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Gefährliche Cyanobakterien
Blaualgen-Alarm in deutschen Gewässern

Die Ostsee ist nur durch eine schmale Öffnung mit dem Rest der Welt verbunden. Dafür transportieren zahlreiche Flüsse große Mengen Süßwasser und darin enthaltenen Dünger aus der Landwirtschaft in ihr Becken. Bei Wärme entwickeln sich Blüten der giftigen Cyanobakterien mit möglicherweise fatalen Folgen.

Von Dagmar Röhrlich | 03.08.2018
    Badeverbot an den Ricklinger Kiesteichen in Hannover
    Die anhaltende Hitze begünstigt Blaualgen in Badeseen (imago stock&people / localpic)
    Inzwischen sind die Meldungen Routine: In jedem Sommer bilden sich in der Ostsee mehr oder weniger ausgedehnte Teppiche von giftigen Cyanobakterien. Diese sommerlichen Blüten sind nicht nur für den Tourismus ein Problem, sondern auch für die Ökosysteme des Binnenmeers.
    "Es ist so, dass die Cyanobakterien heutzutage ein enormes Problem in der Ostsee darstellen, einfach dadurch, dass sie ja so viel an Biomasse produzieren und die dann zur Sauerstoffaufzehrung führen", und damit zu Sauerstoffmangelzonen, die Krabbe, Fisch und Co in Bedrängnis bringen, erklärt Thorsten Bauersachs von der Universität Kiel.

    Bei der Entstehung der Cyanobakterienblüten spielt vor allem der Düngereintrag vom Land eine Rolle. Außerdem nutzen die Bakterien den Stickstoff aus der Luft, bringen noch mehr davon in ein ohnehin überdüngtes Ökosystem und verstärken die Effekte - und zudem wirken noch andere Faktoren wie die Wassertemperatur und damit die klimatischen Bedingungen:
    "Für mich ist jetzt das Interesse: Ist das, was wir heutzutage sehen in der Ostsee, das Maximum an Cyanobakterienblüten oder hat es solche Blüten schon in vorigen Zeiten in der Ostsee gegeben, wo der Mensch noch keinen wirklichen Beitrag dazu gesteuert hat, um diese Blüten zu befördern?"
    Analyse von Bohrkernen gibt Aufschluss
    Also haben Thorsten Bauersachs und seine Kollegen im Rahmen des IODP - des Internationalen Ocean Discovery Programs - zwischen dem Kleinen Belt und dem Bottnischen Meerbusen Bohrkerne aus dem Ostseeboden gezogen. In ihnen analysierten die Geochemiker den Gehalt an Biomolekülen, die aus den Zellmembranen der Cyanobakterien stammen. Das Ergebnis: Die Bakterien fühlen sich nicht nur heute in der Ostsee wohl:
    "In den letzten 8000 Jahren gab's mindestens noch zwei weitere Phasen zusätzlich zu der Phase, die wir heute kennen, in denen Cyanobakterien vermehrt aufgetreten sind - ähnlich oder noch dominanter aufgetreten sind, als das, was wir heute beobachten."
    Nach dem Ende der Eiszeit traten vor 8000 Jahren - während des Klimaoptimums im Holozän - erste Cyanobakterienblüten auf. Die zweite Phase lag in der mittelalterlichen Warmzeit. Beide Male waren die betroffenen Regionen sehr viel ausgedehnter als heute - und die Bakterienteppiche noch dichter. Und beide Male scheinen erhöhte Wassertemperaturen die Blüten ausgelöst zu haben:
    "Im Moment gehen wir davon aus, dass diese Cyanobakterienblüten schon jetzt ein enormes Problem darstellen für das Ökosystem der Ostsee. Tatsächlich scheint es aber so zu sein, (dass wir während dieser früheren Phasen die Cyanobakterien in einem wesentlich stärkeren Maße in der Ostsee schon vorgefunden haben und) dass diese Bedingungen, so wie wir sie heutzutage haben, wahrscheinlich nur die ersten Stadien in der Entwicklung der Cyanobakterienblüten tatsächlich darstellen und dass in Zukunft damit zu rechnen ist, dass diese Cyanobakterienblüten noch wesentlich stärker auftreten werden."
    Zunahme der giftigen Cyanobakterienblüten erwartet
    Denn während früher der Düngereintrag aus der Landwirtschaft keine Rolle spielte, dürften künftig Klimawandel und Dünger gemeinsam wirken:
    "Diese beiden Prozesse werden sich kombinieren und gegenseitig verstärken, und deswegen erwarten wir, dass in Zukunft eben noch eine deutliche Zunahme der Cyanobakterienblüten erfolgen wird."
    Das wird Folgen für die Ökosysteme haben. Unter anderem werden sich in der Ostsee die Sauerstoffmangelgebiete ausdehnen. Aus ihnen könnten sich sogar "Todeszonen" wie im Golf von Mexiko entwickeln, aus denen jegliches auf Sauerstoff angewiesenes Leben verschwindet. Eine bedenkliche Entwicklung, urteilt Thorsten Bauersachs, die sich wohl vorerst nicht stoppen lässt:
    "Selbst wenn wir jetzt alle Bedingungen runterfahren würden, wäre das System immer noch so, dass die Prozesse, die gerade in Gang sind, auch erst in den nächsten Jahren und auch Jahrzehnten noch weiter weiterlaufen werden, bis überhaupt eine Änderung dann auftreten wird."