Silvia Engels: Zwei Wahlgänge, bei denen die absolute Mehrheit der Bundesversammlung gefragt war, konnte Christian Wulff gestern nicht für sich entscheiden. Im letzten Wahlgang der Bundesversammlung reichte dann die einfache Mehrheit für den Kandidaten der Christlich-Liberalen Union; er erzielte aber etwas ironischerweise dann mit 625 Stimmen die vorher verpasste absolute Mehrheit. Und Christian Wulff ist neuer Bundespräsident. - Am Telefon ist Holger Zastrow. Er ist FDP-Landes- und -Fraktionschef in Sachsen. Guten Morgen, Herr Zastrow.
Holger Zastrow: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Herr Zastrow, Sie hatten als einer der wenigen offen im Vorfeld angekündigt, für die FDP für Joachim Gauck stimmen zu wollen. Haben Sie das auch im dritten Wahlgang gemacht?
Zastrow: Das haben wir natürlich so gemacht. Wir hatten das von vornherein angekündigt, und da das für uns keine taktische Wahl ist, sondern eine Gewissensentscheidung gewesen ist - Joachim Gauck ist für uns eine der Identifikationsfiguren der friedlichen Revolution von 1989; Sachsen ist das Land der friedlichen Revolution -, deswegen haben wir uns so entschieden, haben das auch vorher angekündigt, und ich glaube, das war ein faires Verfahren, und wir haben das auch durchgehalten.
Engels: Wissen Sie denn, wer außer den bekannten vier - vielleicht waren es drei, vielleicht waren es vier - aus dem FDP-Lager sich Ihnen angeschlossen hat?
Zastrow: Nein, das hat mir keiner verraten. Es sind aus dem FDP-Lager vier gewesen. Das sind die drei Sachsen gewesen und der Oliver Möllenstädt aus Bremen. Finde ich übrigens auch sehr gut, dass wir das vorher gesagt haben, weil damit alles klar ist. Ich glaube, das ist ein bisschen mutiger und ein bisschen auch seriöser, wenn man das ankündigt, anstatt das, was einige andere gemacht haben, nämlich einfach dann in die Kabine zu gehen und dort ihr Mütchen zu kühlen. Ich glaube, das ist nicht in Ordnung.
Engels: Bedauern Sie, dass auch Sie es waren, die damals die Debatte so offen auch für Joachim Gauck eröffnet haben und möglicherweise damit andere animiert haben, sich ähnlich zu verhalten.
Zastrow: Nein, im Gegenteil. Ich denke, jeder hat gespürt, dass diese Debatte, die ja auf einem sehr hohen Niveau geführt worden ist und, was mich auch besonders freut, ohne persönliche Verletzungen geführt worden ist, unserem Land gutgetan hat. Man hat endlich mal frei diskutiert darüber, was eigentlich von einem Bundespräsidenten erwartet wird. Man hat darüber diskutiert, wer die geeignete Persönlichkeit ist. Wir haben zwei respektable Kandidaten gehabt. Wann gab es das schon mal, dass es zwei Kandidaten gibt, die beide höchst geeignet sind, dieses Amt auszufüllen. Ich denke, diese Debatte hat uns gutgetan und auch die Wahl gestern hat uns gutgetan und das war schon eine Lehrstunde für Demokratie.
Engels: Lehrstunde für Demokratie ist das eine, aber, Herr Zastrow, werden wir mal grundsätzlich: Sie wissen ja, wie solche Wahlen ablaufen, sind sehr erfahren. Grundsätzlich gilt doch: Wenn eine so große Zahl von Abgeordneten bei einer wichtigen Wahl nicht zustimmt, wie es in den ersten beiden Wahlgängen der Fall war, geschieht so etwas zufällig oder wird so etwas vorab untereinander organisiert?
Zastrow: Für uns ist das eine Gewissensentscheidung gewesen. Wir haben auch mit niemandem weiter darüber gesprochen, außer dass wir natürlich der Parteispitze mitgeteilt haben, dass wir hier eine andere Meinung haben. Das ist in der FDP auch respektiert worden. Ich glaube, dass unsere Begründung auch sehr stichhaltig ist und dass man dafür auch ein Verständnis hat. Ich bin genau deswegen auch eben in einer liberalen Partei, weil für uns Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist. Dafür bin ich selbst 1989 in Dresden auf die Straße gegangen, und das lasse ich mir auch nicht nehmen. Da gibt es ein großes Verständnis!
Engels: Dass das Votum aber aus dem bürgerlichen Lager nicht aus reinen Sympathien für Joachim Gauck entstand, das sah man ja im dritten Wahlgang. Da hatte dann der Kandidat Wulff die absolute Mehrheit. Viele, die zuvor für Gauck waren, wechselten zu Wulff. Also ging es doch nicht um Wulff oder Gauck; es war ein Denkzettel an Angela Merkel.
Zastrow: Ich glaube, es war beides. Ich denke schon, dass das Wahlergebnis auch für Joachim Gauck spricht. Er hat ein herausragendes Ergebnis erzielt und man sieht daran noch einmal, dass viele wie wir hin- und hergerissen gewesen sind, dass viele sich auch Joachim Gauck - natürlich auch aus dem bürgerlichen Lager - hätten gut vorstellen können, und wenn wir mal ehrlich sind: Natürlich hätte Joachim Gauck auch der Kandidat von CDU und FDP sein können. Aber dass es trotzdem ein Denkzettel ist, das ist nicht von der Hand zu wischen. Ganz gewiss haben etliche dort auch ihre Rechnung mit der Bundesregierung aufgemacht.
Engels: Wie tief reicht denn die Kritik innerhalb der FDP an der Bundesregierung?
Zastrow: Das wird bei uns schon diskutiert. Man darf nicht vergessen: Wir sind noch vor einem dreiviertel Jahr der große Wahlsieger gewesen. Wir haben ein herausragendes historisches Wahlergebnis erzielt und wir hatten ja auch dafür gesorgt, dass die Menschen Hoffnung hatten. Viele haben sich von Schwarz-Gelb was erhofft. Sie haben gedacht, dass es im Herbst richtig losgeht, dass ein Ruck durch Deutschland geht und dass man hier was daraus macht. Seitdem ist zu wenig passiert. Wir haben noch nicht geliefert, wir sind in entscheidenden politischen Positionen noch im Rückstand und das Klima in der Koalition ist alles andere als vorzeigbar und natürlich: Die Kritik gibt es überall, in jedem Ortsverband, in jedem Landesverband.
Holger Zastrow: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Herr Zastrow, Sie hatten als einer der wenigen offen im Vorfeld angekündigt, für die FDP für Joachim Gauck stimmen zu wollen. Haben Sie das auch im dritten Wahlgang gemacht?
Zastrow: Das haben wir natürlich so gemacht. Wir hatten das von vornherein angekündigt, und da das für uns keine taktische Wahl ist, sondern eine Gewissensentscheidung gewesen ist - Joachim Gauck ist für uns eine der Identifikationsfiguren der friedlichen Revolution von 1989; Sachsen ist das Land der friedlichen Revolution -, deswegen haben wir uns so entschieden, haben das auch vorher angekündigt, und ich glaube, das war ein faires Verfahren, und wir haben das auch durchgehalten.
Engels: Wissen Sie denn, wer außer den bekannten vier - vielleicht waren es drei, vielleicht waren es vier - aus dem FDP-Lager sich Ihnen angeschlossen hat?
Zastrow: Nein, das hat mir keiner verraten. Es sind aus dem FDP-Lager vier gewesen. Das sind die drei Sachsen gewesen und der Oliver Möllenstädt aus Bremen. Finde ich übrigens auch sehr gut, dass wir das vorher gesagt haben, weil damit alles klar ist. Ich glaube, das ist ein bisschen mutiger und ein bisschen auch seriöser, wenn man das ankündigt, anstatt das, was einige andere gemacht haben, nämlich einfach dann in die Kabine zu gehen und dort ihr Mütchen zu kühlen. Ich glaube, das ist nicht in Ordnung.
Engels: Bedauern Sie, dass auch Sie es waren, die damals die Debatte so offen auch für Joachim Gauck eröffnet haben und möglicherweise damit andere animiert haben, sich ähnlich zu verhalten.
Zastrow: Nein, im Gegenteil. Ich denke, jeder hat gespürt, dass diese Debatte, die ja auf einem sehr hohen Niveau geführt worden ist und, was mich auch besonders freut, ohne persönliche Verletzungen geführt worden ist, unserem Land gutgetan hat. Man hat endlich mal frei diskutiert darüber, was eigentlich von einem Bundespräsidenten erwartet wird. Man hat darüber diskutiert, wer die geeignete Persönlichkeit ist. Wir haben zwei respektable Kandidaten gehabt. Wann gab es das schon mal, dass es zwei Kandidaten gibt, die beide höchst geeignet sind, dieses Amt auszufüllen. Ich denke, diese Debatte hat uns gutgetan und auch die Wahl gestern hat uns gutgetan und das war schon eine Lehrstunde für Demokratie.
Engels: Lehrstunde für Demokratie ist das eine, aber, Herr Zastrow, werden wir mal grundsätzlich: Sie wissen ja, wie solche Wahlen ablaufen, sind sehr erfahren. Grundsätzlich gilt doch: Wenn eine so große Zahl von Abgeordneten bei einer wichtigen Wahl nicht zustimmt, wie es in den ersten beiden Wahlgängen der Fall war, geschieht so etwas zufällig oder wird so etwas vorab untereinander organisiert?
Zastrow: Für uns ist das eine Gewissensentscheidung gewesen. Wir haben auch mit niemandem weiter darüber gesprochen, außer dass wir natürlich der Parteispitze mitgeteilt haben, dass wir hier eine andere Meinung haben. Das ist in der FDP auch respektiert worden. Ich glaube, dass unsere Begründung auch sehr stichhaltig ist und dass man dafür auch ein Verständnis hat. Ich bin genau deswegen auch eben in einer liberalen Partei, weil für uns Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist. Dafür bin ich selbst 1989 in Dresden auf die Straße gegangen, und das lasse ich mir auch nicht nehmen. Da gibt es ein großes Verständnis!
Engels: Dass das Votum aber aus dem bürgerlichen Lager nicht aus reinen Sympathien für Joachim Gauck entstand, das sah man ja im dritten Wahlgang. Da hatte dann der Kandidat Wulff die absolute Mehrheit. Viele, die zuvor für Gauck waren, wechselten zu Wulff. Also ging es doch nicht um Wulff oder Gauck; es war ein Denkzettel an Angela Merkel.
Zastrow: Ich glaube, es war beides. Ich denke schon, dass das Wahlergebnis auch für Joachim Gauck spricht. Er hat ein herausragendes Ergebnis erzielt und man sieht daran noch einmal, dass viele wie wir hin- und hergerissen gewesen sind, dass viele sich auch Joachim Gauck - natürlich auch aus dem bürgerlichen Lager - hätten gut vorstellen können, und wenn wir mal ehrlich sind: Natürlich hätte Joachim Gauck auch der Kandidat von CDU und FDP sein können. Aber dass es trotzdem ein Denkzettel ist, das ist nicht von der Hand zu wischen. Ganz gewiss haben etliche dort auch ihre Rechnung mit der Bundesregierung aufgemacht.
Engels: Wie tief reicht denn die Kritik innerhalb der FDP an der Bundesregierung?
Zastrow: Das wird bei uns schon diskutiert. Man darf nicht vergessen: Wir sind noch vor einem dreiviertel Jahr der große Wahlsieger gewesen. Wir haben ein herausragendes historisches Wahlergebnis erzielt und wir hatten ja auch dafür gesorgt, dass die Menschen Hoffnung hatten. Viele haben sich von Schwarz-Gelb was erhofft. Sie haben gedacht, dass es im Herbst richtig losgeht, dass ein Ruck durch Deutschland geht und dass man hier was daraus macht. Seitdem ist zu wenig passiert. Wir haben noch nicht geliefert, wir sind in entscheidenden politischen Positionen noch im Rückstand und das Klima in der Koalition ist alles andere als vorzeigbar und natürlich: Die Kritik gibt es überall, in jedem Ortsverband, in jedem Landesverband.