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GDBA-Chef wirft Lokführergewerkschaft Eigensinn vor

Klaus-Dieter Hommel, Chef der Bahngewerkschaft GDBA, erhebt schwere Vorwürfe gegen seine Gewerkschaftskollegen von der GDL. Die Streik-Drohungen der Lokführergewerkschaft würden dem Unternehmen, der Öffentlichkeit und natürlich auch den Mitarbeitern schaden, sagte Hommel.

Moderation: Christiane Kaess |
    Christiane Kaess: Für viele ist es ein Albtraum: Über Weihnachten sammeln sich Schlangen von Wartenden auf den Bahnhöfen, die zu Familien und Freunden unterwegs sind, aber die Züge stehen still. Dieses Szenario wäre zwischen den Jahren für die Bahnkunden ebenso ärgerlich wie ein entsprechender Start ins neue Jahr. Noch wissen wir nichts Genaues über die weiteren Pläne der Lokführergewerkschaft GDL nach dem Abbruch der Tarifverhandlungen mit der Bahn. Heute am frühen Nachmittag will die GDL ihr weiteres Vorgehen bekannt geben. Aber allerlei Vermutungen und Hinweise gibt es bereits. (MP3-Audio, Beitrag von Gerhard Irmler)

    Bei der Bahn selbst hat man überrascht reagiert auf den Abbruch der Verhandlungen. Kurz vor der Sendung habe ich mit Klaus-Dieter Hommel gesprochen. Er ist der Chef der Bahngewerkschaft GDBA. Ich habe ihn zuerst gefragt, ob die Absage der Gespräche durch die GDL für ihn auch überraschend kam?

    Klaus-Dieter Hommel: Ja. Wir waren auch überrascht, weil wir nicht erkennen konnten, dass es Gründe für so einen Abbruch gibt. Die GDL und die Gewerkschaften der Tarifgemeinschaft GDBA und Transnet waren seit dem letzten Spitzengespräch miteinander im Gespräch, um die entsprechenden Vereinbarungen vorzubereiten. Wir waren dabei auf einem guten Wege und hatten geglaubt, dann am Abend zu einem für alle tragbaren Ergebnis zu kommen.

    Kaess: Welche Gründe vermuten Sie denn jetzt dahinter?

    Hommel: Ich sehe die Gründe in der organisationspolitischen Ausrichtung der GDL, die offensichtlich intern in einem Streit ist, ob man den Organisationsbereich der GDL ausweitet auf den Bereich der Zugbegleiter oder nicht. Und es scheint so, dass sich diejenigen durchgesetzt haben, die nicht wollen, dass die GDL ausschließlich für ihre Klientel, nämlich für die Lokomotivführer, zukünftig zuständig sein soll.

    Kaess: Da sprechen Sie einen Teil des sogenannten Kooperationsvertrages an, den alle drei Bahngewerkschaften für künftige Tarifgespräche aushandeln sollen, und der soll eben festlegen, welche Gewerkschaft welche Berufsgruppe vertreten darf. Aber demnach wäre es doch erklärbar, warum die GDL sich auf diese Kompromisse nicht einlassen möchte.

    Hommel: Nein. Das ist nicht erklärbar, weil wir uns ja bereits im August im Rahmen der Moderation verständigt haben. Im Rahmen der Moderation sind zwei Dinge zweifelsfrei von allen Gewerkschaften, auch von der GDL akzeptiert worden, nämlich einerseits, dass die Tarifeinheit durch eine besondere Lösung erhalten wird, die GDL ihren eigenständigen Tarifvertrag für Lokomotivführer verhandeln kann, aber sich auf Lokomotivführer beschränkt, zukünftig. Das hat die GDL bereits im August zugestanden, und davon verabschiedet sie sich jetzt offensichtlich.

    Kaess: Transnet-Chef Norbert Hansen sagt, es gab bei der Zuordnung der Beschäftigten zu den einzelnen Gewerkschaften noch Streit. Das würden Sie damit bestätigen?

    Hommel: Dieser Streit ist ein Streit, den die GDL vom Zaun gebrochen hat. Wenn wir akzeptieren, dass die GDL in der Berufsgruppe der Lokomotivführer die Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen organisiert, ist es nur folgerichtig, dass auch sie akzeptiert, wer in den anderen Berufsgruppen die Mehrheit hat. Die Mehrheit in den strittigen Berufsgruppen - hier geht es um die Lokrangierführer beispielsweise, eine besondere Gruppe, eine besondere Tätigkeit -, die Mehrheit liegt eindeutig weit über 80 Prozent bei den Gewerkschaften Transnet und GDBA.

    Kaess: Aber würden diese strittigen Punkte, die Sie ansprechen, nicht auch das Prinzip des eigenständigen Tarifvertrages für die GDL aushebeln, den sie ja seit Monaten verlangt?

    Hommel: Nein. Sie hebelt ihn nicht aus, denn im Rahmen der letzten Tarifverhandlungen Anfang Dezember hat ja die GDL dem zugestimmt, in einem neuen Tarifsystem zu verhandeln, in einem Tarifsystem, das für alle Beschäftigten einen sogenannten Basistarifvertrag vorsieht und für die einzelnen Beschäftigungsgruppen derzeit bis zu sechs funktionsspezifische Tarifverträge. In diesen Tarifverträgen würde sich in einem solchen die GDL mit ihren Lokführern wiederfinden, und diesen Tarifvertrag kann sie völlig selbstständig und eigenständig aushandeln. Wir würden als Tarifgemeinschaft das Tarifergebnis anerkennen. Das heißt also, die GDL ist nicht abhängig von unserer Meinung, und sie könnte deshalb ihre ureigenste Forderung, nämlich eigenständig Tarifverhandlungen zu führen, einen eigenständigen Tarifvertrag abzuschließen, auch umsetzen.

    Kaess: Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben die Transnet und die GDBA demnach keinen Einfluss auf die Höhe der Lohnforderungen der GDL?

    Hommel: Wir nehmen keinen Einfluss auf die Höhe der Lohnforderungen. Die Lohnforderung hat die GDL gestellt. Wir haben aber allerdings auch vereinbart - und das war zumindest bis gestern Mittag Konsens -, für zukünftige Tarifverhandlungen ein Abstimmungsverfahren herbeizuführen, und für dieses Abstimmungsverfahren auch entsprechende Mechanismen vorgesehen, die dann natürlich beide Seiten binden. Man darf hier nicht nur die Position der GDL sehen, man muss auch die Position der Gewerkschaften der Tarifgemeinschaft sehen, die sich ja ebenfalls in eine solche Verfahrensregelung einbinden lassen, so dass dann, wenn es überhaupt eine Abhängigkeit gibt, diese Abhängigkeit beidseitig gewesen wäre.

    Kaess: Das heißt, Sie würden sich hier Norbert Hansen anschließen, der sagt, man denke sogar darüber nach, alle bestehenden Tarifverträge aufzukündigen, und dann müsste man in der Folge auch die Bedingungen neu verhandeln, und ab Januar wäre man raus aus der Friedenspflicht?

    Hommel: Ja. Wir haben das ins Auge gefasst. Wir werden im Januar die Situation in unseren Gremien bewerten und werden unsere Möglichkeiten nutzen, auch tarifrechtlich eine Position zu erlangen, um Druck ausüben zu können. Aber uns geht es hier nicht darum, Krawall zu machen, sondern uns geht es hier darum, eine verlässliche Tarifpolitik für die Beschäftigten weiterhin zu betreiben und das werden wir im Januar sehen. Auf jeden Fall werden wir diesen Crash-Kurs, den die GDL verfolgt, nicht mitmachen und werden unsere Verhandlungen zu Ende führen.

    Kaess: Und als ein Druckmittel, das Sie verwenden würden oder könnten, kämen auch Streiks in Frage?

    Hommel: Wissen Sie, das Thema Streiks ist ja natürlich für die Bahn und für die Öffentlichkeit ein sehr wichtiges Thema, aber ich sehe Streiks als letztes Mittel. Das, was die GDL derzeit tut, immer wieder mit Streiks zu drohen, schadet dem Unternehmen, schadet der Öffentlichkeit und schadet natürlich auch den Mitarbeitern.

    Kaess: Aber Sie selbst schließen Streiks von Seiten der GDBA und der Transnet auch nicht aus?

    Hommel: Nein. Streiks sind in Tarifauseinandersetzungen nie ausgeschlossen. Aber sie sind das letzte Mittel und werden dann eingesetzt, wenn wir mit dem Arbeitgeber nicht mehr weiterkommen. In dieser Situation sind wir noch nicht. Das werden wir sehen, wie sich die Verhandlungen, die im Januar weitergeführt werden, entwickeln.

    Kaess: Gehen Sie davon aus, dass die GDL in den kommenden Tagen und Wochen streikt?

    Hommel: Ich gehe davon aus, dass die GDL ihr Spiel, was sie bereits seit Monaten treibt und damit alle an der Nase herumführt, fortsetzt. Sie wird heute verkünden, dass sie vor Weihnachten nicht streikt. Sie wird verkünden, dass sie neue Ultimaten stellt und dann möglicherweise ihre Gremien damit befasst und dann weiter entscheidet. Über die Feiertage rechne ich nicht mit Streiks. Was zwischen den Jahren passiert, das kann ich nicht einschätzen. Möglicherweise ist man dann im neuen Jahr wieder so weit. Ich hoffe allerdings, dass man nach der gestrigen Kurzschlusshandlung - denn als anderes kann ich es nicht bezeichnen, da hat jemand die Reißleine gezogen - sich doch noch mal besinnt - manchmal helfen auch die Feiertage - und wieder an den Verhandlungstisch zurückkehrt, aber auch die Gespräche, die zwischen den Gewerkschaften gelaufen sind, wieder aufnimmt.

    Kaess: Klaus-Dieter Hommel, Chef der Bahngewerkschaft GDBA.