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Gefängniskrise in Großbritannien
Hoffnungslos überfüllt

Platzmangel, Gewalt unter den Gefangenen und eine hohe Suizidrate: Die britischen Gefängnisse sind auch aufgrund der vielen Wechsel an der Spitze des Justizministeriums in einem desolaten Zustand. Die Regierung will jetzt neue Gefängnisplätze schaffen.

Von Timo Stukenberg |
Das Wandsworth-Gefängis in London. Außenansicht.
Die britische Regierung will mehr und modernere Gefängisse schaffen (AFP/Niklas HALLE'N )
Der Hauptsitz der Baufirma Kier in London. Aktivistinnen und Aktivisten sind in das Gebäude einer der größten Baufirmen des Landes eingedrungen und protestieren. Unter ihnen ist auch Caren Holmes. Wie alle vom Protest gehört auch sie zu CAPE: Community Action on Prison Expansion. Das Netzwerk will den Ausbau des Gefängniswesens im Vereinigten Königreich stoppen. Kier hat im Juni mit dem Bau eines neuen Gefängnisses begonnen, ein Auftrag im Wert von 253 Millionen Pfund.
"Wir wollen, dass die Firmen verstehen, dass sie die Möglichkeit hätten Schulen, Krankenhäuser oder Infrastruktur zu bauen. Stattdessen haben sie sich dafür entschieden, Haftanstalten und Käfige für Menschen zu bauen."
Rund 85.000 Gefangene saßen laut dem britischen Justizministerium im vergangenen Jahr in England und Wales im Gefängnis. Zum Vergleich: In Deutschland sitzen dem Statistischem Bundesamt zufolge trotz der zahlenmäßig größeren Bevölkerung rund 20.000 weniger Menschen im Gefängnis.
Die Zahl der Gefangenen hat stetig zugenommen
Seit den 1990er Jahren hat die Zahl der Gefangenen in Großbritannien stetig zugenommen. Die Strafen wurden verschärft, die Urteile härter, doch die Gefängnisse hielten mit der steigenden Anzahl der Insassen nicht Schritt.
Seit 2010 stellt das Gefängnissystem einen traurigen Rekord nach dem anderen auf. Das geht aus den Jahresberichten des staatlichen Gefängnisinspektors hervor: Einige Gefängnisse sind hoffnungslos überbelegt, in schlechtem Zustand und schlicht dreckig. Angriffe auf Mitgefangene und Angestellte sind an der Tagesordnung. Die Zahl der Suizide und Selbstverletzungen ist laut offiziellen Zahlen in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen.
All diese Probleme seien auf die Sparpolitik der Regierung, die offiziell seit 2010 galt, zurückzuführen, meint Andrea Albutt. Sie ist die Präsidentin der Prison Governors Association, dem Berufsverband der britischen Gefängnisdirektorinnen und –direktoren. Albutt zufolge brauche es aber Investitionen:
"Um die Gefängnisse, also die Gebäude zu stabilisieren, bräuchten wir ein Jahrzehnt lang jedes Jahr 500 Millionen Pfund. Und bis jetzt haben wir in diesem Jahr lediglich 100 Millionen zugesichert bekommen."
Jedes dritte Gefängnis stammt aus viktorianischen Zeiten
Rund jedes dritte der staatlichen Gefängnisse stammt laut einem Bericht des britischen Parlaments noch aus dem viktorianischen Zeitalter und ist demnach mindestens 100 Jahre alt. Dazu kommt, dass seit 2010 rund 7.000 Stellen für Mitarbeiterinnen und –mitarbeiter in den Gefängnissen gestrichen wurden. Jetzt werden wieder Neue gesucht, aber das ist schwierig unter den aktuellen Bedingungen.
Vor drei Jahren beschloss die Regierung ein Investitionsprogramm. Bis 2020 sollten alte Gefängnisse abgerissen oder renoviert und neue Gefängnisse gebaut werden. Das erste soll frühestens 2021 fertig sein. 1,3 Milliarden Pfund versprach die damalige Regierung unter Theresa May. Ob das Geld wirklich investiert wird, daran hat Andrea Albutt ihre Zweifel. Es könnte letztlich auch für den laufenden Betrieb der Gefängnisse ausgegeben werden, denn:
"Wir haben einen Minister, der uns alle in die eine Richtung losschickt, und dann sechs, sieben, acht Monate später ist er weg. Und dann kommt ein neuer, der uns in die entgegengesetzte Richtung schickt." Allein seit dem Brexit-Referendum im Juni 2016 gab es fünf Justizminister.
Im Geld sieht Caren Holmes hingegen keinen Ausweg aus der Gefängnis-Krise. Die Aktivistin würde lieber an einem grundlegenderen Problem ansetzen: "Wenn neue Gefängnisse gebaut werden, wird die Zahl der Gefangenen wachsen. Und dann werden zusätzliche Gefängnisse gebaut."
Und dieser Prozess geht ihr zufolge immer so weiter.