Rassismus in der DDR
Gedenken an Opfer rassistischer Ausschreitungen vor 50 Jahren

Im thüringischen Erfurt wird an die rassistischen Ausschreitungen vor 50 Jahren in der damaligen DDR erinnert. Im August 1975 machten etwa 150 bis 300 junge Erfurter Jagd auf 25 algerische Vertragsarbeiter durch die Innenstadt und prügelten einige von ihnen krankenhausreif.

    Der Erfurter Dom und die Severikirche in der Abenddämmerung
    Die Thüringer Landeshauptstadt Erfurt mit ihrem Dom (links) und der Severikirche (rechts) (picture alliance/Bodo Schackow/dpa-Zentralbild/ZB)
    Forschungen zufolge waren es die ersten Ausschreitungen dieser Art nach 1945 in Deutschland. Sie dauerten drei Tage. In der Öffentlichkeit sind sie dennoch wenig bekannt.
    Die Organisatoren der Gedenkveranstaltungen oder Podiumsdiskussionen rechneten im Vorfeld nur mit wenigen Teilnehmern - "vielleicht so 40", sagte eine von ihnen dem Deutschlandfunk. Man wäre überrascht, wenn mehr kommen würden. Die Landeshauptstadt hatte die Gedenkveranstaltungen zwar unterstützt, offizielle Vertreter Erfurts nahmen jedoch nicht teil, wie DLF-Landeskorrespondent Henry Bernhard berichtet.

    Drei Tage Ausschreitungen in Erfurt vom 10. bis 13. August 1975

    Die Ausschreitungen in Erfurt dauerten vom 10. bis 13. August 1975. Nach der ersten Hetzjagd kam es zu weiteren Angriffen auf die Algerier, die als Arbeiter für mehrere Erfurter Betriebe angeheuert worden waren. Ausgelöst wurden sie durch frei erfundene Behauptungen über angebliche Vergewaltigungen und rassistische Gerüchte, die in Erfurt kursierten. 
    Infolge der Übergriffe ermittelten die Sicherheitsbehörden der DDR. Nach Angaben des Historikers Harry Waibel wurden etwa zwei Dutzend Ermittlungsverfahren gegen Erfurter eingeleitet, die mutmaßlich an der Gewalt gegenüber den Algeriern beteiligt waren. Schließlich wurden dann fünf von ihnen als "Rädelsführer und Rowdys" gerichtlich zur Verantwortung gezogen.

    Rassismus und Rechtsextremismus überdauerten die DDR

    Aus Sicht der Historikerin Annegret Schüle zeigen die Ausschreitungen, dass auch in der DDR - die sich offiziell dem Antifaschismus und der Völkerfreundschaft verschrieben hatte - Rassismus und Rechtsextremismus das Ende des Nationalsozialismus überdauert hatten. Dass es die Ausschreitungen in dieser Größe in Erfurt gab, sei vermutlich ein Zufall gewesen, wird sie von der dpa zitiert. Das hätte auch in anderen Orten passieren können. Schüle verweist auf ähnliche Ausschreitungen nach dem Ende der DDR in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen. Laut Schüle wurden sie von offiziellen DDR-Stellen unter der Decke gehalten. Die Staatssicherheit habe die Übergriffe zwar sehr genau protokolliert, verhinderte aber, dass darüber in der DDR gesprochen wurde.
    In den damaligen Medien war nur wenig über die Übergriffe zu lesen gewesen.

    DDR-Vertragsarbeiter wurden von der Bevölkerung abgeschottet

    In der DDR waren zwischen 1974 und 1984 mehr als 8.000 algerische Arbeitsmigranten tätig, wie die Universität Erfurt erforscht hat. Geregelt wurde das durch ein Abkommen zwischen der DDR und Algerien. Ähnliche staatliche Abkommen, die den Einsatz von ausländischen Vertragsarbeitern regelten, gab es unter anderem auch mit Vietnam und Angola.
    Eine bewusste Integration der Vertragsarbeiter, die den Arbeitskräftemangel in der DDR, gab es nicht. Sie wurden gezielt in Wohnheimen untergebracht und sollten von der Bevölkerung weitgehend abgeschottet sein. Es war klar, dass sie nicht dauerhafter Teil der DDR-Gesellschaft werden sollten. Lose Kontakte zu Deutschen gab es meist am Arbeitsplatz und sporadisch im Alltag.
    Diese Nachricht wurde am 12.08.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.