versucht die Türkei mit einem diplomatischen Schachzug, die Zusammenarbeit der anderen Mittelmeer-Anrainer zu unterlaufen. Im November schloss Erdogan mit der Einheitsregierung in Libyen ein Abkommen über die Grenzen zwischen beiden Staaten im Mittelmeer. Der Vertrag weitet den türkischen Gebietsanspruch im östlichen Mittelmeer bis zur griechischen Insel Kreta aus und ignoriert Ansprüche von Griechenland und Zypern.
Das wurde nicht nur von Athen und Nikosia, sondern auch von der Europäischen Union und den USA scharf kritisiert. Mit einem zweiten Vertrag sagte Erdogan der libyschen Einheitsregierung militärische Unterstützung im Kampf gegen die so genannte Libysche Nationalarmee des Rebellengenerals Haftar zu.
Erdogan will seine Libyen-Politik im Gasstreit mit den Nachbarn als Hebel benutzen, sagt Aykan Erdemir, Direktor des Türkei-Programms an der Denkfabrik Foundation for Defense of Democracies in Washington: "Diese Grenzziehungen zeigen Erdogans maximalistische Ziele im östlichen Mittelmeer und stellen die exklusiven Wirtschaftszonen von Zypern, Ägypten und Griechenland direkt in Frage. Die libysche Einheitsregierung, die sich mit der Offensive der ‚Libyschen Nationalarmee‘ auseinandersetzen muss, steckt in einer schwierigen Lage. Deshalb sieht Erdogan jetzt die Notwendigkeit, türkische Truppen und verbündete Truppen in Libyen zu stationieren, um den Verlauf des Bürgerkrieges zu beeinflussen und sein Seerechtsabkommen mit Libyen zu retten."
"Keine militärische Lösung für Erdogans Probleme"
Dieses türkisch-libysche Abkommen gefährdet gleich mehrere Vorhaben Griechenlands und anderer Staaten im Mittelmeer: etwa den Bau der Gaspipeline Eastmed quer durch das Mittelmeer nach Europa.
Der Türkei-Experte Erdemir glaubt nicht, dass Erdogans Strategie Erfolg haben wird: "Es gibt keine militärische Lösung für Erdogans Probleme, weder in Libyen noch im östlichen Mittelmeer. Die beste Strategie für alle Beteiligten wären multinationale Gespräche, diplomatische Initiativen auf mehreren Ebenen, und eine Verhandlungslösung. Wie Meinungsumfragen zeigen, ist das auch der Wunsch einer Mehrheit der türkischen Wähler. Bisher hat Erdogans militärisches Engagement in der Region lediglich die Isolation Ankaras und das Bedrohungsgefühl der Türkei verstärkt - und damit die Krise verschlimmert."
Eine friedliche Lösung wünscht sich auch Griechenland, sagt der griechische Energieminister Kostis Hatzidakis. Trotzdem müsse sein Land in der Lage sein, auf die türkischen Drohgebärden zu reagieren - und sich notfalls auch militärisch zu verteidigen.
"Wir geben viel Geld für unsere Verteidigung aus, obwohl in den Jahren der Finanzkrise auch dieser Etat gekürzt wurde. Wir brauchen nun mal unser Militär. Auch wenn uns diese Ausgaben dazu führen, dass unsere Wirtschaft langsamer wächst als gewünscht."
Tanker auf dem Meer am Hafen hinter einem Steinquai
Tanker am VTT Vasilokos Öllager am Hafen von Vasilikos (AFP/Iakovos Hatzistavrou)
Die neue konservative Regierung in Athen will nach etwa einem Jahrzehnt der Krise Investoren ins Land locken, den Aufschwung herbeiführen. Gleichzeitig liegt der griechische Verteidigungsetat über dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato, zuletzt bei 2,24 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Bald könnten neue französische Fregatten die griechische Marine unterstützen, und mit den USA laufen Gespräche über den Kauf neuer F-35-Kampfflugzeuge, an deren Bau ausgerechnet die Türkei beteiligt war.
Vor einem Rüstungswettlauf mit der Türkei warnt Konstantinos Filis, Leiter des Instituts für Internationale Beziehungen an der Athener Pantion Universität: "Das würde uns ruinieren. Die Türkei gibt jährlich etwa 15 Milliarden Euro für Waffen aus, wir geben etwa vier Milliarden aus. Wir können da rechnerisch nicht mithalten. Wir müssen schauen, was wir für unsere Verteidigung wirklich brauchen, gezielte Käufe machen, und Abwehrsysteme, die wir längst haben, upgraden."
Dass die Türkei tatsächlich Griechenland angreifen würde, glaubt Filis nicht. Erdogan provoziere zwar, wisse aber auch, dass ein militärischer Konflikt auch für ihn erhebliche Folgen haben werde. Trotzdem müsse man sich klar machen, dass er die Gunst der Stunde nutze, um für sich und sein Land Vorteile zu ziehen: "Das sehen wir ganz klar im Libyen-Konflikt. Die Türkei war entschlossen, Teil des Problems zu werden, um sich dann als Teil der Lösung an den Verhandlungstisch zu drängen. Unter diesen Voraussetzungen hätte Berlin wirklich in Betracht ziehen müssen, auch Griechenland zur Libyen-Konferenz vergangenen Sonntag einzuladen. Denn Griechenland ist zwar im Libyen-Konflikt nicht direkt beteiligt, die Friedensbestrebungen betreffen aber Griechenland nach dem illegalen Abkommen zwischen Tripolis und Ankara stark."
Türkei sieht sich nicht an UN-Abkommen gebunden
Die Rechte der Länder vor ihren Küsten regelt eigentlich das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen aus dem Jahre 1982. Doch die Türkei sieht sich nicht daran gebunden. Kristian Brakel, Büroleiter der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul, fasst die unterschiedlichen Positionen zusammen:
"Es gibt zwei oder zweieinhalb sich überschneidende Rechtsansprüche. Der eine ist der, den die Griechen bemühen, der sich aus der internationalen Seerechts-Konvention herleitet. Bei der sagen die Türken: Die haben sie nicht unterzeichnet, sie sind keine Vertragspartei, und deswegen müssen sie sich daran nicht halten. Da gibt es den Einwand, dass zumindest Teile dieser Konvention inzwischen in Völker-Gewohnheitsrecht übergegangen sind und deswegen auch für Nicht-Vertragsstaaten Gültigkeit haben. Das ist die Haltung, auf die sich auch die EU gestellt hat."
Die Türkei argumentiert, dass der sogenannte Kontinentalsockel ihres Landes - das ist der Meeresboden in einem Abstand bis zu 200 Seemeilen von der Küste entfernt - der Türkei auch vor griechischen Inseln Hoheitsrechte verschafft. Über diese Hoheitsgewässer, sagt Brakel, erhöben die Türken Anspruch mit dem Argument:
"Es kann nicht sein, dass die ganzen griechischen Inseln, die in diesem Bereich liegen, also zum Beispiel Kreta, obwohl die nur relativ klein sind, dass die auf einmal eine eigene Wirtschaftszone produzieren sollen, die im Prinzip die der Türken beschneidet."
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Fotini Pazartzi, Leiterin des Instituts für Völkerrecht an der Universität Athen (Deutschlandradio / Rodothea Seralidou)
An der Juristischen Fakultät der Universität Athen bereitet Jura-Professorin Fotini Pazartzi eine Tagung genau zu diesem Thema vor: Die Meereszonen, wie sie im Internationalen Seerecht definiert sind. Das türkische Rechtsverständnis, wonach Inseln keinen Festlandsockel und keine ausschließlichen Wirtschaftszonen hätten, sei völkerrechtlich nicht haltbar, sagt Pazartzi:
"Genau da liegt das Problem beim Abkommen zwischen Libyen und der Türkei. Es ignoriert die Meereszonen von griechischen Inseln wie Kreta, Rhodos oder Karpathos. So wie das Festland haben aber auch die Inseln alle Meereszonen, die das Völkerrecht vorsieht."
Dass die Türkei auch einem Inselstaat wie Zypern keinen Festlandsockel zugesteht, mit dem türkischen Norden aber sehr wohl ihre Meeresgrenzen gezogen hat, zeige, dass das Nachbarland das internationale Recht nach Belieben interpretiere. Eine Lösung des Konflikts zwischen der Türkei und Griechenland könnte der Internationale Gerichtshof in Den Haag bringen, sagt Pazartzi, und so werde es auch seit Jahrzehnten in Griechenland gefordert. Doch so leicht ist das nicht:
"Da die Türkei die Zuständigkeit des Gerichtshofes nicht per se anerkennt, können wir nur vor Gericht gehen, wenn sich beide Länder im konkreten Fall darauf verständigen. Sie müssten die genaue Fragestellung, die der Gerichtshof klären soll, in einem Abkommen festsetzen, und einen gemeinsamen Antrag stellen. Doch das bedarf eines guten Klimas zwischen den zwei Ländern."
Zypernkonflikt sei die Wurzel des Erdgasstreits im Mittelmeer
Das es im Moment nicht gibt. Doch ist die griechische Regierung überzeugt, dass Erdogan mit seinem Abkommen die Pipeline Eastmed nicht verhindern kann. Die Gasröhre würde Griechenland geostrategisch aufwerten, sagt Griechenlands Energieminister Hatzidakis:
"Die Pipeline Eastmed ist ein Kooperationsprogramm im südöstlichen Mittelmeer, leider ohne die Türkei. Das Projekt zeigt aber, dass die Energie ein Vehikel für Kooperation sein kann. Wir haben das East Med gas Forum ins Leben gerufen, mit Sitz in Kairo, daran nehmen sieben Länder der Region teil: Griechenland, Zypern, Italien, Israel, Jordanien, die Palästinensische Autonomiebehörde, und selbstverständlich Ägypten."
Dass die Türkei bei dem Projekt außen vor ist, sei einzig und allein ihr Verschulden, sagt Panagiotis Tsakonas, Türkeiexperte im Griechischen Institut für Europa- und Außenpolitik: "Um die Erdgasreserven der Region fördern zu können, haben Zypern, Ägypten, Israel und Libanon Abkommen abgeschlossen, mit denen sie ihre Meereszonen bestimmt haben. Die Türkei wurde eingeladen, an den Verhandlungen teilzunehmen, doch sie hat sich de facto selbst ausgeschlossen, weil sie die Republik Zypern nicht anerkennt. Sie hat ihre Meereszonen mit dem besetzten Teil der Insel festgelegt, den nur sie als Republik Nordzypern anerkennt. Die Türkei ist also der Auffassung, dass sie dadurch ihre ausschließliche Wirtschaftszone definiert hat und berechtigt ist, vor der Republik Zypern nach Erdgas zu forschen und zu bohren. Das Abkommen mit Libyen, dass das östliche Mittelmeer in zwei teilt, ist da nur das vorerst letzte Kapitel dieses Spiels."
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Panagiotis Tsakonas, Türkeiexperte im Griechischen Institut für Europa- und Außenpolitik (Deutschlandradio / Rodothea Seralidou)
Der ungelöste Zypernkonflikt sei die Wurzel des Erdgasstreits im Mittelmeer, sagt Türkei-Experte Tsakonas. Seit der türkischen Invasion im Jahre 1974 als Reaktion auf einen griechischen Putsch in Nikosia ist die Mittelmeerinsel in einen griechischen Süden - die international anerkannte Republik Zypern - und einen türkischen Norden geteilt.
Diesen erkennt nur die Türkei als Staat an. 2004 ist der griechische Süden in die EU eingetreten. Die Türkei versteht sich als Schutzmacht der türkischen Zyprer, und diese sollen schließlich auch einen Teil vom Erdgaskuchen der Region abbekommen, sagt Faruk Kaymakci, stellvertretender Außenminister der Türkei. Er teilt die Analyse des Griechen Tsakonas, das der Zypernkonflikt an der Wurzel des Gasstreits liege - sieht die Schuld daran aber auf der griechisch-zypriotischen Seite: "Natürlich bildet das ungelöste Zypern-Problem auch den Kern der Probleme zwischen der Türkei und der EU sowie zwischen der EU und der NATO. Ich glaube, es war ein großer Fehler, ein geteiltes Zypern in die EU aufzunehmen, weil die griechischen Zyprer ihre EU-Mitgliedschaft missbrauchen. Die griechischen Zyprer ignorieren die türkischen Zyprer, die Mit-Inhaber der Insel sind."
Diesem Vorwurf begegnen Griechen wie der Außenpolitik-Experte Panagiotis Tsakonas mit dem Argument: Statt auf die griechischen Zyprer zu schimpfen, müsste die Türkei Initiativen ergreifen, die den türkischen Zyprern wirklich helfen. Solange die Türkei aber die Republik Zypern nicht anerkenne und sich im Zypernkonflikt einmische, werde es weiterhin Spannungen geben.
Machtpolitische Rivalitäten
Der türkische Vize-Außenminister Kaymakci schlägt vor: Statt durch die geplante Pipeline Eastmed durch das Mittelmeer solle das Gas doch durch türkische Pipelines nach Europa gepumpt werden:
"Wir, die Türkei, haben bereits funktionierende Pipelines wie Tanap und Türkstream, die dabei helfen könnten, Gas aus dem östlichen Mittelmeer nach Europa zu bringen. Die EU sollte keine einseitigen Schritte gegen die Türkei unternehmen. Die EU spielt keine Rolle und hat keine rechtlichen Befugnis bei der Grenzziehung im östlichen Mittelmeer."
Der Weg über die Türkei wäre eine durchaus kostengünstigere Lösung als eine Pipeline quer durchs östliche Mittelmeer. Doch er berge auch große Risiken, sagt Konstantinos Filis vom Institut für Internationale Beziehungen der Athener Pantion Universität: "Wenn wir in Betracht ziehen, wie sich die Türkei momentan verhält, und wie sie auch die Flüchtlings- und Migrationsproblematik für sich gegen die EU ausspielt, wäre es nicht clever, alles auf die Türkei zu setzen. Die Türkei nimmt an der Tanap-Pipeline teil, wodurch Gas aus Aserbaidschan in die EU fließt. Wenn sie aus der Isolation ausbricht, wird sie an Erdgasplänen aus dem Iran und dem irakischen Kurdistan beteiligt sein. Wenn sie dann auch noch Transporteur des Erdgases aus dem Mittelmeer wird, wird sie extrem mächtig werden. Sie wäre die Energie-Lunge Europas. Das würde die Türkei in allen Verhandlungen stärken und die Rolle der europäischen Staaten schwächen. Und das muss sich Europa bewusst machen."
Eines betonen auch die meisten Gesprächspartner beim Thema Gas im Mittelmeer - die griechischen wie die türkischen: Eine Einigung darüber, wie die Ressourcen des Mittelmeers auszubeuten sind, sei prinzipiell möglich - wenn eben tatsächlich alle Anrainerstaaten einbezogen würden. Die Frage ist nur, wie die betroffenen Staaten ihre vielen machtpolitischen Rivalitäten überwinden können.