Nutz: Frau Sager, Norbert Hackbusch, einer der nun gehen will, gehört zu den Mitautoren des Koalitionsvertrages von rot/grün.
Sager: Nein, das ist nicht richtig. Er ist nicht Mitautor, sondern er war Mitglied der Verhandlungskommission. Man muß allerdings auch sagen, daß bei diesen fünf Abgeordneten mehrere sind, die dem Koalitionsvertrag, der in Hamburg mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen worden ist, nicht zugestimmt haben.
Nutz: Aber sagen wir mal, Norbert Hackbusch hat zumindest diese Koalition mit getragen und ist nun einer, der gehen will. Worauf ich hinaus will, Frau
Sager: Wie sehr gefährden die Austritte den Bestand des Bündnisses?
Sager: Nicht, gar nicht. Aus meiner Sicht, so wie die Lage im Moment ist und wenn sie so bleibt, wird die Koalition in keiner Weise dadurch tangiert. Wir werden so konstruktiv weiterarbeiten wie bisher. Konstruktiv heißt in diesem Falle aber auch, daß wir auch konstruktiv mit den verbleibenden Abgeordneten der linken Gruppierung der GAL weiterarbeiten werden. Diese haben ja vor allen Dingen auch gerade durch ihre Fraktionsvorsitzende Antje Möller diese Koalition sehr konstruktiv begleitet. Ich sehe die Arbeit der Fraktion im Moment nicht gefährdet und ich sehe auch die Koalition nicht gefährdet.
Nutz: Dennoch bleibt der Eindruck, die Lunte sei angezündet, auch übrigens ja in Nordrhein-Westfalen. Könnte sich nicht dennoch ein Flächenbrand entwickeln?
Sager: Ich gehe davon aus, daß es mehrere Austritte geben wird. Das war aber abzusehen. Gerade auch die Hamburger Abgeordneten hatten ihren Austritt ja schon angekündigt. Ich denke, es wird dann bei einigen Austritten auch bleiben.
Nutz: Der Kosovo-Krieg hat offenbar für die Grünen den Preis der Macht bestimmt. Wo sehen Sie denn noch Möglichkeiten, grünes Profil zu behaupten und die Macht zu behalten, oder schließt das eine das andere aus?
Sager: Die Entscheidung zum Kosovo-Konflikt hatte ja nichts zu tun mit dem Preis der Macht, sondern das war für beide Seiten ja eine geradezu stark aufgeladene Frage. Vielleicht war das auch gerade das Negative an der Auseinandersetzung, daß darin von beiden Seiten sehr, sehr viel Herzblut war, was jetzt vielleicht ein nüchternes Weiterarbeiten in einer gemeinsamen kommunalen oder Landesfraktion erschwert. Es war aber ganz deutlich, daß auch von denjenigen, die jetzt dem Mehrheitsbeschluß zugestimmt haben, sehr, sehr viel Überzeugung darin gesteckt hat.
Nutz: Aber die Haltung zum Krieg wäre doch in der Opposition eine andere gewesen?
Sager: Da bin ich mir nicht so sicher. Wir hatten ja eine ähnliche harte, auch emotional sehr aufgeladene Auseinandersetzung um die Frage, wie man sich im Bosnien-Konflikt verhält, vor allen Dingen nach den Massakern in Srebreniza. Dort hat es ja auch schon eine ähnliche Konstellation gegeben, allerdings mit anderen Mehrheiten, und da waren wir in der Opposition.
Nutz: Der Krieg im Kosovo ist ja nicht das einzige, was die Mitglieder und auch die Wähler frustriert. Endlich Regierungsbeteiligung in Bonn und kein Politikwechsel in Sicht. Stichworte sind "Staatsbürgerschaftsrecht verwässert", "Atomausstieg am St. Nimmerleinstag", "Ökosteuer wo möglich nur als Notstopfen für Haushaltslöcher". Sind sozusagen die grünen Projekte im Endlager entsorgt und laufen deswegen auch die Mitglieder davon?
Sager: Nein. Man muß natürlich in einer Koalition auch sehr viel Kompromisse machen, auch sehr viel Kompromisse machen gegenüber der SPD. Es ist aber ja nicht so, daß dort jetzt grüne Ziele sich gar nicht wiederfinden. Ich sehe durchaus, daß wir den ersten Schritt in Richtung einer Ökosteuer nicht eingesetzt haben für das Stopfen von Haushaltslöchern, sondern zur Senkung der Lohnnebenkosten. Die sind ja real gesenkt worden. Die Beiträge zur Sozialversicherung sind real gesenkt worden. Es sind eine ganze Menge unsozialer Maßnahmen, die die alte Kohl-Regierung verabschiedet hat, zurückgenommen worden. Es ist ein großes Programm auf den Weg gebracht worden gegen Jugendarbeitslosigkeit und für mehr Ausbildungsplätze. Es ist zum Beispiel auch in Richtung Ökologie, Förderung der Solartechnologie, einiges auf den Weg gebracht worden.
Nutz: Dann erklärt sich darin aber nicht das Rumoren an der Basis, denn die beklagt genau dieses?
Sager: Ich kann sagen, daß hier in Hamburg die Koalition sehr stabil ist und daß die Abgeordneten, die jetzt austreten, diese Koalition im Parlament ja real bisher auch mitgetragen haben und daß sie jetzt vor dem Parteitag gesagt haben, sie würden ihre Entscheidung von der Entscheidung zum Kosovo-Konflikt abhängig machen, und das haben sie auch getan.
Nutz: Frau Sager, heute wird die Personalie der EU-Kommissare entschieden. Einer der beiden EU-Kommissare wird von den Grünen benannt. Umweltminister Trittin steht gegen vier Kandidatinnen, wenn alle Presseberichte stimmen. Wen wünschen Sie sich auf dem Posten?
Sager: Im Moment weiß man ja wirklich nicht, ob die Presseberichte stimmen. Das wird man erst einmal abwarten müssen. Es sind ja inzwischen durchaus mehrere Kandidatinnen genannt, und die halte ich auch durchaus für geeignet.
Nutz: Aber Sie hätten auch nichts gegen Jürgen Trittin?
Sager: Jürgen Trittin ist jetzt erst einmal Minister in Bonn, und ob er etwas anderes tatsächlich werden möchte, das wird man erst einmal abwarten müssen. Es gibt natürlich eine Vereinbarung, wenn dieser Kommissarsposten besetzt wird, daß er mit einer Frau besetzt wird. Es ist andererseits aber auch klar, daß das im Grunde für die Frauen bei den Grünen ein bißchen die zweite Wahl war, nachdem dann die Ministerposten schon besetzt waren. Ich denke, man wird jetzt abwarten müssen, was Trittin wirklich will und was an diesen Gerüchten wirklich dran ist. Das entscheidende für die Frauen bei den Grünen scheint mir zu sein, daß entweder ein Ministerposten oder ein Kommissarsposten dann von einer Frau zu besetzen sein wird.
Nutz: Krista Sager von der Hamburger Grün-Alternativen Liste, zweite Bürgermeisterin der Hansestadt, im Deutschland in den Informationen am Morgen.