
Die Coronapandemie führte zu großen Verlusten in der Gastronomie. Viele Betriebe mussten dauerhaft schließen. Die Zahl der Cafés und Bars hat zwar mittlerweile wieder das Niveau vor der Pandemie erreicht – das gilt aber nicht für Kneipen und Restaurants. Und den Verbleibenden fehlen oft die Gäste – nicht nur wegen anhaltend hoher Preise, sondern auch weil die Pandemie Arbeits- und Konsumverhalten geändert hat. Viele Betreiber versuchen mit verkürzten Öffnungszeiten kostengünstiger zu arbeiten. Auch gibt es strukturelle Unterschiede zwischen Stadt und Land – dort droht die Dorfkneipe auszusterben.
Woher kommt das langsame Restaurant- und Kneipensterben?
In der Branche fiel der Umsatz laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2024 real (also nach Abzug der Inflation) um 3,8 Prozent gegenüber 2023. Damit lag der Umsatz real 15,8 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2019 – also vor der Coronapandemie. Die Anzahl der Cafés und Bars hatte laut dem Bundesverband DEHOGA 2023 fast das Vorpandemie-Niveau wieder erreicht. Die Anzahl der Restaurants und Kneipen hat den Tiefstwert während des Höhepunkts der Pandemie im Jahr 2021 zwar hinter sich gelassen, verfehlt jedoch deutlich das Niveau vor der Pandemie.
Und mittlerweile häufen sich in Deutschland die Berichte über ein „Gasthaussterben“. Das betrifft vor allem gastronomische Einrichtungen auf dem Land. In Brandenburg etwa ist in nur acht Jahren die Zahl von Restaurants mit Bedienung drastisch gesunken, von etwa 2.200 auf 1.800. Jede fünfte Gaststätte mit Bedienung ging somit in den letzten acht Jahren verloren. In Bayern seien in den letzten zehn Jahren zwischen 35 und 40 Prozent der Gastronomiebetriebe auf dem Land aufgegeben worden, so Thomas Förster, Vizepräsident vom DEHOGA Bayern.
Die Gründe sind oft: anhaltend hohe Preise für Energie, Miete und die Beschaffung von Ausstattung und Lebensmitteln. Auch der angehobene Mindestlohn treibe die Betriebskosten hoch, klagen Wirte. Dies alles trifft Gastronomen in Städten und auf dem Land gleichermaßen.
Doch während in ländlichen Gegenden Gasthöfe und Dorfkneipen oft für immer geschlossen bleiben, sind an beliebten Standorten in Städten – nach Geschäftsaufgabe der vormaligen Betreiber – oft neue eingezogen. Insgesamt kommen die Gäste aber weniger oft als vor der Pandemie. „Die Pandemie hat vieles ganz nachhaltig verändert und es ist insgesamt noch sehr angespannt“, sagt Jens Stacklies, DEHOGA-Vizevorstand in Hamburg.
Zumindest in der mittelpreisigen Gastronomie in den Städten zeige sich, dass viele Menschen nicht mehr so viel Geld ausgeben können oder wollen wie vorher. Jeder dritte Besuch falle weg, so Stacklies. Neben den gestiegenen Lebenshaltungskosten ist dafür eine weitere Folge der Pandemie verantwortlich, nämlich die veränderte Arbeitswelt: Fast ein Viertel aller Erwerbstätigen hat 2023 von zu Hause aus gearbeitet. Fast doppelt so viele wie vor der Pandemie.
Das Arbeiten im Homeoffice führt zum „Donut-Effekt“, so Simon Krause, vom ifo-Institut: „Die Innenstädte, wo die Leute typischerweise im Büro arbeiten, sind weniger frequentiert. Das heißt, dort sinken die Umsätze. Gleichzeitig steigen sie aber am Stadtrand in den Wohngebieten." Außerdem verschöben sich die Wochentage: Unter der Woche werde weniger konsumiert als noch vor der Pandemie – dafür allerdings am Wochenende mehr.
Wie reagieren Gastronomen in den Städten?
Um sich an das veränderte Verhalten der Kunden anzupassen und kostengünstiger zu arbeiten, haben viele Gastrobetreiber ihre Öffnungszeiten geändert. An umsatzschwachen Tagen wird erst abends oder auch gar nicht geöffnet - so werden Energie- und Personalkosten reduziert.
Viele Restaurants in großen Städten können auch durch ein Lieferangebot einen Teil der ausbleibenden Kundschaft ausgleichen. Krause geht davon aus, dass Restaurants 10 bis 20 Prozent ihres Umsatzes über Essenslieferungen und Takeaway erzielen.
Doch die Nutzung der Lieferdienste ist zweischneidig: Die zusätzlichen Umsätze werden durch die hohen Gebühren geschmälert, die diese erheben. Bis zu 30 Prozent des Geldes, das der Kunde bezahlt hat, geht nicht an den Gastronomen, sondern an eine der vielen Bestellplattformen und Lieferdienste.
Auch Betreiber gut laufender Kneipen in angesagten Vierteln können sich nicht sicher fühlen. Ihre gute Lage kann dazu führen, dass sie plötzlich Mieterhöhungen bekommen, die sie nicht mehr stemmen können – oder ihren Betrieb schließen müssen, weil das Haus verkauft wird und der neue Besitzer andere Pläne für das Gebäude hat. Vereinzelt gelingt es den Betreibern, Schließungen abzuwenden, indem das zum Verkauf stehende Haus mithilfe von Spenden oder durch Gründung einer Genossenschaft erworben wird. Dann gehört die Kneipe den Stammgästen.
Wie kann die Dorfkneipe gerettet werden?
Auf dem Land versucht man mancherorts, dem Dorfkneipensterben mit neuen Ideen entgegenzuwirken. Im sächsischen Nossen, im Landkreis Meißen, hat der Verein "Landgestalten" die Wanderkneipe ins Leben gerufen.
Initiator Carsten Simank hat einen 50 Jahre alten DDR-Campinganhänger hergerichtet und fährt sechs bis sieben Mal pro Jahr in Dörfer, in denen es keine Kneipe mehr gibt. Simank stellt das Thekenmobil, Elektrik, Getränke, und einen Faltpavillon. Um den Rest kümmert sich ein jeweils wechselnder privater Gastgeber. Das findet offenbar Zuspruch: Die Termine sind laut dem Verein meist schon ein Jahr im Voraus an interessierte Gastgeber vergeben.
„Es gibt fast keine öffentlichen Treffpunkte mehr. Die meisten Gaststätten im ländlichen Raum sind geschlossen", sagt Simank. Wenn es aber keine öffentlichen Plätze gebe, an denen sich das Dorf treffe, dann kann es passieren, dass eine Dorfgemeinschaft einschlafe, befürchtet er.
Die Wanderkneipe kann keine Dorfkneipe ersetzen. Sie kann aber als Initialzündung für andere dienen, selbst etwas auf die Beine zu stellen. An einem Ort hat das schon funktioniert, dort treffen sie sich jetzt öfter, an einem anderen Ort ist sogar etwas Festes entstanden: eine Kulturscheune.
Wie vereinzelt in den Städten, hat sich im oberfränkischen Wölsauerhammer eine Genossenschaft gegründet, um die Dorfkneipe zu erhalten, als 2022 die damalige Wirtin aufgab. Die Bewohner wollten ihren Dorfmittelpunkt erhalten und nahmen sich andere Gruppen aus Nord- und Westdeutschland zum Vorbild: Die Dorfbewohner zeichnen Anteile und werden Genossenschaftsmitglieder. Mit dem Geld aus den Anteilen wird die Kneipe gekauft. Mit einer Werbeaktion werden neue Mitglieder gewonnen. Die kommen aus Berlin, Nürnberg und München, der Schweiz – Menschen, die zum Teil noch nie im Dorf waren.
Vom Amt für ländliche Entwicklung erhält die Genossenschaft eine Fördersumme, doch die reiche nicht aus, sagt Vorstand Jürgen Bayer. 55 Prozent müssten sie selbst bereitstellen. Um den laufenden Betrieb zu gewährleisten, ist die Genossenschaft auch auf das Engagement von Ehrenamtlichen angewiesen. Zwischen 20 und 25 Personen arbeiten in der Küche, als Bedienung, kümmern sich um Abrechnung und Handwerksarbeiten.
Vor welcher Zukunft steht die Gastronomie in Deutschland?
Viele Kneipenbetreiber wünschen sich eine Mietpreisbremse auch für Kleingewerbe. Denn diese gilt nur für private Mieter. Bei Gewerberäumen besteht Vertragsfreiheit. Auch werden geringere kommunale Gebühren für die Außengastronomie gefordert. Die größte Hoffnung ruht jedoch auf der Mehrwertsteuer. Zu Hochzeiten der Pandemie wurde sie auf sieben Prozent abgesenkt und stieg dann wieder ab Anfang 2024 auf die alten 19 Prozent. Ab 2026 soll sie wieder bei sieben Prozent liegen.
Auf günstigere Preise dürfen Gäste deswegen aber kaum hoffen. Und auch die meisten Wirte werden an dieser Maßnahme nichts verdienen, sagt Gerrit Buchhorn, vom DEHOGA Berlin: Die Steuererleichterung gleiche lediglich die in manchen Geschäftsbereichen in den letzten Jahren um gut dreißig Prozent gestiegenen Kosten aus.
ifo-Forscher Simon Krause rechnet wegen der Steuersenkung mit jährlich drei bis vier Milliarden Euro Mindereinnahmen für den Staat. Geld, das an anderer Stelle fehlte. Er hält die Entscheidung für volkswirtschaftlich fragwürdig: Es sei nicht ersichtlich, warum ausgerechnet die Gastronomie gegenüber anderen Branchen steuerlich bevorzugt werden sollte. Außerdem habe die Maßnahme Verteilungseffekte – die meisten Gäste in der Gastronomie kämen aus tendenziell einkommensstarken Haushalten. Diese würden also überdurchschnittlich entlastet.
Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel wiederum kritisiert die Entlastungen als einen Rückfall in Subventionspolitik und glaubt nicht, dass sie die Gastronomie stärken werden. Die allgemeine strukturelle Wachstumsschwäche werde durch Subventionierungen - auch in der Gastronomie - nicht überwunden werden. Er vermisst die grundsätzliche Stärkung der Nachfrage.
Wenn Hickel und Buchhorn Recht behalten, wird sich ab 2026 erstmal nicht viel ändern: Die Preise in der Gastronomie werden kaum fallen. Die höheren Einnahmen der Betreiber durch die Steuersenkungen werden dazu dienen, die Verbindlichkeiten und Verluste der vergangenen Jahre zu kompensieren. Und solange die Gäste nicht mehr Geld in der Tasche haben, werden sie vermutlich nicht öfter kommen als bisher. Jens Stacklies vom DEHOGA Hamburg glaubt, dass die Branche noch zwei Jahre bis zur vollständigen Erholung braucht.
rja