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Geflügelvirus H5N8
Angst vor einer neuen Vogelgrippe

Seit in einem Geflügelstall in Heinrichswalde das gefährliche H5N8-Virus entdeckt wurde, geht die Angst vor einer neuen großen Vogelgrippe um. Mehr als 30.000 Tiere wurden getötet. Bisher ist die Krankheit noch nie bei einem Menschen nachgewiesen worden – doch die Gefahr ist nicht ausgeschlossen.

Von Antonia zu Knyphausen | 07.11.2014
    Nach dem Ausbruch der Geflügelpest in einem Mastputenbetrieb in Heinrichswalde im Kreis Vorpommern-Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) werden am 07.11.2014 in einem Sperrbezirk von drei Kilometern um das Dorf rund 1000 Hühner, Enten und Gänse von Privathaltern getötet. Hier wird noch lebendes Geflügel in Kisten verladen. In dem Bestand des Mastputenbetrieb in Heinrichswalde war erstmals in Europa ein hochpathogenes Influenzavirus vom Subtyp H5N8 festgestellt worden.
    Totes Geflügel wird vom betroffenen Putenhof in Heinrichswalde getragen. Die Tiere hatten sich möglicherweise mit dem H5N8-Virus infiziert. (picture alliance / dpa / Stefan Sauer)
    Sie ist fast erdrückend diese - Totenstille. Dick und schwer, wie der Morgennebel in den umliegenden Feldern, liegt sie über der Putenmastanlage von Heinrichswalde. Alle 31.000 Tiere sind tot. Auf dem Hof vor dem Tor des Betriebes stehen mehrere Autos von Polizei und Feuerwehr. "Katastrophenschutz" steht in großen weißen Buchstaben auf einem der roten Wagen geschrieben.
    Am Tor zu den Stallungen ein einzelner, eilig angebrachter Zettel: "Achtung Vogelgrippe!" Dahinter steht ein großes weißes Infektionsmobil, die Schwelle in eine andere Welt, wie die Helfer hier sagen. Mehrere junge Männer gehen auf und ab. Rauchen Zigaretten und warten auf ihren Einsatz, der gleich weiter gehen soll. Sie müssen die in der Nacht getöteten Puten aus den Ställen holen und auf die großen grauen Laster laden. Reden möchte an diesem Morgen keiner von ihnen. Dafür aber der Geschäftsführer der Gesellschaft für Seuchenvorsorge, Thomas große Beilage
    "Ja, wir hoffen wirklich, dass das hier ein Einzelfall ist, dass das der letzte Einsatz bei so einer größeren Anlage ist. Wir haben eine Verantwortung für die Menschen an aller erster Stelle und die Räumung wird möglichst zügig fortgesetzt und ich gehe davon aus, dass das im Laufe des Tages dann auch sein Ende findet."
    Es gilt die höchste Sicheheitsstufe
    Rückblende: Gestern Morgen 9 Uhr. Jetzt dürfen die Wissenschaftler des Bundesforschungsinstituts für Tierkrankheiten keine Zeit verlieren. Seit wenigen Stunden ist klar: 31.000 Puten müssen so schnell wie möglich mit Kohlenstoffdioxid getötet werden. In dem Mastbetrieb im vorpommerschen Heinrichswalde ist die Vogelgrippe ausgebrochen. Ein Erreger mit der Bezeichnung H5N8. Erstmals im Januar dieses Jahres in Süd-Korea entdeckt, seitdem auch in Japan und China aktiv. Hoch gefährlich und bisher weitgehend unerforscht. Wie es nach Deutschland gelangen konnte, darüber können die Forscher derzeit nur spekulieren, sagt Thomas Mettenleiter vom Friedrich-Loeffler-Institut aus Greifswald:
    "Was wir sicher überprüfen ist Personenverkehr, Warenverkehr, man kann Wildvögel sicher nicht ausschließen, da gerade in Südkorea dieses Virus sehr intensiv bei Wildvögeln zirkuliert. Allerdings gibt es zwischen dem fernen Osten und hier keine weiteren Befunde, so dass auch das für uns eine Blackbox ist."
    Es gilt die höchste Sicherheitsstufe. Jeder, der auch nur in die Nähe der Puten kommt, trägt Schutzanzug und Atemmaske. Zwar ist eine Übertragung des Geflügelvirus H5N8 auf den Menschen weltweit bisher noch nicht nachgewiesen worden. Ausschließen, kann Mettenleiter diese Gefahr jedoch nicht:
    "Wir müssen davon ausgehen, dass solche hochpathogenen also solche krankmachenden Geflügelpestviren grundsätzlich auch das Potenzial haben, auch den Menschen zu infizieren, das heißt, hier ist auf jeden Fall Vorsicht geboten."
    Im Umkreis von drei Kilometern muss alles Geflügel getötet werden
    Noch ist die Gefahr nicht gebannt, die Quelle der Infektion nicht gefunden. Gleich neben der Putenmastanlage liegt der Galenbecker See, ein beliebter Rastplatz für Zugvögel. Die Forscher des Friedrich-Loeffler-Instituts gehen auch dort hin, entnehmen Speichel und Kotproben der Tiere. Achim Foitzheim vom Landkreis Vorpommern-Greifswald steht seit den frühen Morgenstunden an der Einfahrt zur Anlage und überwacht die Aktion. Die Behörden und Wissenschaftler sind jetzt auf die Hilfe aus der Bevölkerung angewiesen, sagt er, wenn eine Verschleppung der Seuche verhindert werden soll:
    "Der Sperrbezirk ist ja drei Kilometer, das Beobachtungsgebiet 10 Kilometer und bis zu 50 Kilometer im Umkreis muss aufgestallt werden. Das heißt also, das Geflügel darf nicht mehr draußen gehalten werden, es darf draußen nicht mehr gefüttert werden und wir bitten natürlich darum, dass bei Auffälligkeiten im Bestand bitte sofort eine Meldung an das kreisliche Veterinäramt gemacht wird."
    Heute Morgen macht eine Nachricht im Dorf die Runde, die viele Einwohner erschüttert: Im Umkreis von drei Kilometern rund um die Putenmastanlage muss noch heute alles Federvieh geschlachtet werden. Den ganzen Vormittag über laufen Mitarbeiter im Auftrag des Landkreises durch Heinrichswalde, sammeln Hühner, Gänse und Enten ein. Für viele private Halter finanziell und emotional schwer zu verkraften, denn sie hatten das Geflügel das Jahr über aufgezogen, um es vor Weihnachten zu verkaufen, wie Maika Lange erzählt:
    "Viele Leute erleiden jetzt Verluste und wir sind auch betroffen. Ja wir haben 20 Enten und Hühner und wir werden jetzt auch zusehen, dass wir die erst einmal alle schlachten."
    Rund 1.000 Tiere sind es, die heute noch verbrannt werden müssen. Sie müssen auf die gleiche Art und Weise entsorgt werden, wie die Puten aus dem Mastbetrieb. Das bedeutet höchste Sicherheitsmaßnahmen beim Abtransport. Der dichte, schwere Nebel aus den Feldern rund um die Putenmastanlage hat sich gegen Mittag gelichtet. Und trotzdem - es wird noch stiller werde heute in Heinrichswalde.