Christoph Heinemann: "Jeder will und keiner kann", so titelt heute die Zeitung "Kölner Stadt-Anzeiger", und damit ist die politische Lage in Hessen am zweiten Tag nach der Wahl beschrieben. Das heißt nicht, dass die Parteispitzen nicht weiterhin die Köpfe zusammensteckten. Eine Rechnung ist nicht aufgegangen: Der Linksruck der SPD hat der Linken keineswegs das Wasser abgegraben. (
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, Beitrag von Sabine Adler)
Mobiltelefonisch sind wir jetzt mit Heiner Geißler verbunden, dem früheren Generalsekretär der CDU. Guten Tag!
Heiner Geißler: Guten Tag!
Heinemann: Herr Geißler, Große Koalition, Ampel, Jamaika, Rot-Grün links toleriert, Ihr Rat? Wie bekommt man die Kuh in Hessen vom Eis?
Geißler: Es rächt sich jetzt eben - da ist guter Rat teuer -, dass die Christlich-Demokratische Union sich in einigen Bereichen eben nur auf einen Koalitionspartner festgelegt hat, nämlich auf die Liberalen. Ich finde, das ist nicht sehr intelligent, denn dadurch wird die Regierungsfähigkeit entscheidend eingeschränkt. Man muss also aus diesem Blockade-Denken heraus, das sich zum Beispiel gegen die Grünen richtet. Die Grünen sind ja nicht mehr die ultraradikalen Pazifisten der 80er Jahre, sondern sie sind eine Partei, die selbstverständlich koalitionsfähig ist. Natürlich gibt es Betonköpfe auch bei den Grünen, aber es ist einfach falsch, wenn demokratisch gewählte Parteien, die auch einen demokratischen Inhalt haben, erklären, sie seien gegenseitig nicht koalitionsfähig.
Das ist ein schwerer Fehler. Das heißt, wenn die CDU offen wäre auch für eine Koalition mit den Grünen, dann könnte ja Roland Koch morgen bereits eine Regierung bilden.
Heinemann: Roland Koch und die Grünen?
Geißler: Ja, warum nicht? Roland Koch ist ein intelligenter Mensch, und er müsste doch erkennen, dass die Gemeinsamkeiten zwischen der CDU und den Grünen mindestens genauso groß sind wie die Gemeinsamkeiten zwischen der CDU und der SPD, und eine Große Koalition wird ja von der CDU nicht ausgeschlossen.
Heinemann: Beim Thema Jugendkriminalität nicht unbedingt.
Geißler: Ich habe das nicht ganz verstanden.
Heinemann: Beim Thema Jugendkriminalität sind die Gemeinsamkeiten zwischen Roland Koch und den Grünen, glaube ich, nicht deckungsgleich.
Geißler: Ja, gut. Ich meine, das ist jetzt verschüttete Milch. Um aus dieser Situation herauszukommen, wird es wahrscheinlich noch einige Zeit brauchen. Das ist eine Frage, die kann ich nicht lösen. Die muss in Wiesbaden gelöst werden. Eine andere Frage ist eben, wie die zukünftige Strategie der CDU aussieht nach dieser Wahl.
Heinemann: Und wie sollte die aussehen?
Geißler: Ich habe jetzt gehört, dass einige sagen, die Angela Merkel trage die Verantwortung für die Wahlniederlage in Hessen. Das ist, glaube ich, von einem Vertreter der Mittelstandsvereinigung gesagt worden.
Heinemann: Josef Schlarmann!
Geißler: Das ist natürlich ein Ausdruck hochgradiger geistiger Verwirrung, denn die Leute, die die CDU nicht gewählt haben, das waren mit Sicherheit nicht die Mittelständler, sondern es waren Frauen, es waren Eltern, die zornig waren wegen der Bildungspolitik, es waren auch natürlich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich nicht angesprochen fühlten. Ich glaube, dass diese Argumentation schon dazu geführt hat, dass die CDU die letzte Bundestagswahl verloren hat.
Heinemann: Rächt sich jetzt, dass die Analyse dieser Niederlage nie stattgefunden hat in der Union?
Geißler: Eine Diskussion darüber?
Heinemann: Richtig.
Geißler: Die Diskussion darüber muss geführt werden. Sie ist ja auch geführt worden. Die Angela Merkel hat ja aus der Wahlniederlage bei der Bundestagswahl die Konsequenzen gezogen. Das war eine kluge Entscheidung. Die CDU ist wieder eine Volkspartei der Mitte geworden. Zumindest ist es ihr möglich, und es muss auf diesem Weg weiter gearbeitet werden. Im Übrigen weiß ich auch gar nicht, ob jemand der so redet, wie jetzt der Vertreter der Mittelstandsvereinigung, die Interessen der Handwerker und der Mittelständler richtig wiedergibt. Die Handwerker und die Einzelhändler, die ich kenne, die haben ein Interesse daran, dass die Leute wieder mehr Geld in der Tasche haben, denn sie leben davon, dass sie Aufträge und Bestellungen bekommen. Die Wirtschaftskrise der letzten Jahre war ja nicht auf die Exportsituation zurückzuführen, sondern auf die zurückgehende Binnennachfrage, und die hat ihre Ursache natürlich in der Lohnzurückhaltung, die in Deutschland durchgeschlagen hatte seit langen, langen Jahren. Deswegen sind auch die Umsätze beim Einzelhandel und beim Handwerk zurückgegangen. Wenn die Leute kein Geld in der Tasche haben, dann können sie natürlich auch keine Aufträge erteilen und keine Bestellungen machen.
Heinemann: Herr Geißler, sollte die Große Koalition jetzt wieder austeilen, was Rot-Grün vorher mühsam eingesammelt hat?
Geißler: Die Große Koalition ist auf einem richtigen Wege, auch wenn es da Streit gibt. Streit gehört zur Demokratie, und das ist überhaupt kein Beinbruch. Es gibt hier unterschiedliche Auffassungen. Ich glaube, man muss von der Ideologie wegkommen, die vor allem in der Agenda 2010 enthalten ist, wo immer noch die Behauptung aufgestellt wird, das sei eine ökonomisch richtige Reform gewesen. Das ist aber gar nicht der Fall. Das sieht man ja jetzt an den gigantischen Ausmaßen der Klagen gegen Hartz IV. 130.000 Klageverfahren gegen Hartz IV, das kann ja nicht an den Menschen liegen, an den Leuten liegen, sondern an einer total verkorksten Gesetzgebung.
Heinemann: Also Hartz rückgängig machen?
Geißler: Man muss Hartz ganz sicher in weiten Bereichen nicht rückgängig machen, sondern reformieren. Es ist doch ein Unsinn ersten Ranges, dass Leute enteignet werden, das Schonvermögen weiter reduziert wird, obwohl sie gar keinen Arbeitsplatz bekommen. Dieser Spruch "Fordern und Fördern" ist ja im Prinzip gar nicht falsch, aber die Leute werden ja gar nicht gefördert, sondern sie werden nur gefordert in der Regel. Und wenn sie arbeitslos sind, dann werden sie auf 345 Euro reduziert, müssen fast alles versilbern, was sie sich und ihre Familien erarbeitet haben, und haben trotzdem keinen Job. Und diejenigen, die einen Job haben - das ist ja mit ein Grund auch für die Wahlniederlage gewesen, übrigens auch für die geringen Stimmenanteile sowohl der SPD wie auch der CDU in Hessen, dass der Aufschwung an den Leuten vorbei gegangen ist.
Heinemann: SPD, Grüne, Linkspartei und - das ist Ihren Äußerungen herauszuhören - CDU vielleicht auch in Teilen. Wie viel linke Parteien benötigen wir denn in Deutschland?
Geißler: Die Linkspartei hat natürlich deswegen Zulauf bekommen, ich will es mal so sagen: Es sind drei Komponenten. Der relativ geringe Wahlanteil der großen Volksparteien bei 35, 36 Prozent, das ist viel zu wenig für Volksparteien. Zweitens die geringe Wahlbeteilung, sogar unter 60 Prozent. Und drittens die Zunahme der Linkspartei. Hier kommt etwas zum Ausdruck, was man bezeichnen kann als fehlendes Vertrauen in das jetzige Wirtschaftssystem. Das jetzige Wirtschaftssystem, das in den Augen der Leute erlaubt, dass der Börsenwert eines Unternehmens umso höher steigt, je mehr Leute wegrationalisiert werden, dass eine Firma wie Nokia, die Riesengewinne macht, einfach 2500 Arbeitsplätze vernichtet, dass ein einzelner Mensch fünf Milliarden Euro verzocken kann an einer Bank, dass Spekulanten in Amerika in der Lage sind, mit Grundstücksspekulationen die Stabilität deutscher Banken zu gefährden, ein solches Wirtschaftssystem wird von den Menschen nicht mehr akzeptiert und kommt dann eben in den Wahlen mit solchen Ergebnissen zum Ausdruck.
Heinemann: Herr Geißler, der Rechtsextremismus hatte bei diesen Wahlen keine Chance. War das Roland Kochs Verdienst?
Geißler: Das ist ganz sicher eine richtige Intention von Roland Koch gewesen. Das Thema Kriminalität und Jugendkriminalität ist ja überhaupt kein falsches Thema. Aber die Frage ist eben, ob das richtig herübergebracht worden ist. Politik hat auch immer etwas mit Sprache, mit Vermittlung, mit Kommunikation zu tun, und daran hat es offenbar gefehlt.
Heinemann: Inwiefern?
Geißler: Weil zum Beispiel schon der Begriff "Ausländer" nicht differenziert genug gewesen ist. Bei einem solch heiklen Thema muss man differenzieren. Schweizer und Franzosen sowie Spanier sind ja auch Ausländer. Ich habe in meiner eigenen Familie solche Ausländer, Franzosen. Und wenn ich von Ausländerkriminalität spreche, dann sind aber nicht diese Leute gemeint, sondern es sind gemeint die Türken und die Araber. Dann muss man dies aber auch klar sagen und gleichzeitig auch zu erkennen geben, dass die besonders schwierige Situation dieser Menschen im familiären und im sozialen Umfeld eine der Hauptursachen dafür ist, dass die Leute auf die schiefe Bahn kommen.
Heinemann: Heiner Geißler, der ehemalige CDU-Generalsekretär, in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Geißler: Auf Wiederhören.
Mobiltelefonisch sind wir jetzt mit Heiner Geißler verbunden, dem früheren Generalsekretär der CDU. Guten Tag!
Heiner Geißler: Guten Tag!
Heinemann: Herr Geißler, Große Koalition, Ampel, Jamaika, Rot-Grün links toleriert, Ihr Rat? Wie bekommt man die Kuh in Hessen vom Eis?
Geißler: Es rächt sich jetzt eben - da ist guter Rat teuer -, dass die Christlich-Demokratische Union sich in einigen Bereichen eben nur auf einen Koalitionspartner festgelegt hat, nämlich auf die Liberalen. Ich finde, das ist nicht sehr intelligent, denn dadurch wird die Regierungsfähigkeit entscheidend eingeschränkt. Man muss also aus diesem Blockade-Denken heraus, das sich zum Beispiel gegen die Grünen richtet. Die Grünen sind ja nicht mehr die ultraradikalen Pazifisten der 80er Jahre, sondern sie sind eine Partei, die selbstverständlich koalitionsfähig ist. Natürlich gibt es Betonköpfe auch bei den Grünen, aber es ist einfach falsch, wenn demokratisch gewählte Parteien, die auch einen demokratischen Inhalt haben, erklären, sie seien gegenseitig nicht koalitionsfähig.
Das ist ein schwerer Fehler. Das heißt, wenn die CDU offen wäre auch für eine Koalition mit den Grünen, dann könnte ja Roland Koch morgen bereits eine Regierung bilden.
Heinemann: Roland Koch und die Grünen?
Geißler: Ja, warum nicht? Roland Koch ist ein intelligenter Mensch, und er müsste doch erkennen, dass die Gemeinsamkeiten zwischen der CDU und den Grünen mindestens genauso groß sind wie die Gemeinsamkeiten zwischen der CDU und der SPD, und eine Große Koalition wird ja von der CDU nicht ausgeschlossen.
Heinemann: Beim Thema Jugendkriminalität nicht unbedingt.
Geißler: Ich habe das nicht ganz verstanden.
Heinemann: Beim Thema Jugendkriminalität sind die Gemeinsamkeiten zwischen Roland Koch und den Grünen, glaube ich, nicht deckungsgleich.
Geißler: Ja, gut. Ich meine, das ist jetzt verschüttete Milch. Um aus dieser Situation herauszukommen, wird es wahrscheinlich noch einige Zeit brauchen. Das ist eine Frage, die kann ich nicht lösen. Die muss in Wiesbaden gelöst werden. Eine andere Frage ist eben, wie die zukünftige Strategie der CDU aussieht nach dieser Wahl.
Heinemann: Und wie sollte die aussehen?
Geißler: Ich habe jetzt gehört, dass einige sagen, die Angela Merkel trage die Verantwortung für die Wahlniederlage in Hessen. Das ist, glaube ich, von einem Vertreter der Mittelstandsvereinigung gesagt worden.
Heinemann: Josef Schlarmann!
Geißler: Das ist natürlich ein Ausdruck hochgradiger geistiger Verwirrung, denn die Leute, die die CDU nicht gewählt haben, das waren mit Sicherheit nicht die Mittelständler, sondern es waren Frauen, es waren Eltern, die zornig waren wegen der Bildungspolitik, es waren auch natürlich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich nicht angesprochen fühlten. Ich glaube, dass diese Argumentation schon dazu geführt hat, dass die CDU die letzte Bundestagswahl verloren hat.
Heinemann: Rächt sich jetzt, dass die Analyse dieser Niederlage nie stattgefunden hat in der Union?
Geißler: Eine Diskussion darüber?
Heinemann: Richtig.
Geißler: Die Diskussion darüber muss geführt werden. Sie ist ja auch geführt worden. Die Angela Merkel hat ja aus der Wahlniederlage bei der Bundestagswahl die Konsequenzen gezogen. Das war eine kluge Entscheidung. Die CDU ist wieder eine Volkspartei der Mitte geworden. Zumindest ist es ihr möglich, und es muss auf diesem Weg weiter gearbeitet werden. Im Übrigen weiß ich auch gar nicht, ob jemand der so redet, wie jetzt der Vertreter der Mittelstandsvereinigung, die Interessen der Handwerker und der Mittelständler richtig wiedergibt. Die Handwerker und die Einzelhändler, die ich kenne, die haben ein Interesse daran, dass die Leute wieder mehr Geld in der Tasche haben, denn sie leben davon, dass sie Aufträge und Bestellungen bekommen. Die Wirtschaftskrise der letzten Jahre war ja nicht auf die Exportsituation zurückzuführen, sondern auf die zurückgehende Binnennachfrage, und die hat ihre Ursache natürlich in der Lohnzurückhaltung, die in Deutschland durchgeschlagen hatte seit langen, langen Jahren. Deswegen sind auch die Umsätze beim Einzelhandel und beim Handwerk zurückgegangen. Wenn die Leute kein Geld in der Tasche haben, dann können sie natürlich auch keine Aufträge erteilen und keine Bestellungen machen.
Heinemann: Herr Geißler, sollte die Große Koalition jetzt wieder austeilen, was Rot-Grün vorher mühsam eingesammelt hat?
Geißler: Die Große Koalition ist auf einem richtigen Wege, auch wenn es da Streit gibt. Streit gehört zur Demokratie, und das ist überhaupt kein Beinbruch. Es gibt hier unterschiedliche Auffassungen. Ich glaube, man muss von der Ideologie wegkommen, die vor allem in der Agenda 2010 enthalten ist, wo immer noch die Behauptung aufgestellt wird, das sei eine ökonomisch richtige Reform gewesen. Das ist aber gar nicht der Fall. Das sieht man ja jetzt an den gigantischen Ausmaßen der Klagen gegen Hartz IV. 130.000 Klageverfahren gegen Hartz IV, das kann ja nicht an den Menschen liegen, an den Leuten liegen, sondern an einer total verkorksten Gesetzgebung.
Heinemann: Also Hartz rückgängig machen?
Geißler: Man muss Hartz ganz sicher in weiten Bereichen nicht rückgängig machen, sondern reformieren. Es ist doch ein Unsinn ersten Ranges, dass Leute enteignet werden, das Schonvermögen weiter reduziert wird, obwohl sie gar keinen Arbeitsplatz bekommen. Dieser Spruch "Fordern und Fördern" ist ja im Prinzip gar nicht falsch, aber die Leute werden ja gar nicht gefördert, sondern sie werden nur gefordert in der Regel. Und wenn sie arbeitslos sind, dann werden sie auf 345 Euro reduziert, müssen fast alles versilbern, was sie sich und ihre Familien erarbeitet haben, und haben trotzdem keinen Job. Und diejenigen, die einen Job haben - das ist ja mit ein Grund auch für die Wahlniederlage gewesen, übrigens auch für die geringen Stimmenanteile sowohl der SPD wie auch der CDU in Hessen, dass der Aufschwung an den Leuten vorbei gegangen ist.
Heinemann: SPD, Grüne, Linkspartei und - das ist Ihren Äußerungen herauszuhören - CDU vielleicht auch in Teilen. Wie viel linke Parteien benötigen wir denn in Deutschland?
Geißler: Die Linkspartei hat natürlich deswegen Zulauf bekommen, ich will es mal so sagen: Es sind drei Komponenten. Der relativ geringe Wahlanteil der großen Volksparteien bei 35, 36 Prozent, das ist viel zu wenig für Volksparteien. Zweitens die geringe Wahlbeteilung, sogar unter 60 Prozent. Und drittens die Zunahme der Linkspartei. Hier kommt etwas zum Ausdruck, was man bezeichnen kann als fehlendes Vertrauen in das jetzige Wirtschaftssystem. Das jetzige Wirtschaftssystem, das in den Augen der Leute erlaubt, dass der Börsenwert eines Unternehmens umso höher steigt, je mehr Leute wegrationalisiert werden, dass eine Firma wie Nokia, die Riesengewinne macht, einfach 2500 Arbeitsplätze vernichtet, dass ein einzelner Mensch fünf Milliarden Euro verzocken kann an einer Bank, dass Spekulanten in Amerika in der Lage sind, mit Grundstücksspekulationen die Stabilität deutscher Banken zu gefährden, ein solches Wirtschaftssystem wird von den Menschen nicht mehr akzeptiert und kommt dann eben in den Wahlen mit solchen Ergebnissen zum Ausdruck.
Heinemann: Herr Geißler, der Rechtsextremismus hatte bei diesen Wahlen keine Chance. War das Roland Kochs Verdienst?
Geißler: Das ist ganz sicher eine richtige Intention von Roland Koch gewesen. Das Thema Kriminalität und Jugendkriminalität ist ja überhaupt kein falsches Thema. Aber die Frage ist eben, ob das richtig herübergebracht worden ist. Politik hat auch immer etwas mit Sprache, mit Vermittlung, mit Kommunikation zu tun, und daran hat es offenbar gefehlt.
Heinemann: Inwiefern?
Geißler: Weil zum Beispiel schon der Begriff "Ausländer" nicht differenziert genug gewesen ist. Bei einem solch heiklen Thema muss man differenzieren. Schweizer und Franzosen sowie Spanier sind ja auch Ausländer. Ich habe in meiner eigenen Familie solche Ausländer, Franzosen. Und wenn ich von Ausländerkriminalität spreche, dann sind aber nicht diese Leute gemeint, sondern es sind gemeint die Türken und die Araber. Dann muss man dies aber auch klar sagen und gleichzeitig auch zu erkennen geben, dass die besonders schwierige Situation dieser Menschen im familiären und im sozialen Umfeld eine der Hauptursachen dafür ist, dass die Leute auf die schiefe Bahn kommen.
Heinemann: Heiner Geißler, der ehemalige CDU-Generalsekretär, in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Geißler: Auf Wiederhören.