Friedman: Guten Tag.
Koczian: Ein Gedenktag wie dieser kann sinnvoll sein, weil er Erinnerung wach hält. Er kann aber auch zu einem Ritual, zu einem Alibi geraten, mit dem man sich von der Verantwortung im Alltag entlastet. Wie schätzen Sie diesen Gedenktag ein?
Friedman: Rituale haben an sich nichts Schlechtes; es gibt in vielen Bereichen Rituale - wiederkehrende Ereignisse -, ob es in Religion ist, so wie zum Beispiel Weihnachten, so wie es auch in Nationen ist, wenn ein wiederkehrender Tag - wie Nationalfeiertag - begangen wird. So gesehen ist das nicht das Problem, dass es sich um Rituale handelt, sondern das Problem ist, ob man an anderen Tagen des Jahres - an den Tagen, in denen eben der Gedenktag offiziell nicht verkündet ist - ebenfalls Erinnerungsarbeit leistet. Und die beste Erinnerungsarbeit, die man leisten kann, ist, dass wir eine offene, multi-kulturelle pluralistische Gesellschaft leben und aufbauen. Wenn dies geschieht, weil wir aus der Geschichte gelernt haben, dann ist es ein guter Weg nach vorne.
Koczian: Erscheint es aber nicht problematisch, wenn am selben Tag des Gedenkens einerseits auf der anderen Seite der Stiftungsfonds der Deutschen Industrie für die ehemaligen Zwangsarbeiter die Opfer nicht erreicht, weil Akontozahlungen nicht möglich sein sollen?
Friedman: Es zeigt, wie sehr wir Gedenk-, Erinnerungs- und damit Mahnungsarbeit brauchen. Das ganze Thema der Zwangsarbeit und der Entschädigung durch die deutsche Industrie ist ein beschämender Prozess - quälend defensiv statt engagiert und offensiv. Ich halte es für einen Skandal, da niemandem zu erklären ist, wieso der Fonds der deutschen Industrie immer noch nicht mit den 5 Milliarden Mark aufgefüllt ist. Und daran erkennt man, wie widerwillig und wie zögerlich ein Teil der deutschen Industrie an diesem Projekt arbeitet. Dafür fehlen mir letztendlich die Worte, denn es ist nicht nachvollziehbar, dass mittlerweile wieder Hunderte Menschen gestorben sind, die dieses Geld gebraucht hätten, um in den letzten Monaten ihres Lebens noch ein Stück wenigstens Entschädigung zu empfinden und wieder leer ausgegangen sind.
Koczian: Bleiben wir beim Vergleich Gedenken und Alltagshandeln. Bundespräsident Johannes Rau, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse - die höchsten Repräsentanten dieses Staates - bezogen eindeutig Stellung. Aber das Alltagshandeln der Gesellschaft verrät im schlechtesten Falle Ignoranz, im besten Falle die Hilflosigkeit der Lichterketten angesichts der neuen rechtsextremistischen Tendenzen. Wenn Sie vom Vorleben des multi-kulturellen Standards sprechen - dazu braucht man auch die Leute. Wie macht man das?
Friedman: Wir brauchen den Aufstand der Anständigen, wir brauchen aber auch den Aufstand der Zuständigen, und vor allen Dingen brauchen wir den Aufstand im Alltag. Es sind die Millionen kleinen Verletzungen der Seele, die dazu führen, dass der Rassismus mittlerweile in Deutschland wieder Alltag geworden ist; er ist salonfähig geworden. Und eines, dass dieser Erinnerungstag - als Lehre für mich jedenfalls - wieder deutlich macht, ist folgendes: In ganz Deutschland, jedenfalls bei den meisten Menschen, wird man immer wieder hören, ‚über Auschwitz ist man empört'. Aber das, was vor Auschwitz war, muss mindestens genau so viel Empörung hervorrufen, denn es geht letztendlich nicht nur um den Endpunkt von Gewalt, sondern um die Anfangspunkte. Und das ist eigentlich die Lehre für unsere Demokratie und Gegenwart. Wir haben ebenfalls wieder viel zu viele Anfangspunkte von Gewalt übersehen, viel zu viele Anfangspunkte von Rassismus und Antisemitismus übersehen, und wir haben uns an viel zu viel gewöhnt. Es wird höchste Zeit, dass wir das Rad zurückdrehen.
Koczian: Vielleicht gehört ja auch das zu den Anfangspunkten: Finden Sie den Verdacht berechtigt, dass unsere politische Elite keineswegs gefeit ist, auf das Nationale - sagen wir - ‚zu schielen', sei es in der Staatsbürgerschaftsdebatte, sei es beim Begriff ‚Leitkultur', wenn man sich davon Wahlerfolge verspricht?
Friedman: Eine der großen Gefahren der Bundesrepublik Deutschland liegt darin: Wenn die Elite sich nicht eindeutig klar abgrenzt und sich positioniert. Und in der Tat gibt es viel zu oft von Politikern und Politikerinnen und von Parteien ein missverständliches Handeln und Sprechen in dieser Frage. Dies ermutigt und ermuntert die Falschen. Hier geht es, weitaus mehr Sensibilität, weitaus mehr Bewusstsein und weitaus mehr Verantwortung zu leben. Dies ist übrigens eine Äußerung, die überparteilich gemeint ist; leider gibt es solche Tendenzen in allen demokratischen Parteien. Sie sind denn doch immer noch die Ausnahme, aber jedesmal, wo es passiert, ist es einmal zu viel.
Koczian: Gilt diese Missverständlichkeit auch für eine Position, einen NPD-Verbotsantrag nicht zu unterstützen, weil man in Karlsruhe zu scheitern droht?
Friedman: Diese Position ist an sich außerordentlich problematisch, denn wenn wir in Zukunft Verfassungsklagen - egal zu welchem Punkt - immer nur dann einreichen, wenn wir hundert Prozent sicher sind, dass wir gewinnen, dann würde das Instrument des Gerichtes ausgehöhlt werden. Es gibt immer ein Risiko vor Gericht und auf hoher See --sagen Anwälte. Das Problem ist, dass wir ein Zeichen setzen müssen, und es ist aller höchste Zeit, dieses Zeichen zu setzen. Ich bin ein Befürworter dieses Verbotsantrages.
Koczian: Dieser Gedenktag soll nun europaweit gelten. Erstmals ist er auch ein Datum in Großbritannien; die Kanalinseln waren im Zweiten Weltkrieg vom Reich besetzt. Soll das auch daran erinnern - über die Schuld der Nazis hinaus -, dass alle europäischen Völker, mit Ausnahme der Dänen und Bulgaren, ihre jüdischen Mitbürger verrieten?
Friedman: Dies ist ein sehr wichtiger Aspekt. Aber bei all dem, was die anderen Länder getan haben, muss man eines deutlich sagen: Der Antisemitismus ist keine deutsche Erfindung. Aber Auschwitz ist eine deutsche Erfindung. Und so gesehen haben alle anderen Länder, die Sie eben beschrieben haben, natürlich auch Schuld auf sich geladen, haben auch denunziert, haben auch Juden in die KZ's geschickt. Aber wenn Deutschland dieses Furchtbare nicht erfunden hätte, dann hätten diese anderen Länder dieses Instrument nicht nutzen können. Was uns aber alle eint, ist, dass Erinnerungsarbeit ja nicht nur der Blick nach hinten ist, sondern Erinnerungs-arbeit ist die Chance mit dem Blick nach vorne. Wer an Auschwitz gedenkt, wer an das nationalsozialistische Gewaltregime arbeitet und nicht erinnert, der ist nach meinem Selbstverständnis hoch motiviert für Demokratie, Freiheit und Menschenwürde zu arbeiten. Denn was wir heute leben und erleben dürfen, dies ist die Freiheit aller Menschen - das Wichtigste und Wertvollste, was sich Menschen geben können.
Koczian: Dennoch die Frage: Dänen und Bulgaren sind ja - quantitativ gesehen -eher kleine Völker. Haben Sie eine Erklärung, warum die so viel Mut aufbrachten und große Völker sich so feige verhielten?
Friedman: Es sind ganz unterschiedliche Begründungen, und man kann letztendlich die einzig wahre nicht finden. Der Antisemitismus in den Ländern, die mit den Deutschen taktiert haben, ist anscheinend größer als der Respekt vor der Menschenwürde. Das war in Dänemark und Bulgarien wohl nicht der Fall.
Koczian: Ein Holocaust traumatisiert nicht nur die Angehörigen der Opfer, sondern auch die Nachkommen, vielleicht die betroffene Gesellschaft insgesamt. Wie kommt man aus diesem Trauma heraus?
Friedman: Indem man darüber spricht, darüber spricht und immer noch darüber spricht. Es gibt keine Alternative zum sich beschäftigen mit der Geschichte, die ja auch Familien- und persönliche Geschichte ist. Dies tut weh, dies macht traurig, dies macht auch wütend. Aber Verdrängen und Schweigen führt zu neuem Unglück.
Koczian: Eli Wiesel sagt: ‚Das Wort zerstört, was es beschreiben möchte. Es entstellt, was es zu betonen versucht. Indem das Wort die Wahrheit mit einer Schutzhülle umgibt, wird es schließlich sie ersetzen'. Das klingt wie eine resignierende Absage an Kommunikation. Sie aber glauben dessen ungeachtet noch an den Sinn von Kommunikation - auch zum Holocaust?
Friedman: Ich glaube daran, dass Menschen miteinander reden müssen - können -, und dass dies die einzige Chance ist, dass Menschen lernen. Wer schweigt, wer verdrängt, der bunkert sich zu und kommt nicht weiter. Es mag sein, dass man auch mit dem Sprechen nicht weiterkommt, aber eines ist sicher: Wenn wir nicht miteinander sprechen, haben wir überhaupt keine Chance.
Koczian: Im Deutschlandfunk war das Michel Friedman vom Zentralrat der Juden in Deutschland. Dankeschön nach Berlin.
Friedman: Einen guten Tag noch.
Koczian: Ein Gedenktag wie dieser kann sinnvoll sein, weil er Erinnerung wach hält. Er kann aber auch zu einem Ritual, zu einem Alibi geraten, mit dem man sich von der Verantwortung im Alltag entlastet. Wie schätzen Sie diesen Gedenktag ein?
Friedman: Rituale haben an sich nichts Schlechtes; es gibt in vielen Bereichen Rituale - wiederkehrende Ereignisse -, ob es in Religion ist, so wie zum Beispiel Weihnachten, so wie es auch in Nationen ist, wenn ein wiederkehrender Tag - wie Nationalfeiertag - begangen wird. So gesehen ist das nicht das Problem, dass es sich um Rituale handelt, sondern das Problem ist, ob man an anderen Tagen des Jahres - an den Tagen, in denen eben der Gedenktag offiziell nicht verkündet ist - ebenfalls Erinnerungsarbeit leistet. Und die beste Erinnerungsarbeit, die man leisten kann, ist, dass wir eine offene, multi-kulturelle pluralistische Gesellschaft leben und aufbauen. Wenn dies geschieht, weil wir aus der Geschichte gelernt haben, dann ist es ein guter Weg nach vorne.
Koczian: Erscheint es aber nicht problematisch, wenn am selben Tag des Gedenkens einerseits auf der anderen Seite der Stiftungsfonds der Deutschen Industrie für die ehemaligen Zwangsarbeiter die Opfer nicht erreicht, weil Akontozahlungen nicht möglich sein sollen?
Friedman: Es zeigt, wie sehr wir Gedenk-, Erinnerungs- und damit Mahnungsarbeit brauchen. Das ganze Thema der Zwangsarbeit und der Entschädigung durch die deutsche Industrie ist ein beschämender Prozess - quälend defensiv statt engagiert und offensiv. Ich halte es für einen Skandal, da niemandem zu erklären ist, wieso der Fonds der deutschen Industrie immer noch nicht mit den 5 Milliarden Mark aufgefüllt ist. Und daran erkennt man, wie widerwillig und wie zögerlich ein Teil der deutschen Industrie an diesem Projekt arbeitet. Dafür fehlen mir letztendlich die Worte, denn es ist nicht nachvollziehbar, dass mittlerweile wieder Hunderte Menschen gestorben sind, die dieses Geld gebraucht hätten, um in den letzten Monaten ihres Lebens noch ein Stück wenigstens Entschädigung zu empfinden und wieder leer ausgegangen sind.
Koczian: Bleiben wir beim Vergleich Gedenken und Alltagshandeln. Bundespräsident Johannes Rau, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse - die höchsten Repräsentanten dieses Staates - bezogen eindeutig Stellung. Aber das Alltagshandeln der Gesellschaft verrät im schlechtesten Falle Ignoranz, im besten Falle die Hilflosigkeit der Lichterketten angesichts der neuen rechtsextremistischen Tendenzen. Wenn Sie vom Vorleben des multi-kulturellen Standards sprechen - dazu braucht man auch die Leute. Wie macht man das?
Friedman: Wir brauchen den Aufstand der Anständigen, wir brauchen aber auch den Aufstand der Zuständigen, und vor allen Dingen brauchen wir den Aufstand im Alltag. Es sind die Millionen kleinen Verletzungen der Seele, die dazu führen, dass der Rassismus mittlerweile in Deutschland wieder Alltag geworden ist; er ist salonfähig geworden. Und eines, dass dieser Erinnerungstag - als Lehre für mich jedenfalls - wieder deutlich macht, ist folgendes: In ganz Deutschland, jedenfalls bei den meisten Menschen, wird man immer wieder hören, ‚über Auschwitz ist man empört'. Aber das, was vor Auschwitz war, muss mindestens genau so viel Empörung hervorrufen, denn es geht letztendlich nicht nur um den Endpunkt von Gewalt, sondern um die Anfangspunkte. Und das ist eigentlich die Lehre für unsere Demokratie und Gegenwart. Wir haben ebenfalls wieder viel zu viele Anfangspunkte von Gewalt übersehen, viel zu viele Anfangspunkte von Rassismus und Antisemitismus übersehen, und wir haben uns an viel zu viel gewöhnt. Es wird höchste Zeit, dass wir das Rad zurückdrehen.
Koczian: Vielleicht gehört ja auch das zu den Anfangspunkten: Finden Sie den Verdacht berechtigt, dass unsere politische Elite keineswegs gefeit ist, auf das Nationale - sagen wir - ‚zu schielen', sei es in der Staatsbürgerschaftsdebatte, sei es beim Begriff ‚Leitkultur', wenn man sich davon Wahlerfolge verspricht?
Friedman: Eine der großen Gefahren der Bundesrepublik Deutschland liegt darin: Wenn die Elite sich nicht eindeutig klar abgrenzt und sich positioniert. Und in der Tat gibt es viel zu oft von Politikern und Politikerinnen und von Parteien ein missverständliches Handeln und Sprechen in dieser Frage. Dies ermutigt und ermuntert die Falschen. Hier geht es, weitaus mehr Sensibilität, weitaus mehr Bewusstsein und weitaus mehr Verantwortung zu leben. Dies ist übrigens eine Äußerung, die überparteilich gemeint ist; leider gibt es solche Tendenzen in allen demokratischen Parteien. Sie sind denn doch immer noch die Ausnahme, aber jedesmal, wo es passiert, ist es einmal zu viel.
Koczian: Gilt diese Missverständlichkeit auch für eine Position, einen NPD-Verbotsantrag nicht zu unterstützen, weil man in Karlsruhe zu scheitern droht?
Friedman: Diese Position ist an sich außerordentlich problematisch, denn wenn wir in Zukunft Verfassungsklagen - egal zu welchem Punkt - immer nur dann einreichen, wenn wir hundert Prozent sicher sind, dass wir gewinnen, dann würde das Instrument des Gerichtes ausgehöhlt werden. Es gibt immer ein Risiko vor Gericht und auf hoher See --sagen Anwälte. Das Problem ist, dass wir ein Zeichen setzen müssen, und es ist aller höchste Zeit, dieses Zeichen zu setzen. Ich bin ein Befürworter dieses Verbotsantrages.
Koczian: Dieser Gedenktag soll nun europaweit gelten. Erstmals ist er auch ein Datum in Großbritannien; die Kanalinseln waren im Zweiten Weltkrieg vom Reich besetzt. Soll das auch daran erinnern - über die Schuld der Nazis hinaus -, dass alle europäischen Völker, mit Ausnahme der Dänen und Bulgaren, ihre jüdischen Mitbürger verrieten?
Friedman: Dies ist ein sehr wichtiger Aspekt. Aber bei all dem, was die anderen Länder getan haben, muss man eines deutlich sagen: Der Antisemitismus ist keine deutsche Erfindung. Aber Auschwitz ist eine deutsche Erfindung. Und so gesehen haben alle anderen Länder, die Sie eben beschrieben haben, natürlich auch Schuld auf sich geladen, haben auch denunziert, haben auch Juden in die KZ's geschickt. Aber wenn Deutschland dieses Furchtbare nicht erfunden hätte, dann hätten diese anderen Länder dieses Instrument nicht nutzen können. Was uns aber alle eint, ist, dass Erinnerungsarbeit ja nicht nur der Blick nach hinten ist, sondern Erinnerungs-arbeit ist die Chance mit dem Blick nach vorne. Wer an Auschwitz gedenkt, wer an das nationalsozialistische Gewaltregime arbeitet und nicht erinnert, der ist nach meinem Selbstverständnis hoch motiviert für Demokratie, Freiheit und Menschenwürde zu arbeiten. Denn was wir heute leben und erleben dürfen, dies ist die Freiheit aller Menschen - das Wichtigste und Wertvollste, was sich Menschen geben können.
Koczian: Dennoch die Frage: Dänen und Bulgaren sind ja - quantitativ gesehen -eher kleine Völker. Haben Sie eine Erklärung, warum die so viel Mut aufbrachten und große Völker sich so feige verhielten?
Friedman: Es sind ganz unterschiedliche Begründungen, und man kann letztendlich die einzig wahre nicht finden. Der Antisemitismus in den Ländern, die mit den Deutschen taktiert haben, ist anscheinend größer als der Respekt vor der Menschenwürde. Das war in Dänemark und Bulgarien wohl nicht der Fall.
Koczian: Ein Holocaust traumatisiert nicht nur die Angehörigen der Opfer, sondern auch die Nachkommen, vielleicht die betroffene Gesellschaft insgesamt. Wie kommt man aus diesem Trauma heraus?
Friedman: Indem man darüber spricht, darüber spricht und immer noch darüber spricht. Es gibt keine Alternative zum sich beschäftigen mit der Geschichte, die ja auch Familien- und persönliche Geschichte ist. Dies tut weh, dies macht traurig, dies macht auch wütend. Aber Verdrängen und Schweigen führt zu neuem Unglück.
Koczian: Eli Wiesel sagt: ‚Das Wort zerstört, was es beschreiben möchte. Es entstellt, was es zu betonen versucht. Indem das Wort die Wahrheit mit einer Schutzhülle umgibt, wird es schließlich sie ersetzen'. Das klingt wie eine resignierende Absage an Kommunikation. Sie aber glauben dessen ungeachtet noch an den Sinn von Kommunikation - auch zum Holocaust?
Friedman: Ich glaube daran, dass Menschen miteinander reden müssen - können -, und dass dies die einzige Chance ist, dass Menschen lernen. Wer schweigt, wer verdrängt, der bunkert sich zu und kommt nicht weiter. Es mag sein, dass man auch mit dem Sprechen nicht weiterkommt, aber eines ist sicher: Wenn wir nicht miteinander sprechen, haben wir überhaupt keine Chance.
Koczian: Im Deutschlandfunk war das Michel Friedman vom Zentralrat der Juden in Deutschland. Dankeschön nach Berlin.
Friedman: Einen guten Tag noch.