Montag, 20. Mai 2024

Angriffe auf Politiker
GdP-Chef Kopelke: Polizei kann mehr Schutz leisten, aber nicht auf Dauer - Tatverdächtiger im Fall Giffey in psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen

Nach Angriffen auf Politiker in mehreren Bundesländern hat die Gewerkschaft der Polizei vor überzogenen Forderungen gewarnt. Der GdP-Vorsitzende Kopelke sagte im Deutschlandfunk, man könne mehr Schutz und Sicherheit gewährleisten, allerdings nicht auf Dauer und alleine.

09.05.2024
    Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke bei einer Veranstaltung.
    Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke (Archivbild). (Wolfgang Kumm / dpa / Wolfgang Kumm)
    Er halte die Einschätzung der Innenministerkonferenz daher für richtig, dass weitere Akteure gefordert seien. Kopelke verwies auf den Personalmangel bei der Polizei, vor allem in den Flächenländern. "In Sachsen, Brandenburg oder Thüringen sind in den letzten Jahren zahlreiche Stellen abgebaut worden. Und deswegen ist Polizei nicht mehr so schnell, wie es sich die Menschen wünschen." Der GdP-Vorsitzende hält es auch für notwendig, die Justiz personell zu stärken. Man brauche eine schnelle und enge Zusammenarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft, betonte Kopelke.
    Im Fall der Berliner Wirtschaftssenatorin Giffey ist der Tatverdächtige in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen worden. Das teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit. Der 74-Jährige soll die SPD-Politikerin in einer Berliner Bibliothek attackiert haben. Tatwaffe sei ein Beutel mit hartem Inhalt gewesen, hieß es. Zuvor hatten Polizei und Staatswaltschaft mitgeteilt, bei dem Mann gebe es Hinweise auf eine psychische Erkrankung. Er ist der Polizei wegen Vorfällen im Bereich der Hasskriminalität bereits bekannt. Zum Motiv äußerten sich die Behörden nicht.

    Giffey fordert mehr Respekt

    Die SPD-Politikerin Giffey war bei der Attacke leicht an Kopf und Nacken verletzt worden. In einem Statment am Tag nach der Tat rief sie zu mehr Respekt gegenüber Menschen auf, die sich in der Politik engagieren. Man lebe in einem freien und demokratischen Land, in dem jede und jeder seine Meinung frei äußern dürfe, schrieb die SPD-Politikerin im sozialen Netzwerk Instagram. Dennoch gebe es eine klare Grenze der freien Meinungsäußerung. Diese sei überschritten, wenn Gewalt gegen Menschen angewendet werde, die anderer Auffassung seien als man selbst. Die Gesellschaft müsse sich derartigen Angriffen entschieden entgegenstellen. Bundeskanzler Scholz bezeichnete die Tat auf der Plattform X als "empörend und feige".

    Wieder Angriff in Dresden

    Eine weitere Attacke wurde aus Dresden gemeldet. Dort bedrohten und bespuckten zwei Personen nach Angaben der Polizei eine Grünen-Politikerin beim Aufhängen von Wahlplakaten. Man habe später zwei Verdächtige festgenommen. Gegen sie wird unter anderem wegen Körperverletzung und des Zeigens des Hitlergrußes ermittelt. Vergangene Woche Freitag war in Dresden der sächsische SPD-Europaabgeordnete Ecke niedergeschlagen und schwer verletzt worden. Zuvor soll die Tätergruppe einen 28-Jährigen angegriffen haben, der für die Grünen Wahlplakate anbrachte.

    Leipzigs Oberbürgermeister Jung: Zu "lasches" Agieren

    Der SPD-Politiker Jung rief angesichts der Angriffe auf Politikerinnen und Politiker zu einem konsequenten Vorgehen auf. Der Oberbürgermeister von Leipzig sagte im Deutschlandfunk, der Rechtsstaat müsse klar und deutlich die Grenzen markieren und Zähne zeigen. Jung, der auch Vizepräsident des Deutschen Städtetags ist, sagte, die Angriffe würden sich gegen Menschen richten, die politisch aktiv seien. Darauf fuße die parlamentarische Demokratie. Er betonte, man werde das Problem nicht alleine durch Polizei und Justiz in den Griff bekommen, sondern brauche eine Diskussion über die politische Kultur in Deutschland.

    BKA-Präsident: Mehr Fokus auf Hass im Netz

    Nach Angaben des Präsidents des Bundeskriminalamts, Münch, nimmt die Zahl der Körperverletzungen gegen Politiker zu. Im gesamten vergangenen Jahr habe die Behörde 27 körperliche Angriffe auf Politiker gezählt, in diesem Jahr bereits 22. Auch die Zahl der Beleidigungen gegen politische Amtsträger sei deutlich gestiegen. Münch betonte, die Polizei könne nicht alle Politiker und Wahlkampfhelfer schützen. Die Maßnahmen müssten auf die jeweilige Region abgestimmt werden. Unabhängig vom Wahlkampf müsse der Fokus stärker auf den Umgang mit Hass und Hetze im Netz liegen, sagte der BKA-Chef. Der öffentliche Diskurs führe zu Feindbildern und am Ende auch zu Straftaten. Von Beleidigungen seien die Grünen bundesweit am stärksten betroffen, von Körperverletzungen die AfD.

    Innenminister prüfen schärfere Strafen

    Die Innenminister von Bund und Ländern hatten sich gestern Abend auf einer digitalen Sondersitzung für schärfere Strafen zum Schutz von Politikerinnen und Politikern ausgesprochen. Auch der Berliner Senat kündigte Konsequenzen an.

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    Das vollständige Interview mit Burkhard Jung zum Nachlesen
    Gewalt gegen Politiker - Fragen und Antworten
    Diese Nachricht wurde am 09.05.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.