Mario Dobovisek: ... Renate Künast, die Spitzenkandidatin der Grünen für die Bundestagswahl. Guten Morgen, Frau Künast!
Renate Künast: Guten Morgen, Herr Dovovisek!
Dobovisek: Haben Sie Sigmar Gabriel schon sein neues grünes Parteibuch zugeschickt?
Künast: Nein, also er ist bei den Sozialdemokraten, da wird er auch bleiben. Und ich sage Ihnen ehrlich mal, auch wenn er es jetzt auch gesagt hat, es hängt ja nicht an Sigmar Gabriel, sondern es hängt daran, dass einmal die Pachtverträge auslaufen. Bis dahin, jeder Wissenschaftler sagt, bis 2015 könne die Erkundung, die wissenschaftliche Erkundung, die ja nötig ist, gar nicht zu Ende geführt werden. Zweitens steht jetzt eines ganz klar da: Man hat rausgefunden, dass die Gutachten gefälscht waren. Man hat uns ja immer gesagt, Gorleben sei geeignet, wüsste man schon, obwohl die Erkundung nicht zu Ende war, und nun stellt sich heraus, dass 1982 Gutachter, die schon Zweifel hatten und gesagt haben, jetzt muss man auch andere Standorte untersuchen, dass die unter Druck gesetzt worden sind von einer schwarz-gelben Bundesregierung, einige Sätze aus dem Gutachten rauszustreichen. Da kann man nur sagen – sagen auch die Grünen –, jetzt ist endlich bewiesen, Gorleben ist nicht geeignet.
Dobovisek: Aber die auslaufenden Salzrechte sind ja keine Überraschung.
Künast: Es ist zwischendurch vergessen worden. Also man muss ja eines feststellen: Man hat lange Zeit vergessen, dass das Pachtverträge waren, die seitens der Bauern das Recht geben, bis 2015 zu erkunden, danach wäre sowieso dann ein Enteignungsverfahren gekommen, wenn man dann hätte Gorleben fürs Endlager nutzen wollen. Jetzt wissen wir aber eines: Dass wenn sie es versuchen werden, solch ein Enteignungsverfahren zu machen, mit einem solchen Verfahren kommen sie bei Gericht nie durch. Warum? Weil sie gar nicht begründen können, dass dieses nicht willkürlich ist. Ein gefälschtes Gutachten, das man jetzt in der Hand hat, ist immer der Beweis dafür, es wäre willkürlich, Gorleben auszusuchen, und für ein Enteignungsverfahren brauchen Sie auch hier wieder, was wir immer sagen, endlich mal einen ergebnisoffenen Test und einen Vergleich verschiedener Standorte. Also ich sag mal, jetzt stehen Merkel und Co. mit dem Rücken an der Wand, sie haben sich selber in Katastrophen reingefahren, und nun fangen sie an, alle anderen zu beschimpfen an der Stelle jetzt. Das ist so, wie: Der, der Angst hat, ruft noch laut in den Wald rein, um besonders mutig zu erscheinen.
Dobovisek: Aber Frau Künast, warum kommt dieses gefälschte Gutachten gerade jetzt zutage, gerade jetzt unter der Führung eines SPD-Umweltministers und nicht etwa unter einem grünen Jürgen Trittin?
Künast: Meines Erachtens hat nicht der Bundesumweltminister dieses gefälschte Gutachten hervorgezaubert, sondern haben andere es entdeckt.
Dobovisek: Wer?
Künast: Ich habe mitgekriegt, dass zum Beispiel Anti-AKW-Leute, Leute, die sich gegen dieses Endlager wehren, dieses aus der Tasche gezogen haben und darauf hingewiesen haben.
Dobovisek: Aber Hand aufs Herz, Frau Künast, wie viel Wahlkampf steckt jetzt in dieser neu aufgeflammten Debatte?
Künast: Entschuldigung bitte, man kann doch in Wahlkampfzeiten nicht jede berechtigte Frage damit niedermachen, dass man über Wahlkampf redet. Also die neu aufgeflammte Debatte ist meines Erachtens gar keine neu aufgeflammte Debatte. Wir als Grüne haben diese Frage immer diskutiert, vielleicht haben andere sie nicht aufgenommen. Wir haben auch immer die Atomenergiefrage gestellt im Verhältnis zu Erneuerbaren Energien. Atomkraftwerke, ein abgeschriebenes, macht eine Million Euro Profit pro Tag, die die sich da immer einsacken, und gleichzeitig sind Milliarden-Euro-Fragen über die Lagerung. Denken Sie allein an die Asse II von Müll dem Steuerzahler aufgebürdet, und zwar nicht nur bei der Beseitigung von solchen maroden Lagern, sondern auch bei der Frage, wer eigentlich Jahrtausende – da können Sie fünf Nullen hinter benutzen –, wer eigentlich für die lange Zeit als Öffentlichkeit solche Lager bewacht. Da macht man nicht einfach Mutterboden drüber und das war es. Das wird immer bewirtschaftet, das ist uns Steuerzahlern aufgegeben. Haben wir immer diskutiert. Wir haben immer diskutiert, dass Atomkraft und auch die Lagerung eine Umweltbelastung ist, eine potenzielle Gesundheitsbelastung und dass sie am Ende verhindert, dass man in eine viel bessere Technologie umsteigt, nämlich in Erneuerbare Energien. Wir haben nie aufgehört ...
Dobovisek: Aber lassen Sie uns bitte noch mal einen Moment bei Gorleben bleiben, Frau Künast. Wie ginge es denn weiter im Falle einer rot-grünen Koalition?
Künast: Das, was wir immer gesagt haben: Es kann nicht sein, dass man willkürlich eine Gesteinsart aussucht und nur diese testet, und wenn man am Ende ist, sagt man, es tut uns nun leid, wir haben kein Lager, nehmen wir dies hier. Es gibt ja sowieso kein wirklich sicheres Lager, wird nie ein wirklich sicheres Lager geben, sondern nur innerhalb des Vergleichs mehrerer Standorte ein mehr als andere geeigneter Standort. Gefährlich werden sie alle sein. Deshalb haben wir immer gesagt, ergebnisoffene Untersuchung verschiedener Standorte und auch verschiedener Gesteinsarten. Wer kann [...] Gestein sein für diesen hoch radioaktiven Müll, der im Übrigen extrem heiß ist? Also man muss jede tektonische Veränderung, jede Wasserdurchlässigkeit, einschließlich der Tatsache, dass dieses glüht und damit auch das Umfeld verändern kann, untersuchen. Und dann muss man, so leid es mir tut, den Standort auswählen, bei dem man am wenigsten Schäden vermutet, das ist es ja faktisch, und zwar über Zehntausende von Jahren.
Dobovisek: Ob man die wahre Liebe erlebt hat, weiß man erst am Ende seines Lebens. Werden wir erst das wirklich gute Atommüllendlager haben, wenn unsere Tage gezählt sind?
Künast: Ich sag mal ganz ehrlich, ich schenke Ihnen reinen Wein ein, es gibt nicht das wirkliche gute Atommüllendlager, weil immer Risiken bleiben werden. Aber eines ist klar: Mit Lügen und Fälschung kann es nicht gehen. Union und FDP haben 1982 Druck ausgeübt auf den Gutachter, der gesagt hat, es ist keine ausreichende Grundlage, man muss weitere Standorte untersuchen. Das haben sie da rausgestrichen, ganz hinterhältig. Ich meine, die haben jetzt jeden Kredit verspielt, also eine offene Untersuchung und vor allen Dingen auch eines: Da wir das jetzt nicht mal geklärt haben, können wir uns jetzt nicht erlauben, Atomkraftwerke in ihren Laufzeiten noch zu verlängern, weil dann haben wir noch mehr Müll. Und das ist doch in Wahrheit die Tatsache.
Dobovisek: Und wir haben schon eine ganze Menge Müll und wir suchen auch schon seit 30 Jahren nach einem Atommüllendlager, wir werden wahrscheinlich noch 30 weitere Jahre suchen. Was machen wir in der Zwischenzeit mit dem Müll? Es bleibt ja weiterhin in Zwischenlagern, wie sicher ist das?
Künast: Erster Punkt: Nicht mehr Müll produzieren durch längere Laufzeiten. Zweiter: Es muss jetzt endlich eines passieren, nämlich die Standorte, es müssen verschiedene Standorte miteinander, und zwar mit breiter, öffentlicher Beteiligung, untersucht werden. Alle anderen Staaten – obwohl noch keiner fertig ist und keiner ein Endlager am Ende beschlossen hat, das ist ja das Dilemma –, kein anderer Staat macht das so wie Deutschland. Man kann quasi sagen: CDU und FDP haben uns damals einen deutschen Sonderweg aufgezwungen, alle anderen, zum Beispiel unsere Nachbarn die Schweiz, aber auch andere, machen eben dieses offene Verfahren mehrerer Standorte, die miteinander verglichen werden, sie machen eine breite, öffentliche Beteiligung, damit die Öffentlichkeit auch transparent weiß, was da untersucht wird, und sie werden am Ende auch transparent zwischen den einzelnen Standorten entscheiden. Ich meine, ich finde es schon ethisch gar nicht vertretbar, dass wir sagen, wir nehmen nur einen, den wir untersuchen.
Dobovisek: Das Atommülldilemma, ein sicheres Endlager wird es nicht geben, ein wirklich sicheres. Die Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Künast!
Renate Künast: Guten Morgen, Herr Dovovisek!
Dobovisek: Haben Sie Sigmar Gabriel schon sein neues grünes Parteibuch zugeschickt?
Künast: Nein, also er ist bei den Sozialdemokraten, da wird er auch bleiben. Und ich sage Ihnen ehrlich mal, auch wenn er es jetzt auch gesagt hat, es hängt ja nicht an Sigmar Gabriel, sondern es hängt daran, dass einmal die Pachtverträge auslaufen. Bis dahin, jeder Wissenschaftler sagt, bis 2015 könne die Erkundung, die wissenschaftliche Erkundung, die ja nötig ist, gar nicht zu Ende geführt werden. Zweitens steht jetzt eines ganz klar da: Man hat rausgefunden, dass die Gutachten gefälscht waren. Man hat uns ja immer gesagt, Gorleben sei geeignet, wüsste man schon, obwohl die Erkundung nicht zu Ende war, und nun stellt sich heraus, dass 1982 Gutachter, die schon Zweifel hatten und gesagt haben, jetzt muss man auch andere Standorte untersuchen, dass die unter Druck gesetzt worden sind von einer schwarz-gelben Bundesregierung, einige Sätze aus dem Gutachten rauszustreichen. Da kann man nur sagen – sagen auch die Grünen –, jetzt ist endlich bewiesen, Gorleben ist nicht geeignet.
Dobovisek: Aber die auslaufenden Salzrechte sind ja keine Überraschung.
Künast: Es ist zwischendurch vergessen worden. Also man muss ja eines feststellen: Man hat lange Zeit vergessen, dass das Pachtverträge waren, die seitens der Bauern das Recht geben, bis 2015 zu erkunden, danach wäre sowieso dann ein Enteignungsverfahren gekommen, wenn man dann hätte Gorleben fürs Endlager nutzen wollen. Jetzt wissen wir aber eines: Dass wenn sie es versuchen werden, solch ein Enteignungsverfahren zu machen, mit einem solchen Verfahren kommen sie bei Gericht nie durch. Warum? Weil sie gar nicht begründen können, dass dieses nicht willkürlich ist. Ein gefälschtes Gutachten, das man jetzt in der Hand hat, ist immer der Beweis dafür, es wäre willkürlich, Gorleben auszusuchen, und für ein Enteignungsverfahren brauchen Sie auch hier wieder, was wir immer sagen, endlich mal einen ergebnisoffenen Test und einen Vergleich verschiedener Standorte. Also ich sag mal, jetzt stehen Merkel und Co. mit dem Rücken an der Wand, sie haben sich selber in Katastrophen reingefahren, und nun fangen sie an, alle anderen zu beschimpfen an der Stelle jetzt. Das ist so, wie: Der, der Angst hat, ruft noch laut in den Wald rein, um besonders mutig zu erscheinen.
Dobovisek: Aber Frau Künast, warum kommt dieses gefälschte Gutachten gerade jetzt zutage, gerade jetzt unter der Führung eines SPD-Umweltministers und nicht etwa unter einem grünen Jürgen Trittin?
Künast: Meines Erachtens hat nicht der Bundesumweltminister dieses gefälschte Gutachten hervorgezaubert, sondern haben andere es entdeckt.
Dobovisek: Wer?
Künast: Ich habe mitgekriegt, dass zum Beispiel Anti-AKW-Leute, Leute, die sich gegen dieses Endlager wehren, dieses aus der Tasche gezogen haben und darauf hingewiesen haben.
Dobovisek: Aber Hand aufs Herz, Frau Künast, wie viel Wahlkampf steckt jetzt in dieser neu aufgeflammten Debatte?
Künast: Entschuldigung bitte, man kann doch in Wahlkampfzeiten nicht jede berechtigte Frage damit niedermachen, dass man über Wahlkampf redet. Also die neu aufgeflammte Debatte ist meines Erachtens gar keine neu aufgeflammte Debatte. Wir als Grüne haben diese Frage immer diskutiert, vielleicht haben andere sie nicht aufgenommen. Wir haben auch immer die Atomenergiefrage gestellt im Verhältnis zu Erneuerbaren Energien. Atomkraftwerke, ein abgeschriebenes, macht eine Million Euro Profit pro Tag, die die sich da immer einsacken, und gleichzeitig sind Milliarden-Euro-Fragen über die Lagerung. Denken Sie allein an die Asse II von Müll dem Steuerzahler aufgebürdet, und zwar nicht nur bei der Beseitigung von solchen maroden Lagern, sondern auch bei der Frage, wer eigentlich Jahrtausende – da können Sie fünf Nullen hinter benutzen –, wer eigentlich für die lange Zeit als Öffentlichkeit solche Lager bewacht. Da macht man nicht einfach Mutterboden drüber und das war es. Das wird immer bewirtschaftet, das ist uns Steuerzahlern aufgegeben. Haben wir immer diskutiert. Wir haben immer diskutiert, dass Atomkraft und auch die Lagerung eine Umweltbelastung ist, eine potenzielle Gesundheitsbelastung und dass sie am Ende verhindert, dass man in eine viel bessere Technologie umsteigt, nämlich in Erneuerbare Energien. Wir haben nie aufgehört ...
Dobovisek: Aber lassen Sie uns bitte noch mal einen Moment bei Gorleben bleiben, Frau Künast. Wie ginge es denn weiter im Falle einer rot-grünen Koalition?
Künast: Das, was wir immer gesagt haben: Es kann nicht sein, dass man willkürlich eine Gesteinsart aussucht und nur diese testet, und wenn man am Ende ist, sagt man, es tut uns nun leid, wir haben kein Lager, nehmen wir dies hier. Es gibt ja sowieso kein wirklich sicheres Lager, wird nie ein wirklich sicheres Lager geben, sondern nur innerhalb des Vergleichs mehrerer Standorte ein mehr als andere geeigneter Standort. Gefährlich werden sie alle sein. Deshalb haben wir immer gesagt, ergebnisoffene Untersuchung verschiedener Standorte und auch verschiedener Gesteinsarten. Wer kann [...] Gestein sein für diesen hoch radioaktiven Müll, der im Übrigen extrem heiß ist? Also man muss jede tektonische Veränderung, jede Wasserdurchlässigkeit, einschließlich der Tatsache, dass dieses glüht und damit auch das Umfeld verändern kann, untersuchen. Und dann muss man, so leid es mir tut, den Standort auswählen, bei dem man am wenigsten Schäden vermutet, das ist es ja faktisch, und zwar über Zehntausende von Jahren.
Dobovisek: Ob man die wahre Liebe erlebt hat, weiß man erst am Ende seines Lebens. Werden wir erst das wirklich gute Atommüllendlager haben, wenn unsere Tage gezählt sind?
Künast: Ich sag mal ganz ehrlich, ich schenke Ihnen reinen Wein ein, es gibt nicht das wirkliche gute Atommüllendlager, weil immer Risiken bleiben werden. Aber eines ist klar: Mit Lügen und Fälschung kann es nicht gehen. Union und FDP haben 1982 Druck ausgeübt auf den Gutachter, der gesagt hat, es ist keine ausreichende Grundlage, man muss weitere Standorte untersuchen. Das haben sie da rausgestrichen, ganz hinterhältig. Ich meine, die haben jetzt jeden Kredit verspielt, also eine offene Untersuchung und vor allen Dingen auch eines: Da wir das jetzt nicht mal geklärt haben, können wir uns jetzt nicht erlauben, Atomkraftwerke in ihren Laufzeiten noch zu verlängern, weil dann haben wir noch mehr Müll. Und das ist doch in Wahrheit die Tatsache.
Dobovisek: Und wir haben schon eine ganze Menge Müll und wir suchen auch schon seit 30 Jahren nach einem Atommüllendlager, wir werden wahrscheinlich noch 30 weitere Jahre suchen. Was machen wir in der Zwischenzeit mit dem Müll? Es bleibt ja weiterhin in Zwischenlagern, wie sicher ist das?
Künast: Erster Punkt: Nicht mehr Müll produzieren durch längere Laufzeiten. Zweiter: Es muss jetzt endlich eines passieren, nämlich die Standorte, es müssen verschiedene Standorte miteinander, und zwar mit breiter, öffentlicher Beteiligung, untersucht werden. Alle anderen Staaten – obwohl noch keiner fertig ist und keiner ein Endlager am Ende beschlossen hat, das ist ja das Dilemma –, kein anderer Staat macht das so wie Deutschland. Man kann quasi sagen: CDU und FDP haben uns damals einen deutschen Sonderweg aufgezwungen, alle anderen, zum Beispiel unsere Nachbarn die Schweiz, aber auch andere, machen eben dieses offene Verfahren mehrerer Standorte, die miteinander verglichen werden, sie machen eine breite, öffentliche Beteiligung, damit die Öffentlichkeit auch transparent weiß, was da untersucht wird, und sie werden am Ende auch transparent zwischen den einzelnen Standorten entscheiden. Ich meine, ich finde es schon ethisch gar nicht vertretbar, dass wir sagen, wir nehmen nur einen, den wir untersuchen.
Dobovisek: Das Atommülldilemma, ein sicheres Endlager wird es nicht geben, ein wirklich sicheres. Die Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Künast!