Heuer: Hans Eichel hat bei der Vorlage seines Etatentwurfs gesagt, es müsse nachjustiert werden bei den Subventionen. Heute lesen wir in der Berliner Zeitung, die Bundesregierung plane die Investitionszulage Ost ab 2005 zu kürzen. Können Sie das bestätigen?
Poß: Das kann ich weder bestätigen noch dementieren. Das wird man eruieren müssen im zuständigen Ressort. Jedenfalls spielt das in der politischen Diskussion bisher noch keine Rolle.
Heuer: In der politischen Diskussion spielen die Streichung der Eigenheimzulage, die Kürzung der Pendlerpauschale und die Kürzung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung eine Rolle. Das ist das, was SPD und Grüne zur Gegenfinanzierung der Steuersenkung angekündigt haben. Wieso macht die SPD eigentlich darüber hinaus keine Vorschläge, wie die Opposition fordert?
Poß: Das sind Vorschläge, die sich im Haushaltsentwurf für 2004 der Bundesregierung befinden. Für das Vorziehen der Steuerreformstufe von 2005 auf 2004 müssen weitere steuerliche Ausnahmetatbestände herangezogen werden.
Heuer: Welche, Herr Poß?
Poß: ... Das muss man auseinanderhalten. Da haben wir im Vermittlungsausschuss verabredet, informell oder durchaus auch formell, dass die Herren Steinbrück und Koch sich zusammensetzen für die beiden Seiten, für die beiden großen Parteien und sich Gedanken machen, welche Steuervergünstigungen vorgeschlagen werden. Da erwarten wir weitere Vorschläge von den beiden.
Heuer: Die SPD macht als Regierungsfraktion selbst keine Vorschläge?
Poß: Wir sind natürlich daran beteiligt. Wir waren auch als Fraktion an den Gesprächen zwischen den Herren Steinbrück und Koch beteiligt. Wir werden uns einbringen. Wir waren ja als Regierung aber jetzt in einem Stadium, wo die Regierung den Haushalt aufstellen muss. Jetzt wird der Haushalt überwiesen ans Parlament, und jetzt wird sich das Parlament, werden sich die Fraktionen mit den Vorschlägen auseinandersetzen.
Heuer: Sie müssen sich aber, Herr Poß, in der SPD-Fraktion doch jetzt schon mit dem Thema beschäftigen, denn die Zeit drängt ja, die Lage ist schlecht. Alle sagen, es muss ein Ruck durch Deutschland gehen.
Poß: Wir haben in der Fraktion das Vorziehen diskutiert. Nach meinem Eindruck war die eindeutige Mehrheit dafür, dass wir wegen der wirtschaftlichen Lage und des Umstandes, dass wir im dritten Jahr der Stagnation sind, ein Vorziehen der Steuerreformstufe 2005 auf 2004 machen sollten. Insofern ist das natürlich politisch diskutiert. Wir waren uns auch darüber einig, dass man versuchen muss, das durch den Abbau von Steuervergünstigungen, eventuell durch Privatisierungserlöse und zum Teil mit Erhöhung der Neuverschuldung zu finanzieren. Insofern war das schon Gegenstand der politischen Diskussion. Wir sind aber noch nicht in der Situation, dass wir über einzelne Subventionstatbestände und deren Ausgestaltung diskutieren können. Zum Beispiel der Wegfall der Eigenheimzulage, so wie er sich jetzt im Haushaltsentwurf befindet, war er bisher nicht Gegenstand der Diskussion im Parlament und in den Fraktionen.
Heuer: Gut, dann sprechen wir über das, was im Haushaltsentwurf drinsteht. Da sind ja die vorgeschlagenen Subventionskürzungen schon enthalten. Was machen Sie eigentlich, wenn die Union im Bundesrat nicht zustimmt? Noch höhere Schulden, oder gibt es dann doch keine Steuererleichterungen?
Poß: Nun, ich denke, dass nach den Erklärungen von Frau Merkel und Herrn Stoiber klar ist, dass sie die Situation wie wir einschätzen, dass wir die wirtschaftliche Erholung stabilisieren müssen. Drei Institute haben es letzte Woche ja für möglich gehalten, dass wir im nächsten Jahr ein Wachstum von 1,8 Prozent haben. Jetzt geht es darum, die 2-Prozent-Wachstumsannahme zu stabilisieren mit Hilfe dieser Steuervorziehung, die ja Wachstumsimpulse setzen kann durch eine verstärkte Nachfrage und auch durch Investitionen von kleinen und mittleren Unternehmen. Das ist, glaube ich, die Einschätzung wie sie auch von Frau Merkel und Herrn Stoiber geteilt wird...
Heuer: ... nicht ganz, Herr Poß...
Poß: ... ja, aber sie hatten ja ihre Bereitschaft erklärt. Wenn man an die strammen Erklärungen der Union denkt, im letzten Jahr und noch in diesem Jahr, was die Steuersenkung angeht, dann ist sie natürlich auch in der Zwickmühle. Wenn sie sich nicht gänzlich unglaubwürdig machen will, wird sie konstruktiv mitwirken müssen. Das betrifft auch die Frage der Gegenfinanzierung.
Heuer: Nun sagt die Union, Herr Poß, dass die Wachstumsannahme von 2 Prozent äußerst optimistisch ist und dass auch auf Grund der noch nicht beschlossenen Subventionskürzungen Eichels Haushalt nicht nur so schlecht aussieht, wie er gestern dargestellt wurde, sondern dass statt 30 sogar 40 bis 45 Milliarden Euro neue Schulden gemacht werden müssen.
Poß: Herr Austermann neigt immer zu Übertreibungen. Seine Zahlenprognosen treffen selten ein. Das wissen wir aus der Vergangenheit. Da sollte sich das Publikum nicht verwirren lassen. Es bringt ja nichts, die Situation jetzt noch schwarz zu reden. Diese Schwarzrederei, die wir im letzten Jahr schon durch die Opposition erlebt haben, hat ja die wirtschaftliche Entwicklung zusätzlich noch gebremst. Das ist ja das Fatale, weil so viel Psychologie mit im Spiel ist. Damit muss Schluss sein. Die Union ist an einer Wegscheide: Stellt sie sich ihrer staatspolitischen Verantwortung - sie trägt Verantwortung in vielen Ländern und auch Kommunen - macht sie mit bei den Maßnahmen, die wir jetzt vorgesehen haben zur Belebung der wirtschaftlichen Entwicklung? Die Europäer erwarten das zu Recht von uns. Wir sind die größte Nation in der Europäischen Union. Dann sollte sie auch konstruktiv mitwirken. Sie sollte konstruktiv mitwirken, indem sie der Gemeindefinanzreform, die wir vorschlagen werden, zustimmt, damit die Gemeinden wieder stärker investitionsfähig werden. Das alles werden wir thematisieren, heute im Parlament, morgen im Parlament. Es kann nicht sein, dass eine Opposition, die in den Umfragen bei 45 Prozent liegt, sich nur im "Ja, nein" oder "Ja, aber" oder im "Nein, aber" erschöpft, wie es derzeit der Fall ist. Sie muss sich ihrer konkreten politischen Verantwortung stellen.
Heuer: Herr Poß, wir sprechen gleich mit der Opposition. Ihnen danke ich erst einmal für das Gespräch. Das war der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Joachim Poß.
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