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Gastwirtschaft
Steuerbetrug mit "Schummelkassen" wird erschwert

Wenn Bargeld im Spiel sei, sei Steuerhinterziehung Alltag, sagen Experten. Die Bundesregierung geht nun verstärkt dagegen vor. Ab 2020 müssen elektronische Registrierkassen mit Sicherheitseinrichtungen versehen sein. Doch Betrug ist wohl trotzdem möglich.

Von Achim Gutzeit | 03.07.2018
    Ein Verkäufer zieht einen Kassenzettel aus einer Registrierkasse
    Alte Registrierkassen sollen ersetzt werden, um Betrug zu verhindern. (dpa / epa ANA / Orestis Panagiotou)
    Allein in der Gastronomie werden nach Schätzungen von Experten jährlich bis zu zehn Milliarden Euro Steuern hinterzogen. Der Hamburger Gastronom Bendix Sander setzt dagegen auf Ehrlichkeit und unterwirft sich freiwillig einer strengen Kontrolle der Einnahmen in seinem Restaurant. Seine Registrierkassen sind mit dem Insika-System ausgestattet. Insika steht für Integrierte Sicherheitslösung für messwertverarbeitende Kassensysteme. Dahinter verbirgt sich eine Technik, die Daten unveränderbar elektronisch signiert. Der Feldversuch soll beweisen, dass das System praxistauglich ist, erklärt Sander:
    "Die haben händeringend nach Gastronomen gesucht und ich habe händeringend nach so einem System gesucht. Es gibt jetzt deutschlandweit bei meinem Kassenhersteller zwei Gastronomen, die bei diesem Feldversuch teilnehme und damit belegen wollen, auch den Finanzbehörden und der Politik belegen wollen, dass die ganzen Hemmnisse, die die Politik vor sich herträgt und behauptet, dass sie da wären, de facto nicht da sind. Sondern dieses System ist sehr sehr kostengünstig zu implementieren und würde für eine erhöhte Steuerehrlichkeit sorgen."
    Neues Kassensystem auch für Hamburger Taxibranche im Einsatz
    Für diesen Zweck war Insika vor Jahren mit finanzieller Unterstützung des Bundes entwickelt worden. Die Stadt Hamburg hat es auch für die Taxi-Betriebe in der Stadt verpflichtend vorgeschrieben. Seitdem ist die Zahl der Taxen gesunken und die bezahlten Steuern pro Wagen sind gestiegen. Eine Marktbereinigung also. Ursprünglich sollte Insika bundesweit auch für Registrierkassen eingeführt werden. Alle Bundesländer und auch der Bund hätten sich vor vier Jahren dafür ausgesprochen, erzählt der frühere Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans, von der SPD.
    "Dann ging eine Reise los, wir kriegten von allen Ecken und Enden mitgeteilt, dass es im Bundesfinanzministerium und von Seiten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion deutlichen Widerstand auch gegen diese von Schäuble mitgetragene Position gab. Also man merkte richtig, es gab Kräfte, die die Gesetzeserstellung verzögerten, verwässerten und ehrlich gesagt, Anfang 2017 als das Gesetz dann verabschiedet werden sollte, haben wir diskutiert, ob wir nicht einfach ablehnen sollen."
    Am Ende habe man es durchgewunken, weil es immer noch besser gewesen sei, als gar kein Gesetz, so Walter-Borjans. Es schreibt seit 2017 bestimmte Mindestanforderungen an elektronische Kassen vor, die nun noch einmal verschärft werden. Nur: In der Realität werden diese schon jetzt oft nicht eingehalten, sagt Edo Diekmann vom Landesamt für Steuern in Niedersachsen.
    "Wir als Steuerverwaltung sind natürlich nicht zufrieden damit, dass derzeit noch von den vorhandenen Registrierkassen wahrscheinlich vierzig bis fünfzig Prozent nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen."
    Für bessere Kontrollen fehlt es an Personal
    Ob das neue, sogenannte verschärfte Kassengesetz ab dem Jahr 2020 daran etwas ändert, ist völlig offen. Die neuen Kassenmodelle müssen dann zusätzliche Vorrichtungen gegen Manipulationen haben. Ob die Vorhandenen Kassen dann aber tatsächlich ausgetauscht werden, müssen Betriebsprüfer der Landesfinanzämter kontrollieren. Und die haben schon jetzt alle Hände voll zu tun. Denn seit Jahresbeginn gilt eine weitere Maßnahme gegen Steuerhinterziehung: Die sogenannte Kassennachschau. Die konnten früher nur Steuerfahnder mit einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss durchführen. Nun können auch Betriebsprüfer der Finanzämter jederzeit unangemeldet zum Beispiel in Restaurants auftauchen und die Einnahmen und Ausgaben kontrollieren. Dafür fehlen den Landesbehörden aber die nötigen Mitarbeiter, sagt Edo Diekmann vom Landesamt für Steuern in Niedersachsen
    "Wir hoffen, dass wir für die jetzt ab 1.1.2018 mögliche Kassennachschau weiteres Personal bekommen, so wie das beispielsweise in Österreich gemacht worden ist. Die auch eine Kassennachschau zusätzlich erhalten haben, die haben zusätzliches Personal für die Finanzverwaltung rekrutiert. Ob das möglich ist in Deutschland, das ist Sache der Bundesländer, die sehen müssen, dass sie zusätzliches Prüfungspersonal möglich ist, wird von den Bundesländern entschieden."
    Drei neue Gesetze in vier Jahren gegen Steuerhinterziehung. An Gesetzen mangelt es also nicht. Aber es mangelt an Personal, um mehr als Stichproben durchzuführen. Ein weiteres Paradox: ab 2020 ist zwar die Hightech-Kasse Pflicht, aber laut Gesetz ist auch die Buchführung mit Papier und Bleistift weiterhin erlaubt.