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Gefunden, aber nicht erfunden

Die britische Firma Plant Bioscience hat sich das Patent auf ein Brokkoli-Züchtungsverfahren gesichert. Kritiker und auch das Patentamt in München befinden, dass dies schon ein biologisches Verfahren und deshalb nicht patentierbar sei.

Britta Fecke im Gespräch mit Jule Reimer | 10.12.2010
    Jule Reimer: Im Juli berichteten wir Ihnen hier im Deutschlandfunk über eine britische Firma namens Plant Bioscience, die sich über das Europäische Patentamt den alleinigen Zugriff auf ein bestimmtes Züchtungsverfahren für Brokkoli sichern wollte. Gestern Abend veröffentlichte das Europäische Patentamt in München jedoch einen Vorentscheid, in dem es Patente auf "im Wesentlichen biologische Züchtungsverfahren" als nicht zulässig betrachtet. - Zu mir ins Studio gekommen ist meine Kollegin Britta Fecke, die das Verfahren für uns beobachtet. Frau Fecke, warum ging es um die Frage, ob es sich um ein technisches oder biologisches Verfahren handelt?

    Britta Fecke: Weil das Europäische Patentamt Lizenzen oder Schutzrechte auf sogenannte technische Züchtungsverfahren erlaubt. Das heißt, wenn eine Firma wie vor acht Jahren der britische Konzern Plant Bioscience so ein Verfahren patentieren lässt, dann gilt dieses Patent auch für die Pflanze und ihre Samen und die sind dann mit diesem Verfahren gezüchtet und sind somit geschützt. Kritiker meinen aber, dass das Verfahren nicht technisch war, sondern im Wesentlichen biologisch, wie auch das Patentamt in München in dieser Vorentscheidung befand, und diese im Wesentlichen biologischen Verfahren sind nicht patentierbar.

    Reimer: Wie ist denn der Brokkoli dann genau gezüchtet worden?

    Fecke: Im Grunde handelt es sich um eine Brokkoli-Sorte, die nicht einmal gentechnisch verändert wurde, sondern man hat diese Sorte mit Hilfe der Gentechnik mit ganz gängigen Labormethoden untersucht und bestimmte Gene, die aber schon immer da waren, lokalisiert, und die Pflanzen, in denen die gewünschten Genkombinationen vorhanden waren, zur Weiterzucht verwendet. Im Grunde genommen eine konventionelle Methode. Es wurde also eine Vorauswahl getroffen, es wurde selektiert und die gewünschten Pflanzen wurden weitergekreuzt. Es wurde keine neue Pflanze gezüchtet und somit gibt es auch keine neue Erfindung, die man patentieren lassen könnte. Es ist ein bisschen so, als wenn ich unterm Mikroskop ein Bakterium entdecke, dann habe ich es gesehen, ich habe es gefunden, aber ich habe es nicht erfunden. Und genauso verhält es sich eigentlich auch mit dieser Brokkoli-Sorte, die schon vorher da war, gefunden wurde, aber nicht erfunden wurde.

    Reimer: Wer ist denn der Antragsteller Plant Bioscience, wer verbirgt sich dahinter und wer hat gegen das Patent selbst geklagt?

    Fecke: Hinter Bioscience verbirgt sich ganz am Ende sogar wieder Monsanto, der Agrarriese. Hier stehen sich aber sowieso konkurrierende Konzerne gegenüber, also Agrarkonzerne gegen Lebensmittelkonzerne. Im Fall des Brokkoli-Patents legte das Schweizer Unternehmen Syngenta Einspruch ein. Im Fall des ähnlich gelagerten Tomaten-Patents, was gleich mitverhandelt wurde - da geht es um eine wasserärmere Züchtungsvariante -, da erhob der niederländische Unilever-Konzern Einspruch. Auf die Tomaten hatte das israelische Landwirtschaftsministerium schon im Jahr 2000 ein Patent angemeldet.

    Reimer: Diese Vorentscheidung ist ja durchaus auch ernst zu nehmen. Wie war denn jetzt die Reaktion der Beteiligten?

    Fecke: Die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie, kurz DIB, begrüßt die Entscheidung der großen Beschwerdekammer des Patentamts und meint, dass die Behörde in München für Rechtssicherheit und für einen gerechten Interessenausgleich zwischen der Industrie, der wissenschaftlichen Forschung und den Züchtern sowie den Landwirten gesorgt hätte. Von Syngenta haben wir noch nichts gehört nach kurzer Nachfrage des Deutschlandfunks; das ist nicht ungewöhnlich, weil die in laufenden Verfahren in der Regel nicht Stellung nehmen. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner hat die Vorentscheidung als richtungweisend begrüßt, denn damit wären konventionelle Züchtungsverfahren von der Patentierung ausgeschlossen. Für die Umweltschutzorganisation Greenpeace ist die Vorentscheidung des Europäischen Patentamts nur ein Teilerfolg, denn es ist noch nicht ganz klar, welche Auswirkungen dieses Urteil tatsächlich haben wird.

    Reimer: Die Biotechnologie-Industrie wendet ja ein, dass sie nur mit Patentschutz auch die Forschung finanzieren kann. Wie geht es denn nun weiter? Handelt es sich um ein wirklich richtungweisendes Urteil, oder ist das jetzt mehr ein Detail gewesen in diesem gesamten Streit, was darf patentiert werden an Pflanzen und Tieren?

    Fecke: Das könnte richtungweisend sein, denn der Einwand, dass die natürlich ihre Forschung finanzieren müssen, das ist ein guter Einwand. Nur dann sollten sie das auch bitte tun mit wirklichen Erfindungen. Wenn sie tatsächlich Pflanzen gentechnisch so stark verändern, dass es ein neues Produkt ist, dann ist das ja in Ordnung, dann muss es auch finanziert werden. Wenn sie aber eigentlich nur auf alte Kulturgüter, auf Pflanzen, die schon seit Jahrhunderten so vorkommen, versuchen, über die Hintertür, über ein technisches Detail sich die Patente zu sichern, dann ist das eigentlich zumindest im großen ethischen Empfinden eine Ungerechtigkeit. Von daher ist das ein Präzedenzfall, wenn er so entschieden wird gegen Ende des Jahres, und wird sicherlich Richtung weisen.

    Reimer: Genau. Noch ist es eine Vorentscheidung. - Das Europäische Patentamt stellt das Brokkoli-Patent in Frage. Schönen Dank an Britta Fecke.

    Fecke: Gerne.